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Testbericht

Wolfram Nickel/SP-X, 24. Juli 2017

Wie erneuert man die vielleicht größte Design-Ikone der Automobilgeschichte? Der amerikanische Mercedes-Importeur Max Hoffman wusste, was zu tun war als die Marke mit dem Stern nach einem Ersatz für den 300 SL mit seinen spektakulären Flügeltüren fahndete. Schließlich hatte Hoffman bereits die Straßenversion dieses Racers initiiert und nun - passgenau für die Open-Air-Saison 1957 - hoffte er auf eine offene Variante, den 300 SL Roadster. Der Daimler-Benz-Vorstand ließ sich rasch überzeugen, zumal die ersten Roadster-Prototypen bereits 1954 gebaut worden waren.
 
Technisch entsprach der offene SL weitgehend dem Coupé, allein die Hinterrad-Aufhängung wurde moderner. Mercedes übernahm dazu die Eingelenk-Pendelachse des Typs 220a mit tiefer gelegtem Schwerpunkt und verbesserte so die Fahreigenschaften des Frischluftrenners gegenüber der Blechdachversion deutlich. Tatsächlich gelang es dem bis zu 165 kW/225 PS starken Sonnensegler aus dem übergroßen Schatten seines mit Flügeltüren bewehrten Vorgängers zu fahren, wie die eindrucksvollen Verkaufszahlen verrieten. Insgesamt 1.858 Einheiten des damals weltweit schnellsten offenen Seriensportwagens wurden gebaut, avancierte er doch zur Insignie des internationalen Jetsets und Geldadels. Vor allem aber setzte der muskulöse 300 SL zusammen mit dem Vierzylinder-Typ 190 SL die Initialzündung zur offenen SL-Baureihe. Kostspielige Roadster, die sich mit bis heute rund 750.000 Einheiten auf Platz zwei der ewigen Bestenliste der meistverkauften Frischluft-Zweisitzer positionieren – hinter dem preiswerten Mazda MX-5.
 
Eine solche Verbreitung hatten die Väter des 300 SL nicht einmal in ihren kühnsten Träumen vorhergesehen. Ihnen und auch dem genialen Mercedes-Verkäufer Max Hoffman ging es vor 60 Jahren darum, den muskulösen Sechszylinder-Roadster als reisetaugliche Alternative zu Supersportlern von Jaguar, Maserati, Ferrari oder Aston Martin zu etablieren. Erfolgreich, wie die Strahlkraft des 300 SL bewies, zog dieser doch die speed- und sportbegeisterten Amerikaner sofort in seinen Bann. Je nach Hinterachsübersetzung war der Bolide bis zu 260 km/h schnell und überdies zuverlässig wie die staatstragende Repräsentationslimousine von Bundeskanzler Konrad Adenauer, die ebenfalls das Typensignet 300 trug und einen Teil der Technik für den SL lieferte.
 
Als „The World's finest combination of quality and high performance!“ wurde der zweisitzige Mercedes in Hollywood und auf der New Yorker Fifth Avenue beworben und die Fachmedien bestätigten diese selbstgefällige Einschätzung des Mercedes-Importeurs Max Hoffman. Zwar fehlte es dem elegant gezeichneten Cabriolet am Ausrufezeichen der nach oben öffnenden Flügeltüren, dafür gab es Lob für den nun bequemeren Einstieg durch niedrigere Schweller, die bis dahin besonders Damen in modischen Kleidern einiges Geschick abverlangt hatten. Das Verdeck mit innovativem Aluminiumgestänge (schließlich steht das Typensignet SL für „super leicht“) ließ sich unkompliziert hinter den Sitzen unter einer Klappe verstauen und ab 1958 gab es ein schickes Hardtop, das zu den populärsten Features im umfangreichen Optionenkatalog für den 300 SL zählte.
 
Zeittypisch umfasste die Sonderausstattungsliste auch unterschiedliche Hinterachsübersetzungen, je nachdem, ob Sprintperformance oder Spitzengeschwindigkeit wichtiger waren. Kostspielig war der Roadster ohnehin bereits in der Basisversion, die mit 32.500 Mark zu Buche schlug. Das war deutlich mehr als für den Flügeltüren-Vorgänger verlangt wurde, zugleich aber gut ein Drittel weniger als die wichtigsten Konkurrenten für ihre Supersportler berechneten. Einziger deutscher Herausforderer war der BMW 507 Roadster, der jedoch trotz günstigerer Kosten und prominenter Käufer wie Elvis Presley in den Verkaufszahlen chancenlos blieb gegenüber dem 300 SL. Erst in den schwindelerregend hohen Notierungen der Klassiker-Auktionen des 21. Jahrhunderts konnte der bayerische Roadster seinen schwäbischen Rivalen überholen. Allerdings haben die Preise für den 300 SL in den letzten Jahren ebenfalls raketengleich abgehoben, wie ein Blick in Gebrauchtwagenportale zeigt. Seit 2012 verdreifachten sich dort die Preisforderungen für makellose Sternenträger auf bis zu 1,5 Millionen Euro.
 
Eine gute Geldanlage, sofern die horrenden Kosten für den Erhalt des Concours-Zustands unberücksichtigt bleiben. Noch wertvoller sind naturgemäß 300-SL-Roadster mit Glamour-Faktor und davon gibt es viele. Sei es der 300 SL, den sich einst James Deans Filmpartnerin Natalie Wood gönnte oder die Fahrzeuge von Romy Schneider, Sophia Loren, Gina Lollobrigida, des Aga Kan und des Schah von Persien. Hinzu kommen die vielen SL Roadster, die es zu einer eigenen Filmkarriere brachten unter Kino-Regisseuren wie Robert Redford, Carol Reed, Francis Ford Coppola, Tim Burton oder Clint Eastwood. Überraschend ist, dass nicht einmal alle Fachleute konsequent zwischen 300 SL Coupé und Cabrio differenzieren, die nie parallel gebaut wurden. Und so wurden im Jahr 1999 beide 300-SL-Versionen von einer Experten-Jury zum „Sportwagen des Jahrhunderts“ gewählt.
 
Eine verdiente Auszeichnung für den Sportwagen in den perfekten Proportionen eines Speedbootes, mit steiler Windschutzscheibe und einem Reihensechszylinder als Spaßbeschleuniger. Dank der sieben Kurbelwellenlager, einer fast quadratischen Zylinderauslegung und der von der Fachpresse gelobten Fertigungsqualität war der Einspritzer auch auf Langstrecken vollgasfest. In einer Ära, die noch zwischen maximalerDauergeschwindigkeit und kurzzeitigerHöchstgeschwindigkeit differenzierte, außergewöhnlich, aber im Rennsport entscheidend. Genau dort knüpfte der Roadster an die Erfolge des Gullwing an. Paul O'Shea, der bereits 1955 und 1956 mit dem Flügeltürer die nordamerikanische Sportwagenmeisterschaft gewonnen hatte, holte den Titel 1957 erneut, nun mit einem 300 SLS. Diese Sonderanfertigung des Roadsters wog gut ein Viertel weniger als der Seriensportler und leistete 173 kW/235 PS.
 
Die Vmax-Talente des regulären Roadsters dokumentierte dagegen im November 1958 der ADAC. Damals erzielte ein 300 SL mit abgedecktem Beifahrersitz auf der Autobahn München-Ingolstadt einen Schnitt von 242,5 km/h. „Was für ein Höllenritt in einem himmlisch schönen Sportwagen“, kommentierte ein anwesender Journalist angesichts des herausfordernden Streckenprofils dieser Autobahn. Die Bremsen des SL waren zwar groß dimensionierte Duplex-Trommelbremsen mit Rippen zur besseren Kühlung, aber Vierradscheiben-Bremsen gab es erst 1961. Dies passend zum Debüt des E-Type, mit dem Scheibenbremsen-Pionier Jaguar den Stuttgarter Roadster endlich deklassieren wollte. Ein vergebliches Unterfangen, denn auch dem dramatisch gezeichneten E-Type gelang es nicht, den altgedienten 300 SL auf freier Strecke zu überholen. Beendet wurde dieses Duell erst im Februar 1963. Gemeinsam mit dem kleineren Bruder 190 SL ging der 300 SL in den Ruhestand, während die Medien den 230 SL mit markantem Pagodendach als neuen Star am Roadsterfirmament feierten.

Chronik:

1951: Am 15. Juni 1951 fällt bei der Daimler-Benz AG die Entscheidung, ab 1952 erstmals nach dem Krieg wieder an Sportwagenrennen teilzunehmen und hierfür ein Fahrzeug zu bauen. Das Fahrzeug soll den Namen 300 SL (Sport Leicht) führen. Später bedeutet SL Super Leicht
1952: Am 12. März Vorstellung des 300 SL auf einem Teilstück der Autobahn Stuttgart-Heilbronn. Im Mai Einsatz bei der Mille Miglia (Platz 2 und 4) und Sieg beim GP von Bern. Im Juni Sieg in Le Mans, im November in Mexiko bei der Panamericana. Auf einer Pressemitteilung, die erst im 21. Jahrhundert im Daimler-Archiv wiederentdeckt wird, erklärt Mercedes die Bedeutung der Buchstaben SL: „super leicht“
1954: Die Modelle 300 SL (W 198) und 190 SL feiern im Februar Weltpremiere in New York bei der International Motor Sports Show. Am 20. Februar fordert deshalb der Leiter des Mercedes-Karosserieversuchs, Karl Wilfert, die Entwicklung eines 300 SL Roadsters als Musterwagen. Friedrich Geiger, erster Leiter der als Stilistik bezeichneten Designabteilung, zeigt am 5. Mai erste Entwürfe und entwickelt später ein Hardtop, das die Silhouette des Coupés adaptiert. Am 2. Juni schiebt der Mercedes Vorstand die Entwicklung von drei Prototypen an, zwei Versuchswagen und einen Vorstellungswagen. Am 26. Juli erfolgt der Beschluss, den 300 SL Roadster mit aufsetzbarem Coupé-Dach zu bauen. Im August Produktionsanlauf für den 300 SL mit Flügeltüren und Stahlblechkarosserie
1955: Im Februar Kleinserienstart für den 300 SL mit Leichtmetallkarosserie, von dem 29 Einheiten gebaut werden. Im Mai startet die Produktion des 190 SL, der zuvor auf dem Genfer Salon sein Europadebüt zelebrierte
1956: Für die Oktoberausgabe der amerikanischen Zeitschrift Colliers Magazine lässt Mercedes durch den Fotografen David Douglas Duncan einen Vorserien-Roadster inszenieren
1957: Im Mai rollen die letzten vier Einheiten des 300 SL mit Flügeltüren vom Band, insgesamt entstanden 1.400 Gullwing-Mercedes. Nachfolger wird der 300 SL Roadster (Serie W 198 II), der auf dem Genfer Salon debütiert und passend zur Open-Air-Saison in den Schauräumen der Händler eintrifft. 618 Einheiten des neuen SL Roadster werden in diesem Jahr ausgeliefert. Für die Rennsaison entstehen auf der Basis des offenen Sportwagens zwei 300 SLS, die in der nordamerikanischen Sportwagenmeisterschaft unter Paul O'Shea den Titel gewinnen. Anfang der 1960er Jahre starten Eberhard Mahle und Gunter Philipp mit 300 SL bei Sportwagenrennen
1958: Ab Oktober wird für Mehrkosten von 1.500 Mark ein Hardtop für den 300 SL lieferbar. Im November erreicht ein 300 SL Roadster mit langer Übersetzung, mit Rennscheibe und abgedecktem Beifahrersitz auf der Autobahn München-Ingolstadt einen Durchschnitt von 242,5 km/h. 267 Einheiten des 300 SL werden in diesem Jahr gebaut
1959: Die Jahresproduktionszahl beträgt 200 Einheiten
1960: 241 Einheiten werden in diesem Jahr ausgeliefert
1961: Einführung von Dunlop-Vierrad-Scheibenbremsen. 256 Einheiten des 300 SL werden in diesem Jahr gebaut
1962: Neuer um 44 Kilogramm leichterer Aluminium-Zylinderblock für den Dreiliter-Sechszylinder (M 198). Die Gesamtstückzahl für dieses Jahr beträgt 182 Einheiten
1963: Produktionsauslauf für 190 SL und 300 SL Roadster. Der letzte von 1.858 gebauten 300 SL Roadster rollt am 8. Februar vom Band. Im Jahr 1963 wurden 91 Einheiten des 300 SL Roadster gebaut. Auf dem Genfer Salon feiert im März der 230 SL der sogenannten Pagodendach-Reihe (Serie W 113) Weltpremiere
1964: Noch weitere drei 300 SL Roadster werden gebaut
1985: Der Mercedes 300 SL der Baureihe R 107 revitalisiert den legendären Typencode
1996: Mercedes baut einen 300 SLS nach, der für den Straßenverkehr zugelassen ist
2017: 50 Jahre nach Produktionsstart werden gut erhaltene 300 SL Roadster mit bis zu 1,5 Million Euro gehandelt

Preise:

Mercedes-Benz 300 SL Roadster (W 198 II) ab 32.500 Mark
zum Vergleich:
Aston Martin DB4 GT Coupé (1960) ab 40.100 Mark
BMW 507 Touring Sport Roadster (1959) ab 29.950 Mark
Jaguar XK 150 Cabriolet (1959) ab 22.000 Mark
Jaguar E-Type Cabriolet (1962) ab 26.000 Mark
Ferrari 250 GT (1960) ab 49.900 Mark
Maserati Gran Turismo 3500/T Coupé (1960): ab 41.500 Mark    

 
Technische Daten Mercedes-Benz 300 SL Roadster (W 198 II):

Sportwagen; Länge: 4,57 Meter, Breite: 1,79 Meter, Höhe: 1,30 Meter, Radstand: 2,40 Meter;
3,0-Liter-Sechszylinder-Benziner, 4-Gang-Getriebe, 158 kW/215 PS bzw. 165 kW/225 PS (als SLS 173 kW/235 PS), max Drehmoment 274 bis 284 Nm bei 4.800/min, 0-100 km/h: 10,0 s (in Tests der Fachpresse 7,9 s), Vmax: 208 bis 242 km/h (je nach Hinterachsübersetzung) bzw. 250 bis 260 km/h (ab 1959), Verbrauch: 12,5 Liter Super (DIN-Wert) und 12 bis 19 Liter je nach Fahrweise (Werksangabe), serienmäßige Lackierungen schwarz, weiß, weißgrau, blaugrau metallic, hellblau, perlmuttgrün, feuerwehrrot, korallenrot, erdbeerrot metallic, elfenbein und Sonderlackierungen.

Für Garagengold-Spekulanten ist er eine der besten Geldanlagen, für die Fans legendärer Sportwagen schlicht das schnellste und glamouröseste Supercar der späten 1950er Jahre. Der Mercedes 300 SL Roadster war nicht nur Nachfolger des Flügeltürers, er überflügelte den Gullwing durch atemberaubende Offenheit und Verkaufserfolge.

Fazit
Für Garagengold-Spekulanten ist er eine der besten Geldanlagen, für die Fans legendärer Sportwagen schlicht das schnellste und glamouröseste Supercar der späten 1950er Jahre. Der Mercedes 300 SL Roadster war nicht nur Nachfolger des Flügeltürers, er überflügelte den Gullwing durch atemberaubende Offenheit und Verkaufserfolge.

Quelle: Autoplenum, 2017-07-24

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