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Testbericht

30. April 2008
Haar, 30. April 2008 - In München ist es gar nicht so leicht, mit einem exklusiven Auto aufzufallen. Nach einem Porsche 911 drehen sich in der Hauptstadt der Schickimickis und Möchtegern-Promis kaum mehr die Schulkinder um. Ich habe schon so manche sündhaft teure Luxuskarosse, deren Anschaffung mein privates Budget um ein Vielfaches überschritten hätte, durch die bayerische Hauptstadt pilotiert, doch mit keinem Supersportler bin ich so aufgefallen, wie mit dem Mercedes SLR McLaren Roadster.

Als stünde einem der Leibhaftige gegenüber Kein Wunder, ein Porsche vor der Haustür gehört in der Isar-Metropole beinahe schon zum guten Ton und ein Ferrari ist in der Stadt der Reichen und Schönen auch keine echte Sensation mehr. Ganz anders dagegen der 626 PS starke Mercedes SLR McLaren Roadster. Wo auch immer man mit dem Flügeltürer auftaucht, sorgt er für offene Münder und gezückte Handykameras. Junge Männer lassen sich zu Gesichtausdrücken hinreißen, als stünde ihnen gerade der Leibhaftige gegenüber. An der Ampel drängen sich die anderen Fahrzeuglenker um die Plätze neben oder hinter dem SLR, allesamt in der Hoffnung, einen ungetrübten Blick auf den Supersportler zu erhaschen. Unauffällig geht mit dem offenen SLR definitiv nicht. Selbst die freundlichen Herren in Grün machen, nachdem sie mich ohne ersichtlichen Grund angehalten hatten, keinen Hehl daraus, dass sie eigentlich nur das Auto in Augenschein nehmen wollen.

Angriff auf das Lustzentrum So beeindruckend die Wirkung des Roadsters auf die Mitmenschen ist, so beeindruckend sind auch seine Fahrleistungen. Obwohl ich bereits bei der Präsentation des limitierten Sondermodells Mercedes SLR McLaren 722 Edition mit 650 PS in Dubai war und eigentlich wissen müsste, was mich erwartet, lässt sich beim ersten Kontakt mit dem offenen SLR ein leicht erhöhter Puls und eine gewisse Aufregung wie vor dem ersten Date nicht vermeiden. Bereits beim Anlassen des Motors läuft mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Die Endrohre, oder Sidepipes wie sie beim SLR heißen, benötigen in Deutschland eine Sondergenehmigung und münden unmittelbar hinter den Vorderrädern an die Frischluft. Diese Nähe zu den Ohren des Fahrers verstärkt das tief brabbelnde Gluckern des 5,4-Liter-V8-Motors noch mehr. Tritt man das Gaspedal bis zum Anschlag, resultiert daraus nicht nur eine raketenartige Beschleunigung, sondern auch ein infernalisches Brüllen des V8-Triebsatzes, das sich unbarmherzig durch die Gehörgänge der Insassen bis ins Lustzentrum des Gehirns frisst. Und das antwortet ohne zu zögern: "Gib mir mehr! Und zwar sofort!"

Brachiale Beschleunigung Zurück zum Vortrieb des Supersportlers aus Affalterbach. Beim Anfahren innerorts genügen bereits wenige Millimeter Pedalweg für eine noch einigermaßen legale Beschleunigung. Außerorts und auf der Autobahn darf es auch gerne ein Kickdown sein. Aber Vorsicht, die idealerweise trockene Strecke - selbst dann benötigen die 295er-Hinterreifen die Hilfe der Traktionskontrolle, um die unbändige Kraft auf den Asphalt zu bringen - sollte mindestens mehrere hundert Meter geradeaus führen. Denn die nächste Kurve naht schneller als einem lieb ist. Im Bedarfsfall beschleunigt der Schwaben-Sportler in brachialen 3,8 Sekunden auf Tempo 100 und die Tachonadel hört erst bei 332 Sachen auf, sich zu bewegen. Und das zur Not auch ohne Dach.

Kaum Verwirbelungen im Innenraum Ob bei Topspeed oder gemütlichem Cruising-Tempo im Ami-Style: Der schwäbische Flügeltürer will offen gefahren werden. Nur so kommt man in den ungefilterten Genuss des herrlichen Sounds und der aufdringlichen Blicke der Passanten. Zudem sorgen die tiefe Sitzposition und die weit nach hinten gezogene Windschutzscheibe für erstaunlich wenig Verwirbelungen im Innenraum. Ist man in geheimer Mission oder bei schlechtem Wetter unterwegs, lässt sich das halbautomatische Dach innerhalb von zehn Sekunden elektrisch verschließen. Um auch Geschwindigkeiten jenseits der 300 km/h zu ermöglichen, sind in das Verdeck mit Softtop-Optik mehrere Aluminium-Platten eingearbeitet. Das hat den Vorteil, das sich das Dach bei der Jagd auf die Höchstgeschwindigkeit nicht aufbläht wie ein in Gefahr geratener Kugelfisch.

Komplett aus Karbon gefertigt Die Karosserie des SLR Roadster besteht bis auf den aus Aluminium gefertigten Motorrahmen komplett aus Karbon. Das soll zum einen das Gewicht drücken - dennoch bringt das vermeintliche Leichtgewicht noch stattliche 1.825 Kilo auf die Waage - zum anderen erhöht der exklusive Werkstoff die Steifigkeit des offenen Sportlers. Um bei Überschlägen ein gewisses Maß an Sicherheit gewährleisten zu können, ist die A-Säule durch ein hochfestes Stahlrohr zusätzlich verstärkt und hinter den Sitzen sind zwei feste Überrollbügel verbaut.

Gewöhnungsbedürftige Bremse Doch für die technischen Sicherheitsfeatures habe ich keinen Kopf. Vielmehr konzentriere ich mich auf die Straße, die sich sanft durchs Münchener Umland schlängelt. Die beinahe nervöse Lenkung des offenen Zweisitzers reagiert auf meine Befehle äußerst direkt. Beim Einparken wird das Rangieren zur harten Arbeit, die breiten Walzen des SLR sträuben sich bei langsamen Tempo vehement gegen alle Lenkbefehle. Bei flotter Fahrt auf welligem Untergrund hat man alle Hände voll zu tun, um den SLR sauber in der Spur zu halten. Ein ähnliches Bild vermittelt auch das stehende Bremspedal. Bei vorsichtiger Behandlung passiert erstmal nicht viel. Steigt man dann etwas beherzter in die Eisen, packen die Scheibenbremsen mit karbonverstärkten Keramikscheiben dermaßen fest zu, dass man bei den ersten Haltemanövern fast ins Lenkrad beißt. Für den Einsatz auf der Rennstrecke, wo kurz und hart gebremst wird, mag das die Ideallösung sein, im öffentlichen Straßenverkehr würde ich mir allerdings ein etwas harmonischeres Ansprechverhalten der ansonsten tadellosen Keramikbremsen wünschen.

Auffallen um jeden Preis Bleiben noch zwei - vorsichtig ausgedrückt - klitzekleine Mankos des Mercedes SLR McLaren Roadster: der Spritverbrauch und der Preis. Auch wenn der finanziell potente Kunde getreu dem Motto "Wer kann, der kann" über solche Lappalien nicht spricht, will ich es der Vollständigkeit halber doch tun. Beginnen wir mit dem kleineren Übel, dem Durst unseres Supersportlers. Laut Mercedes spritzt sich der 626-PS-Bolide durchschnittlich 14,5 Liter Super Plus in die Brennräume. Das hier der Wunsch Vater des Gedanken war, entlarvt bereits ein kurzer Blick auf die möglichen Fahrleistungen. Bei meinen nicht immer langsamen, aber auch nicht übertrieben schnellen Testfahrten pendelte sich der Spritbedarf bei 20,5 Liter ein. Bei entsprechender Fahrweise braucht man sich aber auch nicht zu wundern, wenn nach 100 gefahrenen Kilometern 25 Liter oder mehr aus dem Tank verschwunden sind. So, und das größte Problem des SLR ist sein beinahe unverschämt hoher Grundpreis von sage und schreibe 493.850 Euro. Mein Testwagen kostet inklusive aller Extras die geringfügige Kleinigkeit von 524.730 Euro. Ich könnte jetzt herrlich darüber spekulieren, wie lange ich für diese Summe arbeiten müsste oder wieviele üppigst ausgestattete Golf V ich mir davon kaufen könnte. Doch darüber brauchen sich Besitzer eines SLR Roadster keine Gedanken zu machen. Sie wollen auffallen. Und zwar um jeden Preis.
Technische Daten
Antrieb:Heckantrieb
Anzahl Gänge:5
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:V8-Kompressormotor
Hubraum:5.439
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:8
Leistung:460 kW (626 PS) bei UPM
Drehmoment:780 Nm bei 3.250-5.000 UPM
Preis
Neupreis: 493.850 € (Stand: April 2008)
Fazit
Über Sinn oder Unsinn eines Zweitwagens mit 626 PS und einem Spritverbrauch jenseits der 20-Liter-Marke zum Preis eines schicken Einfamilienhauses in bester Lage braucht an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Fakt ist, dass der Mercedes SLR McLaren Roadster ein unglaublich faszinierendes Gefährt ist. Sowohl für die Insassen als auch für die Betrachter. Die Längs- und Querbeschleunigung, die der offene Zweisitzer dank 5,4-Liter-V8-Kompressor-Ungetüm ermöglicht, lassen sich in Worten kaum beschreiben.

Wer sich einen SLR Roadster kauft, hat erstens bereits bis an sein Lebensende finanziell ausgesorgt und ist zweitens ein Auto-Verrückter. Und als Solcher lassen sich auch Mankos wie der hohe Preis, der immense Durst an der Tankstelle, sowie die vielen unschönen und billig wirkenden Plastikknöpfe im Innenraum sorglos verschmerzen. Und nun noch ein Tipp von mir: Sollten Sie einmal einen SLR Roadster in freier Wildbahn sehen, zücken Sie Ihr Fotohandy und machen Sie ein Schnappschuss von dem Prachtexemplar. Es könnte der Einzige bleiben, den Sie je zu Gesicht bekommen.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: auto-news, 2008-04-30

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