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Testbericht

automobil-magazin.de, 29. April 2011

Reset XJ? Wird die Tradition mit moderner Formgebung und weit höherem Preis in der 8. Generation an- oder ausgeknipst? Von außen betrachtet, deutet die von Ian Callum gezeichnete 8. Generation, ohne sofort ersichtliche Reminiszenzen an das Urmodell von 1968, die Tradition ganz neu: int weicheren Linien und einem puristischen Heckteil mit weit in den Kofferraumbereich pfeilenden LED-Lichtmodulen. Historisches Andocken Fehlanzeige. Nachhilfe für den neuen Mythos XJ tut offensichtlich Not. Anders ist der überdeutliche Hinweis mit insgesamt neun augenfälligen „Jaguar“-Emblemen im Interieur – auf der Mitte des Armaturenträgers, auf den eleganten Schwellern und den verchromten Türöffnern – kaum zu deuten. Als ob es sonst keiner bemerken würde?

Parkhäuser sind keine Freudenhäuser. Keine neue Erkenntnis, aber eine sich in der XJ Langversion vertiefende. Wo er endet, ist nur eine Ahnung, die Maße Gewissheit: nach eindrucksvollen 5,25 m. Die serienmäßige Einparkhilfe: notwendig. Totwinkelwarner in beiden Außenspiegeln: sinnvoll. Die serienmäßige Rückfahrkamera (positiv: mit auffällig wenig Verzerrung): hilfreich. Dem elegant ausfließenden Ende fehlt es am deutlichsten an Übersicht. Die Heckscheibe baut so hoch und flach, dass im Innenspiegel nur noch der Dachaufbau hinterher fahrender Autos zu erkennen ist. Vorteil: Drängler haben es beim XJ sichtlich schwer. Man bemerkt sie kaum.

Liegt auch am famosen Dieselmotor. Die linke Autobahnspur dominiert die Limousine lässig-leicht (Gewicht: nur 1.796 kg, Langversion: + 17 kg) mit dem bekannten Dreiliter-Biturbodiese, der im Vergleich zum schon überzeugenden 2,7-Liter-V6 mächtig Anabolika ins Kitekat gestreut bekam. Mit viel Körperspannung, gehaltvollem Zug und der dezenten Vehemenz von 600 Nm. Selbst Jaguars nochmals 235 PS stärkerer 5,0-Liter-Kompressormotor kann nur ein Hauch mehr Drehmoment (625 Nm bei 2.500 U/min). Gefühlt drückt er, kann er, will er immer. Trotzdem pendelt der Zeiger des Drehzahlmessers, von den Stufen fünf und sechs gepflegt in Zaum gehalten, im Stadtverkehr oder auf der Landstraße oft nur um 1.250 Umdrehungen. Alles eindeutige Zeichen für eine sehr gut abgestimmte Motor-Getriebe-Kombination.

Weitere Zeichen: Laufruhe und niedriger Verbrauch. Der V6 hängt, von der ZF-Sechsgang-Automatik sanft und hintergründig geleitet, massiv am Kraftfluss, trotzdem rächt sich das kaum an der Zapfsäule: manchmal nur 7,5 Liter auf dem Bordcomputer, im Schnitt 9,4 Liter Diesel. Die direkten Konkurrenten stemmen rund vier Zentner mehr auf die Waage – sehr gute Voraussetzung für niedrige(re)n Verbrauch im XJ.

Streichele mich nicht, fahre mich – mit der Sporttaste, mit der das Triebwerk direkter anspricht, beißt die Katze noch herzhafter ins Drehmoment. Die Kombination von Dynamik-Modus und „S“-Schaltlogik tut allerdings etwas zuviel des Guten: Nun dreht der Automat höher aus und hält die Gänge länger. Das sahnige Drehmoment raut auf, wird unsämig. Falsche Aggressivität – die Sportoptionen passen besser zum V8 (385 PS) oder zum V8-Kompressor (510 PS).

Nicht nur Tatze Katze, das Fahrwerk ist jetzt multitaskingfähig – die spürbarste Neuerung. Mit seinem neuen luftgefederten Fahrwerk liegt Jaguars große Limousine etwas, aber entscheidend straffer als die traditionell eher weichbeinigen Ahnen. Der sportivere Fahrspaß kommt wie bei der direkten Konkurrenz aus München und Stuttgart nicht mehr zu kurz. Komfort bleibt auch in diesem XJ jedoch etwas selbstverständliches: Der Belag erzählt etwas, was das Fahrwerk noch schöner nacherzählt.

Auch das Interieur erzählt eine alte Geschichte neu. Mit hochwertigen Hölzern, fein verarbeitetem Aluminium, zeitlosem Leder auf die alte Art, aber auch mit dem breitbandigen TFT-Monitor statt klassischer Zeiger auf ganz neue Art. Das „Black Panel“ des BMW 7er stand Pate. Der Informationsgehalt verdient im Jaguar Lob (Tacho-, Drehzahl-, Bordcomputer- und Navieinblendungen), trotzdem ist der traditionsbewusste XJ-Fahrer als Jungfernfahrer im neuen Modell ob der Moderne verstört: Klassik war mal?

Über Ablagen redet man nicht viel, man hat sie. Elegant und reichlich. Unter weichem Leder im Mittelfach, unter dem geschmackvollen Holzrollo, davor im Cupholder-Double und auch im Kofferabteil (früher zu flach, nun nur noch mit einer kleinen Stufe an der Gepäckraumrückwand). Die Moderne kann verzücken – der über das Bordmenü einregelbare Taschenlampeneffekt des Tachos (nur ein Ausschnitt des Tachos steht im „Lichtkegel“), der unhektisch waltende Fernlichtassistent sowie das gekonnt gemilderte Lüftchen bei Öffnung des ersten Dachteils des serienmäßigen Doppel-Glasdachs – oder lässt aufhorchen wie das Highend von Bowers & Wilkins mit 1.200 Watt Musikleistung und voller Schnittstellenbreite (AUX, iPod und USB). Doch Jaguars Oberklasse tigert manchmal der Innovation auch ein wenig hinterher: kein adaptiver Tempomat, kein Head-up-Display, kein Internetzugang. Frage ist: Vermisst man es?

Der Fond ist ein Himmelreich an Beinfreiheit. Die Longwheelbase-Variante fällt mit zusätzlichen 125 mm im hinteren Fußraum ungewöhnlich großzügig aus. Der Einstieg gestaltet sich, da alle Türen in der Langversion annährend gleich breit bauen, bequem. Nach mehr Sitzkomfort lässt sich in der XJ-Historie nicht forschen. Mit dunkler Verglasung, eigenem Klima-Mikrokosmos, Schminkspiegeln und der Lichtkonsole im Dachhimmel sowie viel Platz taugt der Fond des XJ L zum Sitznirvana … Wenn das kein absoluter Luxus ist, was dann? Der Tester, sonst im Auto maximal einschlafresistent, schlummert im Fond hinweg – ein Traum und eine Gewissheit: Den XJ L und seine Ideale – nicht Transport sondern Transportiertwerden – versteht man am ehsten im noblen Fondabteil.

Reset XJ – Mit den neuen Qualitäten – Raumeindruck im Fond, Motor, Fahrwerk – steht der neue Jaguar XJ fraglos so gekonnt in der Moderne wie keiner seiner sieben Ahnen in seiner Zeit. Frage ist trotzdem: Schadet dem XJ seine Moderne? Etwa, weil man von ihm vor allem eins erwartet? Tradition. (le)

Quelle: automobilmagazin, 2011-04-29

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