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Testbericht

automobil-magazin.de, 10. November 2013
Die Elektrorevolution steht nicht nur im übertragenen Sinn vor der Tür, sondern mit dem neuen i3 vielleicht schon höchst real. Frage ist nur, ob endlich auch die Politik die richtigen Weichen stellt.

In Holland sind die Weichen richtig gestellt. Bis Ende des Jahres 2013 werden im Nachbarland schon 5.000 Ladestationen existieren. Existiert keine Ladestation in der Nähe vom eigenen Haus, wird sie dort kostenfrei aufgestellt. Elektroautos sind von der Dienstwagensteuer befreit und können in Amsterdam sogar kostenlos parken. Auch andere Länder wie Frankreich oder sogar die USA – wahrlich nicht verschrien als Umweltprimus – bezuschussen schon heute Elektroautos mit höheren Beträgen. In Deutschland dagegen muss man die Stromtankstellen suchen (erst 700) und spart müde 200 Euro Steuer … Eigentlich ist es überall besser, Elektroauto zu fahren, als hier. Die Politik liefert Worte, aber keine Ideen. BMW liefert den i3. Trotzdem: „Liegt die Antwort nicht bei uns“, so ein BMW-Verantwortlicher.

Der i3 ist, ohne politisches Herumlavieren, von Kopf bis Fuß auf Elektro eingestellt. Sicht- und spürbar sitzt man in einem Elektro-Viertürer, der nicht vom Benzinbetrieb mal eben flott auf Elektroantrieb umgekrempelt wurde, sondern aufwendig mit leichten Werkstoffen (das Chassis in Alu, die Karosse in Karbon, das Interieur in schickem Recyclingmaterial) von der Plattform bis zum Antrieb komplett neu durchentwickelt wurde. Dieser Aufwand spart nicht nur 300 kg Gewicht gegenüber vergleichbar großen E-Mobilen (Leergewicht: 1.195 kg), sondern kostete die Motorenwerker in der Entwicklungsphase verdammt viel Geld– geschätzt zwei bis drei Milliarden Euro. Alles „schon bilanziert“, sagt man bei BMW. „Wir müssen das Auto nur noch bauen.“ Gegen Mitdenken in der Politik hätte trotzdem keiner was.

Schließlich schreitet kein anderer deutscher Hersteller mit größeren Schritten in Richtung Elektromobilität. Nicht in der Reichweite zwar – die Batterie bleibt der Hemmschuh – aber im Alltag: Der BMW ist einer der ersten Elektrogetriebenen, die man richtig ernst nehmen kann. Warum? Er fährt sich ganz „normal“, nur viel besser. Der Fahrspaß ist groß. Der Elektromotor, der seine Kraft sofort in voller Dosis (250 Nm ab 1 U/min) verabreicht, mobilisiert 102 PS bei 4.800 U/min und 170 PS Spitzenleistung. Was dabei im Fahrbetrieb rum kommt, ist elastisch wie druckvoll (Beschleunigung von 80 auf 120 km/h in 4,9 s): In 3,7 Sekunden spurtet der Bayer, nachdem der klobige Automatiksteller auf D steht, auf 60 km/h, in nur 7,2 Sekunden auf Tempo 100. Damit lässt der E-Bayer viel stärkere Autos an der Ampel stehen. Und auch die Kurven kicken: Leichtes Handling, frecher Wendekreis (9,86 Meter) und der Heckantrieb liefert trotz sofortigem Drehmomenteinsatz – bei dem der Mini E mit Frontantrieb kein Bein auf den Boden bekommen hätte – klasse Traktion. Nur ans komische Gaspedal muss man sich gewöhnen.

Gas ist Bremse. Grund ist die extreme Rekuperation, also das Rückgewinnen von Energie beim Bremsen, mit der der BMW ohne einen Druck aufs Bremspedal vor der Ampel zum Stehen kommt. Vom Gas gehen fühlt sich erst einmal an wie gerade aus der Fahrschule gekommen. Es ruckt. Das „One Pedal Feeling“ ist gewöhnungsbedürftig, aber die Bremsleuchten – keine Angst vor dem Auffahrunfall – leuchten auch während des Rekuperationsbremsens. So ist der i3 seinem Fahrer schon nach wenigen Kilometern an den Fuß gewachsen und ein Traum aller Motorbremser – man bremst, aber man gewinnt: Energie zurück.
Wer vorne unter der Haube den Motor sucht, findet Kabel.

Da der E-Antrieb deutlich kompakter baut als ein vergleichbarer Verbrenner kommen Elektromotor, Getriebestufe und Antriebselektronik platzsparend über der Hinterachse unter. Unter der „Motorhaube“ finden sich nur zwei Ladekabel. Eines fürs Gleichstrom-, das andere fürs Wechselstromladen. Emissionsfrei lädt man mit BMWs Partner „Naturstrom“. Zeitaufwand: im schnellsten Fall 30 Minuten, drei bis sechs Stunden an der „Wall Box“ in der eigenen Garage (zwei Typen: „Pure“, „Professional“; ab 850 Euro) oder in sechs bis acht Stunden an der Haushaltssteckdose. Das ist OK für die Kunden, hat BMW ermarktforscht, die tagtäglich 40 bis 50 km zur Arbeit und zurück fahren. Langes Reisen erfordert aber Geduld an der Zapfe. Weniger mit „Range Extender“, einem 34 PS leistenden 0,6 Liter-Zweizylinder. Damit wächst die Reichweite auf 240 bis 300 Kilometer. Für das rein elektrische reisen fehlt zur Zeit noch die Infrastruktur. An den Raststätten an der Autobahn München-Berlin finden sich bald genug Ladesäulen – nützt mir aber wenig. Komme aus Frankfurt, Frau Merkel.

Die nächste Stromtanke findet man mit der fest im Auto installierten SIM-Card. Die dynamische Reichweitenkarte zeigt die noch zurücklegbare Strecke, der rote Punkt besetzte Ladesäulen, der grüne freie und der Stern, dass mit der „Charge Now“-Ladekarte geladen werden kann. Das geht einfach: „Tankdeckel“ auf, identifizieren, Kabelbuchsen einstecken. Fernladen mit der i3-App für Android- und iPhones geht auch. Das Smartphone informiert dabei nicht nur über den Ladestatus, sondern ebenso über günstige Stromfenster (Low Cost Charging) oder aktiviert aus der Ferne die Klimaanlage. Noch durchdachter: Im permanent mitdenkenden i3 ist auch der Nahverkehr integriert. So kommt man in der verstauten City bestens voran: Zuerst als Autofahrer, dann mit den Öffentlichen und den Rest der Strecke per pedes mit der Fußgängernavigation – der gute Zug im i3.

100 Kilometer kosten mit „Naturstrom“ wenig. Ein Kilowatt 25 Cent. Bei 25 Kilowattstunden im „Tank“ sind das fünf Euro für eine „Tankfüllung“. Im ersten Versuch legen wir genau 83,4 km zurück und die Restreichweite liegt noch bei 23 km. Nächster Versuch. Am Start zeigt das Display die Reichweiten: auf „Comfort“ 133 km, auf „Eco Pro“ 140 km und auf „Eco Pro+“ die angekündigten 150 km. Im Sparmodus bleibt die Klimaanlage allerdings aus und das Gebot lautet maximal 90 statt der möglichen 150 km/h. Nur so klappt das mit den 150 Kilometern und bei der zweiten Ausfahrt tatsächlich: 78,4 Kilometer zurückgelegt, noch 75 in der Reserve. Erste Praxiserfahrung: 106,4 bis 153,4 Kilometer Reichweite.

Der i3 kostet 34.950 Euro, dann spart er – Bestellt wird bei einem der 46 BMW-Händler – „i3-Agenten“ getauft – die ihn in Deutschland verkaufen und an Karbonkarosse und Batterietechnik schrauben dürfen. Im Laufe seines Autolebens spart der Elektrische rund ein Drittel der Gesamtkosten im Vergleich zu einem BMW 118d, da dort auch die Kosten für Wartung, Versicherung und Steuer höher ausfallen. Dass er viel vehementer beschleunigt, viel leiser und noch sämiger anpackt, lässt Dieselfahrer vom ölig-schmierigen Glauben abfallen.

Die Kröte mit der Reichweite muss man schlucken wollen. Der Kofferraum ist OK, aber mit 200 Liter Volumen nicht groß, das Türkonzept schick, aber für Fondmitfahrer etwas umständlicher als die Normaltür: Das hintere Portal lässt sich erst nach dem vorderen öffnen – umständlich beim Ausstieg. Und der i3 als Stadtwagen ist auch keiner für jeden Städter, wenn der keine Garage hat und im fünften Stock lebt – so lang ist keine Verlängerungsschnur, und das da ein Parkhaus mit Ladestation 1,5 Kilometer entfernt von zuhause liegt, ist auch kein Kaufanreiz für einen Citystromer. Wer da was machen kann? Die Hersteller. BMW hat was gemacht. Was richtig gutes, zeigt sich auf der ersten Ausfahrt im i3. Wäre die Politik genauso wagemutig, würde das mit dem Laden schon heute viel besser aussehen in Deutschland – oder wo sollen im Jahr 2020 eine Millionen Elektroautos tanken, Frau Merkel?

(Lothar Erfert)
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: automobilmagazin, 2013-11-10

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