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Testbericht

9. Juni 2008
Haar, 9. Juni 2008 - Eigenwillig - so kennt man sie, die Briten: Bei Lotus in Hethel laufen die Dinge eben seit jeher ein wenig anders als bei "normalen" Autoherstellern. Während die sich nämlich fragen, was ihre Kunden brauchen oder wünschen, fragt Lotus stattdessen, welche Annehmlichkeiten sie ihren Kunden vorenthalten können. Auch wenn es manchem Zeitgenossen nach ein paar Stunden in einem Lotus so vorkommen mag: Das hat nichts mit den angeblich sadistischen Neigungen des britischen Traditionsherstellers zu tun. Vielmehr geht es darum, ein möglichst kompaktes und leichtes automobiles Gesamtpaket auf ein Höchstmaß an Agilität und Dynamik zu trimmen. Starker Leichtfuß Beim Lotus Exige S mit Performance Paket treiben die Leichtmacher von der Insel dieses Prinzip auf die Spitze. Wie üblich wartet der karge, knapp geschnittene Innenraum nur mit dem Allernötigsten auf. Ein elektrischer Fensterheber links, einer rechts, ein Alpine-Radio mit iPod-Anschluss und eine manuelle Klimaanlage: Das muss reichen. Wer in einem Lotus Gimmicks wie elektrische, beheizte Sitze vermisst, sitzt so oder so im falschen Fahrzeug: Immerhin ist dies ein Auto, das aus Gewichtsgründen sogar auf einen verstellbaren Beifahrersitz verzichtet.

Weniger ist mehr Der Verzicht auf Luxus und der Einsatz edler Leichtbaukomponenten resultieren in einem äußerst niedrigen Leergewicht. Und so ist auf motorischer Seite auch weniger die absolute Leistung imposant, sondern die Art und Weise, wie das werksgetunte Aggregat mit dem britischen Fliegengewicht umspringt. Genau wie der reguläre Exige S trägt auch die scharf gemachte Version einen 1,8-Litermotor von Toyota mit Kompressoraufladung und variabler Ventilsteuerung zwischen Sitzen und Hinterachse. Wer allerdings das Performance Paket für 3.810 Euro ordert, erhält zusätzlich einen Ladeluftkühler und schnellere Injektoren. Das Resultat: 23 zusätzliche Pferdestärken, also eine Höchstleistung von 243 PS bei 8.000 Umdrehungen pro Minute. Klingt nicht aufregend? Dann hilft ein Blick aufs Leistungsgewicht. 935 Kilogramm Leergewicht bedeuten: Jedes Exige-PS muss gerade mal 3,8 Kilogramm in Bewegung setzen. Damit steht der Brite nur wenig schlechter da als etwa der aktuelle Porsche 911 Turbo. Bei dem schiebt jede Pferdestärke 3,3 Kilogramm an. Werkstuning Das Performance Paket beinhaltet allerdings mehr als "nur" die 23 Mehr-PS. Zusätzlich gibt's eine Vierkolben-Rennbremse von AP Racing mit gelochten Scheiben, einen vergrößerten Lufteinlass auf dem Dach sowie eine elektronische Traktionskontrolle inklusive Lauch Control und verstärkter Kupplung. Diese letzte Option alleine rechtfertigt praktisch schon die Investition ins Performance Paket - auch wenn die Launch Control für den alltäglichen Katapultstart an der Ampel ziemlich unbrauchbar ist. Erstens kann ein unvorsichtiger Fahrer mit ihr durchaus den Antriebsstrang vernichten. Zweitens dauert es schlicht zu lange, das elektronische Gimmick zu aktivieren. Per Drehknopf wählt der Lotus-Treiber bei abgeschaltetem Motor die gewünschte Einkuppeldrehzahl vor. Wenn dann bei laufendem Triebwerk Vollgas gegeben wird, hält die Elektronik die Drehzahl auf dem vorher eingestellten Niveau. Jetzt noch im ersten Gang die Kupplung fliegen lassen, und der Lotus erledigt den Rest automatisch. Der Bordcomputer kuppelt perfekt ein und legt einen Blitzstart hin, der nicht-eingeweihte Beifahrer brutal in den Sportsitz presst.

Die falschen Gummis? Einige Raketenstarts später beeindrucken uns allerdings andere Fähigkeiten des Exige. Etwa das rasiermesserscharfe Handling, das zackig-direkte Einlenkverhalten und die unbarmherzig zupackende Rennbremse. Die verzögert den Wagen derart heftig, dass sie die auf unserem Testwagen montierten Pirelli-Sportwinterreifen schlicht überfordert. Kein Wunder, schließlich trägt der Brite normalerweise auf extremen Trockengrip optimierte Sportreifen. Mit den Wintergummis an den Sohlen können wir den Lotus an der Vorderachse locker zum Überbremsen bringen - echt rennwagenmäßig eben. Dasselbe gilt für das Fahrverhalten in Kurven: Unglaublich direkt, schnell und sicher umrundet der Lotus auch die engsten Biegungen auf der Landstraße. Allerdings kommt irgendwann der Punkt, an dem die weichen Schnee-Pneus nicht mehr mitspielen, rubbelnd um Traktion kämpfen - auch wenn das Fahrwerk locker mehr bieten könnte. Fast ohne Filter Das alles stört uns aber nur am Rande. Zu gierig röhrt und kreischt der Kompressor-Vierzylinder, der im Fahrerrücken hinter einer dünnen Plexiglasscheibe lauert. Zu übermütig schmeißt sich der Exige in die Kurven und zu direkt ist das Feedback, das der Wagen uns liefert und damit Vertrauen schafft. Weichgespülte Alltags-Sportwagen mögen ihre Fahrer per Servolenkung von der Straße entkoppeln: Der Exige hingegen ist direkt, ehrlich und hart. Servolenkung? Was ist das? Den Preis dafür zahlen wir beim Rangieren, das trotz relativ schmaler Vorderräder fast als Muskelaufbautraining durchgeht. Aber was soll's: Schließlich ist auch die Kupplung knüppelhart, der Motor gnadenlos laut und die Sitzschalen tragen nur einen Hauch von Polsterung. Dieses Auto ist eben ein Sportwagen im klassischen Sinn des Wortes. Und überhaupt ist der Begriff "Härte" relativ: Nach zwei längeren Fahrten durch die bayerische Seenlandschaft ist das Rückgrat des Lotus-Piloten noch in einem Stück, der Hintern sitzt noch an seinem angestammten Platz und auch die Ohren funktionieren noch tadellos. Vielleicht liegt das ja auch am optionalen Touring Paket, das den Testwagen mit Goodies wie zusätzlicher Schallisolierung, iPod-Anschluss, Ledersitzen oder Cupholder angeblich langstreckentauglich machen soll. Um ehrlich zu sein: Wir bezweifeln es stark.

Neue Perspektiven Wen aber kümmern Zugeständnisse an den Komfort, wenn ein Auto im Gegenzug ein derart ursprüngliches Fahrerlebnis bietet? Wer der Werbung glaubt und meint, in einem BMW die ultimative "Freude am Fahren" erleben zu können, sollte dringend eine ausgedehnte Landstraßentour mit einem Lotus Exige unternehmen. Grund genug dafür ist schon das neue Herangehen ans Thema "Überholen", das sich nach ein paar Stunden hinterm Lotus-Steuer einstellt. Irgendwann fragen wir uns nicht mehr "packe ich das?", sondern schlicht "will ich überholen?". Egal wie wenig Platz auch zu sein scheint, und egal ob nur ein Verkehrsteilnehmer oder drei auf einmal passiert werden müssen: Der Exige prescht nach vorne und vollendet das Manöver, noch bevor ein übernervöser Beifahrer ein Stoßgebet gen Himmel schicken könnte. Höchstens ein leistungsstarkes Motorrad bietet für ähnlich kleines Geld ein ähnlich ungefiltertes, direktes und brachiales Beschleunigungserlebnis. Gratis obendrauf gibt's zudem ein Image, für das andere Sportwagenhersteller ihre Großmütter verscherbeln würden. Kleine Kinder, mittelalte Geschäftsleute und reife Damen mit Gehhilfe: Sie alle drehen sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht nach dem flachen Engländer um. Tankwarte erkundigen sich nach Leistung, Preis und Alltagstauglichkeit. Und selbst das wenig würdevolle Entern und Verlassen des Innenraums - das Übersteigen der extrem breiten Seitenschweller ist eine Kunst für sich - ruft bei zufälligen Zuschauern keine Häme hervor. Wer hätte es gedacht? Als automobiles Äquivalent zu einem knuffigen Hundewelpen schließt der Lotus Exige die Herzen der Mitmenschen auf. Moderne Zugeständnisse Was die Sicherheit angeht, ist auch Lotus inzwischen - halbwegs - in der Neuzeit angekommen. Immerhin bietet der Exige des Modelljahrs 2008 zwei Airbags und ABS. Im Performance Pack enthalten ist zudem die hervorragende Traktionskontrolle. Die operiert entweder vollautomatisch oder lässt sich auf Schlupfwerte zwischen einem und neun Prozent einstellen. Im Automatikmodus hat das System den Rennfloh auch bei Nässe und auf Winterreifen gut im Griff, hinterlässt beim Fahrer aber nie den Eindruck, von der Elektronik bevormundet zu werden. Ein ESP haben wir bei unserem Test auf öffentlichen Straßen und auf Winterreifen nicht vermisst - hätte ja so oder so keinen Sinn, denn es steht nicht in der Lotus-Aufpreisliste. Nach schweißtreibenden Einparkmanövern kennen wir aber eine Option, die die Briten schleunigst anbieten sollten. Die Rede ist von einer rückwärtigen Einparkhilfe. Der Innenspiegel nämlich ist bei diesem Lotus absolut überflüssig. Wer - wie in einem regulären Auto - den Kopf herum nimmt und durch die rückwärtige Trennscheibe linst, kann dort höchstens den mächtigen Ansaugtrakt des Ladeluftkühlers bewundern, der den Blick nach hinten komplett blockiert. Trotz der winzigen Abmessungen seines Autos sollte der kluge Exige-Pilot es also beim Einparken wie ein LKW-Fahrer halten, sprich: er sollte sich einweisen lassen.
Technische Daten
Antrieb:Heckantrieb
Anzahl Gänge:6
Getriebe:Schaltgetriebe
Motor Bauart:Otto-Reihenmotor mit Kompressor und LL-Kühler, DOHC
Hubraum:1.796
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:4
Leistung:179 kW (243 PS) bei UPM
Drehmoment:230 Nm bei 5.500 UPM
Preis
Neupreis: 53.450 €
Fazit
Auf den ersten Blick erscheinen 64.630 Euro für unseren Testwagen wie eine heftige Ansage. Vergessen wir aber nicht, dass wir es hier mit einer konsequenten und exzellenten Fahrspaßmaschine zu tun haben: Kein anderes Auto in dieser Klasse kann dem Exige bei einem beherzten Ritt über Landstraße oder Rennstrecke das Wasser reichen. Und kein anderes Auto lässt so viele Köpfe herumwirbeln, ohne Neidgefühle zu provozieren. Wem dies alles wichtiger ist als beheizte Massagesitze oder ein großer Kofferraum, wird mit dem Exige S sicher glücklich. Im Gegensatz zum unentschlossenen Pseudo-GT Europa weiß dieser Lotus nämlich ganz genau, was er will. Sein Ziel ist es, puren, ungefilterten Fahrspaß zu vermitteln und genau das gelingt dem sympathischen Briten vom ersten bis zum letzten Kilometer.
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: auto-news, 2008-06-09

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