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Testbericht

Wolfram Nickel/SP-X, 18. Juni 2017

America First, diese heute wieder aktuelle Doktrin verfolgten die Detroiter Autogiganten schon vor 60 Jahren auf ihre eigene Art. So entwickelten die deutschen Töchter von Ford und General Motors ausschließlich Modelle nach amerikanischem Geschmacksmuster – und fuhren überraschend gut damit. Bester Beweis ist der vor 60 Jahren (1957) vorgestellte Opel Olympia Rekord P1 mit opulenten Chrom-Ornamenten, brillanter Zweifarblackierung, modischen Heckflossen und Panoramascheiben, der sogar den gleichfalls neuen Ford Taunus 17 M auf die Plätze verwies, vor allem aber den VW Käfer attackierte.
 
Dafür war der Mittelklasse-Opel nach bewährtem amerikanischem Baukastensystem entwickelt worden und bot deshalb bereits als billiger Basistyp Olympia schicken Glanz für Käfer-Aufsteiger. Für ein paar Hunderter mehr gab es einen Hauch Hollywood-Glitter in der Ausstattung Olympia Rekord. Wer glamourös über Berliner Kudamm oder Düsseldorfer Kö cruisen wollte, konnte ein kostspieliges Cabriolet oder Coupé vom Karossier ordern. Und für Campingausflüge oder Sehnsuchtsziele wie die Riviera gab es den Rekord als stylischen Caravan, der so das ganze Kombisegment gesellschaftsfähig machte. „Die Schönheit des Rekord bringt Gewinn“, erklärte die Opel- Werbung und meinte damit unbeabsichtigt auch die Konzernkasse. Denn der Rüsselsheimer im US-Traumwagendesign lockte auf dem GM-Heimatmarkt neue Kunden in die Schauräume der Buick-Händler. Hatten diese doch mit dem Opel endlich einen Pfeil im Köcher, der dem VW Käfer das Leben ein klein wenig schwerer machte.
 
Tatsächlich war das von Beginn an eine Mission für die 1,5-Liter-Mittelklasse, die deshalb ab 1959 auch als schmucklose Sparversion Opel 1200 bereit stand. Zunächst aber gab der reichlich dekorierte Olympia Rekord P1 der ganzen Marke ein ausdrucksstarkes Gesicht mit mächtigem Chromgrill, dem sogenannten Haifischmaul im Stil des 56er Buick Roadmaster. Weitere Symbole für neues Selbstbewusstsein waren wuchtige Chromstoßstangen und weit vorgestreckte Rundscheinwerfer. Attribute, die vorläufig alle neuen Opel-Modellreihen kennzeichneten und die in Amerika Anerkennung fanden. „Für den Anlauf des USA-Exports rechnen wir ab September mit monatlich tausend Rekord und Caravan“, verkündete Opel-Verkaufsdirektor Hans Schnabel im Sommer 1957 bei der Pressevorstellung der 1,5-Liter-Vierzylinder. Tatsächlich verfing der laut Werbung „German made American Style“ bei den Amis so sehr, dass sofort lange Lieferzeiten anfielen. Dabei störten sich die Kunden im Land der PS-gewaltigen Straßenkreuzer weder an der schmalbrüstigen Leistungsausbeute von 33 kW/45 PS bis 37 kW/50 PS -  ab 1960 gab es optional 40 kW/55 aus 1,7-Liter – noch an der für Amerika untypischen Modellkontinuität. Immerhin blieb dieser Opel gut fünf Jahre optisch fast unverändert in Produktion, nachdem sich der Vorgänger noch jährliche Facelifts gegönnt hatte.
 
Wohlstand muss Eindruck machen, das wussten die Werbestrategen in der wirtschaftlich prosperierenden Bundesrepublik mit ihren traumhaften Wachstumsraten. Die vollbeschäftigte Bevölkerung brauchte neue Statussymbole und die Industrie lieferte. Waren es in der Wohnung Wohlstandsinsignien wie barocke Möbel, Musiktruhen und erste TV-Empfänger, verdrängten auf der Straße ausgewachsene Automobile die Zweiräder und Kleinwagen. Mit repräsentativen Modellen konnten Familienväter beim samstäglichen Waschritual allen neidischen Nachbarn zeigen: Wir haben es geschafft. Der Panoramascheiben-Rekord P1 (P = Panorama) war prädestiniert für diesen Schaulauf, wie der heute kaum noch vorstellbare Beifall begeisterter Passanten unterstrich, als die ersten Opel im Buick-Style auftauchten. Kein Wunder, dass Opel die Panorama-Designlinie des Rekord auf den repräsentativen Kapitän des Jahrgangs 1958 übertrug – und einen Flop lancierte. So schnelllebig waren jene Jahre und so streng waren die Merkmale in der hierarchischen Gliederung der automobilen Gesellschaft.
 
Unten waren Kleinstwagen, darüber der Volkswagen Käfer, dann Opel Rekord und Borgward für erfolgreiche Aufsteiger und als Krönung schließlich Opel Kapitän und Mercedes-Benz. Dazwischen platzierten sich alle anderen. Aufgebrochen wurde diese Struktur 1957 allerdings durch den Taunus 17 M (P2), der genau wie der Rekord US-Pracht zu kleinem Preis bot. Trotzdem ließ sich der Rüsselsheimer die Rolle des Platzhirsches unter den Mini-Straßenkreuzern nicht nehmen. „Keine Experimente“, mit diesem simplen Slogan errang die CDU/CSU unter Kanzler Konrad Adenauer 1957 die absolute Mehrheit bei den Bundestagswahlen und ähnlich entschieden die deutschen Autokäufer. Der Rekord stürmte deshalb sofort auf Platz zwei der Verkaufscharts hinter dem Käfer und hielt die Mittelklasse-Konkurrenz klein. 92.410 Neuzulassungen zählte Opel im Jahr 1958, gefolgt von 26.651 Ford 17 M, gerade einmal 9.100 Borgward Isabella und nur einigen Hundert Importen wie Peugeot 403 und Citroen ID/DS. Eine Rangfolge, die erst 1960 durch den stromlinienförmigen Taunus 17 M (P3) in Gefahr geriet. Aber Opel legte nach und führte im August 1960 den Rekord P2 in nüchterner Eleganz ein. Der Name Olympia war damit vorläufig Geschichte, nicht aber die Erfolgsstory des Modells in US-Traumwagenkarosserie.
 
Brachte doch die deutsche GM-Tochter im Herbst 1959 den Opel 1200 als direkten Konkurrenten zum Volkswagen 1200 auf den Markt. Ein 29 kW/40 PS leistendes Sparmodell, das die Wartezeit bis zum Debüt des Kadett Ende 1962 überbrückte. Es fehlte dem Opel 1200 zwar an Chromschmuck und Temperament –  die Fachpresse empfahl Tempo 100 für Autobahnen – aber dafür bot der Spar-Opel seinen 31.000 Käufern viel Auto fürs Geld. Denn mit 5.675 Mark kostete er nur wenig mehr als der Käfer und auch Winzlinge wie der Austin Mini waren nicht billiger.
 
Die ganz große Gesamt-Stückzahl von fast 890.000 Einheiten sicherte sich die Baureihe mit dem Blitz auf der Buick-Front durch ihre Vielseitigkeit und dazu zählten kostspielige Coupé- und Cabriolet-Umbauten des Karossiers Autenriethin Darmstadt ebenso wie internationale Sonderserien. So fertigte das Schweizer GM-Werk in Biel für die Eidgenossen den Rekord Ascona und Südafrika produzierte den Rekord Pickup, der sogar nach Europa gelangte. Handwerker liebten den geschlossenen Opel Lieferwagen und dem Caravan genannten Kombi gelang es, das nüchterne Transportersegment mit Freizeit-Image aufzuladen.
 
Als erster Rekord fuhr dieser Opel 1959 optional viertürig vor, Familien bevorzugten jedoch weiter den Zweitürer, in dem die hinten sitzenden Kinder vermeintlich sicherer untergebracht waren. Überhaupt das Thema Sicherheit: Auch damit punktete Opel in jenen Jahren steil steigender Unfallzahlen, denn Lenkrad und Armaturen waren aufprallentschärft und der Zubehörhandel hielt Zweipunktgurte bereit. Zum „Traumwagen für Realisten“ - so die Werbung – machte den Rekord aber seine Langlebigkeit. Motorenlaufleistungen von 200.000 Kilometern, das schafften nur wenige. Was den Rekord P1 aber nach Produktionsende nicht vor dem Aussterben schützte.
 
 
 
Chronik:
1935: Weltpremiere des Opel Olympia mit der ersten selbsttragenden Ganzstahlkarosserie. Die Grundkonstruktion und viele technische Aggregate werden in aktualisierter Form sogar noch im 1957 eingeführten Olympia Rekord P1 verwendet
1953: Im März feiert der Olympia Rekord als Nachkriegsmodell mit modischer Pontonform Premiere
1957: Am 13. August Pressepräsentation des Opel Olympia Rekord P1 (P bezeichnet die Panoramaverglasung) in der Rüsselsheimer Stadthalle. Die Premiere bei den Händlern ist am Samstag, 17. August und das Messedebüt erfolgt auf der Frankfurter IAA am 19. September. Ebenfalls im September startet der Export in die USA, der Vertrieb läuft über Buick-Händler. Ab Oktober bzw. November Auslieferungsbeginn des einfacher ausgestatteten Opel Olympia und von Caravan sowie Lieferwagen. Der Karossier Autenriethin Darmstadt bietet Coupé- und Cabriolet-Umbauten an. In diesem Kalenderjahr werden 83.606 Opel Olympia bzw. Rekord P1 produziert, hinzukommen noch 98.525 Rekord der Vorgängergeneration
1958: Im Januar demonstriert der Opel Rekord mit Startnummer 4 bei der Rallye Monte Carlo sportliche Ambitionen und Zuverlässigkeit. Im Februar neuer elektrischer Zwei-Stufen-Scheibenwischer. Ab August Rückspiegel im Interieur am Dachrahmen befestigt statt auf Armaturenbrett. Als Option ist der 3-Gang-Kupplungsautomat „Olymat“ von Fichtel & Sachs bestellbar. In diesem Kalenderjahr werden 266.960 Opel Olympia bzw. Rekord P1 produziert. Damit ist der Opel die Nummer zwei in der deutschen Produktionsstatistik hinter dem VW Käfer mit 451.526 Einheiten. Vom Ford Taunus 17 M werden allerdings nur 81.133 Stück gebaut und von der ebenfalls konkurrierenden Borgward Isabella sogar nur 29.889 Einheiten
1959: Ab August optional als viertürige Limousine lieferbar. Neues Motorenprogramm mit 1,5 Liter und jetzt 37 kW/50 PS Leistung. Gegen 75 Mark Mehrpreis ist ein 1,7-Liter-Vierzylinder erhältlich. Die Standardversion Olympia entfällt zugunsten des neu aufgenommenen Opel 1200 mit 1,2-Liter-Motor mit 40 PS Leistung. Der Opel 1200 ist als Alternative zum VW Käfer gedacht und überbrückt die Zeit bis zur Vorstellung des Kadett. Für Behörden und Exportmärkte gibt es den Opel 1200 auch als stärkeren Opel 1500 mit 1,5-Liter-Motor. In diesem Kalenderjahr werden 7.200 Opel 1200 und 279.905 Opel Olympia bzw. Rekord P1 produziert. Das Schweizer GM-Werk in Biel fertigte für den eidgenössischen Inlandsmarkt den Opel Rekord Ascona. In Südafrika wird in Port Elizabeth für den heimischen Markt der Rekord als Opel Pickup gebaut, der mit Olympia-Schriftzug auf den Kotflügeln und als Linkslenker auch nach Europa exportiert wird 
1960: Mit den Werksferien endet im Juli die Fertigung des P1-Rekord. Am 18. August debütiert im Kurhaus von Wiesbaden der Opel Rekord P2 als Nachfolger des Olympia Rekord P1. In diesem Kalenderjahr werden 29.609 Opel 1200 und 213.572 Opel Olympia Rekord P1 produziert. Hinzu kommen 60.324 Einheiten des nachfolgenden Rekord P2
1961: In diesem Kalenderjahr werden 17.776 Opel 1200 produziert
1962: Im Dezember läuft die Produktion des Opel 1200 aus. In diesem Kalenderjahr werden 13.367 Opel 1200 produziert und bereits 14.142 Einheiten des nachfolgenden Opel Kadett, der es ein Jahr später schon auf 209.000 Einheiten bringt. Die Gesamtproduktion umfasst 817.003 Olympia Rekord P1 und 67.952 Opel 1200. Zum Vergleich der Vorgänger und Nachfolger: 581.922 Olympia-Rekord (1953-1957) und 787.684 Rekord P2 (1960-1963)

Technische Daten Opel Olympia Rekord P1:
Mittelklasse-Limousine bzw. -Kombi (Caravan); Länge: 4,43 Meter, Breite: 1,62 Meter, Höhe: 1,49 (Caravan: 1,58) Meter, Radstand: 2,54 Meter;
Opel Olympia bzw. Olympia Rekord P1 mit 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner, 3-Gang-Getriebe, optional 3-Gang-Kupplungsautomat „Olymat“, 33 kW/45 PS (ab 1959: 37 kW/50 PS), max Drehmoment 98 Nm bei 2.300/min (ab 1959: 106 Nm bei 2.100/min), Vmax: 125 (ab 1959: 128) km/h, Normverbrauch: 8,6 (ab 1959: 8,5) Liter Normal-Benzin;
Opel Olympia Rekord P1 mit 1,7-Liter-Vierzylinder-Benziner, 3-Gang-Getriebe, optional 3-Gang-Kupplungsautomat “Olymat“, 40 kW/55 PS, max Drehmoment 120 Nm bei 1.900-2.300/min, Vmax: 132 km/h, Normverbrauch: 8,9 Liter Normal-Benzin;
Opel 1200 mit 1,2-Liter-Vierzylinder-Benziner, 3-Gang-Getriebe, 29 kW/40 PS, max Drehmoment 82 Nm bei 2.200-2.800/min, Vmax: 115 km/h, Normverbrauch: 8,1 Liter Normal-Benzin.


Preise:
Opel Olympia 1500 (1958) ab 5.625 Mark
Opel Olympia Rekord P1 1500 (1958) ab 6.385 Mark
Opel Caravan 1500 (1958) ab 6.685 Mark
Opel Lieferwagen 1500 (1958) ab 6.175 Mark
Opel 1200 (1959) ab 5.675 Mark
Opel Olympia Rekord P1 1500 (1959) ab 6.385 Mark
Opel Olympia Rekord P1 1500 viertürig (1959) ab 6.875 Mark
Opel Olympia Rekord P1 1700 (1959) ab 6.460 Mark
Opel Olympia Rekord P1 1500 viertürig (1959) ab 6.950 Mark
Opel Caravan 1500 (1959) ab 6.685 Mark
Opel Caravan 1700 (1959) ab 6.760 Mark
Opel Lieferwagen 1500 (1959) ab 6.175 Mark

Fazit
Er war der bezahlbare Traumwagen für die Blütezeit des Wirtschaftswunders. Der chromgeschmückte Opel Olympia Rekord brachte ein wenig Hollywood-Glanz in triste Vorstädte und in die nüchternen Zahlenkolonnen der Zulassungsstatistik, wo er des Käfers schärfster Kontrahent war. Ein Duell, das die Deutschen sogar in Amerika ausfochten
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2017-06-18

Getestete Modelle
Für diesen Testbericht sind keine passenden Modelle vorhanden.
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