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Testbericht

Holger Holzer/SP-X, 17. Mai 2017

Solch eine extreme Typveränderung ist in der Autowelt selten: Der Nissan Micra ist nach dem gerade erfolgten Modellwechsel nicht mehr wiederzuerkennen, aus der grauen Kleinwagenmaus ohne Biss ist ein automobiler Speedy Gonzales geworden. Der Fünftürer sieht aber nicht nur zackig aus, er fährt sich auch so – wenn man ihn denn bei Laune hält.

Wer es schafft, sich an den direkten Vorgänger zu erinnern, reibt sich verwundert die Augen. Wo Generation vier mit plumper Form und preiswerter Ausstrahlung Augen und Kurzzeitgedächtnis keinerlei Attraktion bot, bleibt man an Nummer fünf mit seinen scharfen Kanten und knackigen Konturen direkt hängen. Mag der äußere Auftritt des Fünftürers am Ende Geschmackssache sein, dürften aber auch Skeptiker spätestens nach dem Einstieg von der neuen Designlinie des Micra überzeugt sein. Farbiges Kunstleder am Armaturenbrett ersetzt dunkelmonochromes Hartplastik, macht gute Stimmung und hebt den Qualitätseindruck im insgesamt schön geschnittenen Cockpit. Würde Nissan auch noch das betagte Infotainment-System erneuern, würde sich der Micra endgültig in die erste Interieur-Liga seiner Klasse manövrieren.

Dass der kleinste Nissan gerade beim Auftritt wieder überzeugt, ist kein Zufall. War der Vorgänger noch als Auto für den gesamten Weltmarkt konzipiert, und entsprechend kompromissbehaftet, wurde der Neue wieder für Europa maßgeschneidert. Mit französischer Hilfe: Gebaut nämlich wird der Europa-Micra gemeinsam mit dem Renault Clio im französischen Flins-sur-Seine. Nicht mehr im fernen Thailand, China oder Indien. Das spürt man: Unterlegen ist der Neue dem Alten nur bei der Übersichtlichkeit und der Kopffreiheit auf der Rückbank. Anders als vorne sitzt der erwachsene Durchschnittseuropäer dort etwas eng. Genau wie die mäßige Sicht nach hinten ist das der schnittigen Karosserieform und der absinkenden Dachlinie geschuldet. Der Preis des frischen Looks eben.

Den neuen Europazentralismus des Micra merkt man aber auch beim Fahren. Zwar war auch der Vorgänger durchaus lebhafter als es sein biederes Äußeres erwarten ließ, das aktuelle Modell hat aber in Sachen Fahrwerk und Lenkung noch einmal nachgestrafft. Der exakt vier Meter lange Kleinwagen liegt satt auf der Straße und sicher in der Kurve, erkauft das allerdings durch eine gewisse Rappelligkeit auf schlechten Straßen und Kopfsteinpflaster. Wer eher an Fahrspaß als an Reisekomfort interessiert ist, wird das akzeptieren können und sich mit Vergnügen in die relativ tief montierten Sessel fallen lassen.

Freude machen kann auch der Motor des Testwagens, der der Bestseller im schmalen Triebwerks-Angebot (zwei Benziner, ein Diesel) werden soll. Der Dreizylinderbenziner mit 0,9 Liter Hubraum stellt zwar nur 66 kW/90 PS und 140 Nm Drehmoment zur Verfügung, hat mit dem leichten Nissan aber keine Probleme. Zumindest dann nicht, wenn er ihn ins Rollen gebracht hat. Denn im unteren Drehzahlbereich klafft ein deutliches Turboloch. Gerade beim ständigen Stop-and-go im Stadtverkehr hilft da nur ein kräftiger Gasfuß. Wer das beherzigt und den kleinen Motor zwischen 2.000 und 3.000 Touren hält, lernt ihn jedoch als quirliges Energiebündel kennen, das sich trotzdem nicht mehr als sechs bis sieben Liter Sprit genehmigt. Auf der Autobahn lässt das Temperament naturgemäß etwas nach, oberhalb von 130 km/h hat der Dreizylinder nicht mehr viel zu melden. Immerhin bleibt er auch dort angenehm leise und unaufdringlich.

Dass der Micra akustisch etwas bieten will, sieht man auch auf der Optionsliste. Als eines der wenigen Modelle außerhalb der USA bietet der Kleinwagen Kopfstützen mit integrierten Lautsprechern an. Denn ähnlich wie Design und Fahrverhalten sind auch die Extras auf eine eher junge Kundschaft gemünzt. So gibt es neben einer modernen Smartphone-Anbindung (Apple Car Play, Nissan Connect, aber kein Android Auto) auch ein umfangreiches Programm an Individualisierungsoptionen inklusive betont knalliger Farben. Gegenüber dem Vorgänger macht der neue Micra somit einen großen Schritt Richtung Lifestyle-Kleinwagen. Ob den auch ältere Kunden mitgehen wollen, bleibt abzuwarten. Diese können bis auf weiteres alternativ das Vorgängermodell kaufen, verzichten dann zwar auf Schick und Konnektivität, zahlen aber auch weniger Geld. Denn die Typänderung gibt es beim Micra nicht zum Nulltarif. Mindestens 13.000 Euro wollen investiert werden – 1.000 Euro mehr als aktuell für die alte Generation aufgerufen werden. Die gefahrene Variante gibt es sogar erst ab 15.800 Euro. Und auch dann lässt die Ausstattung noch einige Wünsche offen.

Nissan Micra 0.9 IG-T - Technische Daten:
Kleinwagen, Länge: 4,00 Meter, Breite: 1,73 Meter, Höhe: 1,46 Meter, Radstand: 2,53 Meter, Kofferraumvolumen: 300 bis 1.004 Liter.


0,9-Liter-Dreizylinder-Turbomotor mit Direkteinspritzung, 5-Gang-Schaltgetriebe, Frontantrieb, 66 kW/90 PS, maximales Drehmoment: 140 Nm bei 2.250 U/min, 0-100 km/h: 12,1 s, Vmax: 175 km/h, Durchschnittsverbrauch: 4,4 Liter, CO2-Ausstoß: 99 g/km, Abgasnorm: Euro 6, Effizienzklasse: A, Testverbrauch: 6,2 Liter, Preis: ab 15.790 Euro.

Kurzcharakteristik – Nissan Micra:
Warum: weil er flott aussieht und auch so fährt
Warum nicht: weil er schick, aber auch recht teuer geworden ist
Was sonst: Renault Clio, Ford Fiesta, Seat Ibiza

 

Fazit

Fünf Generationen lang gibt es den Nissan Micra nun. Jede Generation war anders. Die neueste ist ganz anders.

Testwertung
4.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2017-05-17

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