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Testbericht

29. August 2016
Salzburg (Österreich), 31. August 2016

Der stärkste, schnellste, krawalligste (und alles, was sonst noch Spaß macht …) Volvo aller Zeiten ist jetzt endlich auch bei uns zu haben. So richtig dran geglaubt hatte ich eigentlich nicht mehr, denn S60/V60 Polestar sind eigentlich schon eine ganze Weile unterwegs, nur das europäische Festland hatten sie bisher recht erfolgreich umschifft. Los ging es 2013 in Australien, es folgten Großbritannien und andere Märkte. Nur wir folgten irgendwie nicht. Warum wir jetzt auf einmal doch folgen? An Billy-Regal-gleichen Stückzahlen, die gelb-blaue Chefetagen in extatische Wallung versetzen, kann es nicht liegen. Für Europa sind knapp 1.500 Autos geplant, etwa zehn Prozent davon gehen nach Deutschland. Allerdings gibt es von Volvos Performance-Arm Polestar nun eine neue Zubehör-Linie. Sprich: Viele Teile, die Ihren Volvo vielleicht nicht schneller machen, aber viel schneller aussehen lassen. Und wer auf Showroom oder Straße sieht, wie cool das ganze Zeug an einem V60 Polestar aussieht, der kauft sich die Spoiler, Felgen usw. womöglich auch für seinen V40 Diesel.

Eher Aushängeschild
Langer Rede, kurzer Sinn: Der V60 Polestar (der Einfachheit halber bleibe ich jetzt einfach mal beim von mir getesteten Kombi) dient für Volvo als eine Art benzingurgelndes Aushängeschild. Und ja, der verführerische Duft der Boxengasse weht auch ein wenig mit. Volvo besteht zwar darauf, dass es sich hier nicht wirklich um einen reinrassigen Sportwagen handelt, allerdings sind die Änderungen, die einen V60 T6 AWD zu einem V60 Polestar machen, a) erstaunlich umfangreich und b) verblüffend radikal.

Optik eher dezent
Das Offensichtliche beschränkt sich dabei auf ein neues Spoilerschwert, einen etwas enthemmteren Heckspoiler, einen Heckdiffusor, sehr schön anzusehende 20-Zoll-Räder und etwas glanzschwarze Lack-Schminke an Grill und Spiegeln. Innen bemerkt der Kenner Leder und Alcantara an Lenkrad und dem vorzüglich unterstützenden Gestühl, eine Carbon-Mittelkonsole und Alu-Pedale. So weit, so unspektakulär. Das wird sich der Performance-Kombi-Enthusiast vermutlich auch beim Motor des gierigsten V60 denken. Am Anfang seiner Karriere wetteiferte der Polestar zwar noch mit dem brünftig-urigen Reihensechszylinder-Turbo um die Gunst der leistungsliebenden Väter. Ganz der neuen Volvo-Idee (keine Toten mehr in schwedischen Autos, nur noch Vierzylinder in schwedischen Autos) folgend, wurde der 3,0-Liter-Sechsender Anfang 2016 aber durch einen 2,0-Liter-Vierzylinder ersetzt.

Ein sehr kräftiger Vierzylinder
Trauer oder Wut scheinen jedoch - zumindest auf dem Papier - unangebracht. Für kapitalen Schub und vernünftiges Ansprechverhalten hat man dem minimierten Aggregat nämlich sowohl einen Kompressor als auch einen größeren Turbo spendiert. Pleuel, Nockenwelle und Krafstoffpumpe sind ebenfalls neu. Die Leistung steigt um 17 auf 367 PS. Das Drehmoment liegt bei 470 Newtonmeter. Und jetzt lassen Sie diese Zahlen bitte einfach mal ein wenig wirken. Das hier ist nämlich einer der brachialsten Vierzylinder, die es derzeit gibt. Im Prinzip hat nur der Zweiliter-Turbo im Mercedes-AMG A 45 noch mehr Irrsinn zu bieten. Weiterer Vorteil: Das Beseitigen zweier Zylinder spart 24 Kilo und zwar genau dort, wo man zu viel Gewicht am wenigsten will - ganz vorne. Auch am Stammtisch legt der vierzylindrige V60 Polestar zu. Von 0-100 km/h geht es in 4,8 Sekunden ( minus 0,2 Sekunden), die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 km/h. Allemal genug, um Audi S4 Avant und Mercedes-AMG C 43 T-Modell gehörig auf die Nerven zu gehen.

Es kommt auch Musik
Und der Klang? Nun, Vierzylinder halt. Polestars neue Edelstahl-Abgasanlage mit Klappe dröhnt von außen ziemlich lebendig, aber auch sie kann nicht zaubern. Beim Fahren hört man im Allgemeinen nicht allzu viel. Nimmt man das Auto härter ran, fängt es aber durchaus an zu singen. Inklusive amüsanter Rülpser beim Gangwechsel. Selbige gelingen der geschwindigkeitsoptimierten Achtgang-Box in der Regel recht geschmeidig. Im neuen, etwas bizarr anwählbaren S+-Modus (Ganghebel auf "S", dann nach oben drücken, oben halten und währenddessen zweimal am linken Schaltpaddel ziehen) zieht das Getriebe die Zügel an und hält zudem die Gänge. Das ist gut. Wenn man den Polestar richtig auf Zug fährt, braucht der Automat aber oft länger, als man das von den besten Achtgang-Boxen (BMW, Alfa Giulia) oder Doppelkupplern kennt. Das ist weniger gut. Der Verbrauch liegt laut Volvo bei 8,1 Liter. Der Bordcomputer zeigte bei gemütlicher Fahrt gut 8,5 Liter, bei artgerechtem Einsatz waren es etwa 13 Liter.

Aber bitte mit Drehzahl
Artgerecht bedeutet hier trotz manigfaltiger Aufladung: Drehzahl, bitte! Und zwar viel davon! Der kleine Vierzylinder eignet sich zwar hervorragend, um im Alltag entspannt und niedertourig durch die Gegend zu bummeln, wer richtig Feuer unterm Hintern will, muss aber durchaus was dafür tun. Trotz Kompressor-Aufladung ist dieser Motor nämlich nicht unbedingt der frühe Vogel. Wenn er dann aber mal da ist (so ab 3.500 Touren), rappelt es so richtig in der Kiste. Wie der Polestar unter wildem Turbofauchen das letzte Drehzahldrittel bis zur 7.000er-Grenze erklimmt, das wirkt schon reichlich beeindruckend. In den Untiefen des roten Bereichs merkt man dann auch die Verwandtschaft zum Motor des eigenen WTCC-Rennautos. Viele interne Teile seien gleich und könnten eins zu eins untereinander getauscht werden, sagte mir Polestar-Entwicklungschef Henrik Fries. Seinen Stolz konnte er da nur schwer verheelen.
 
Grandioses Fahrwerk
Und wo wir gerade bei Rennautos sind: Mit das Spannendste am V60 Polestar dürfte sein einstellbares Oehlins-Fahrwerk sein. Die sündteuren Renndämpfer sind in der Härte einstellbar, die zugehörigen Federn sind um 80 Prozent straffer als in einem V60 mit R-Line-Paket. Dazu kommen steifere Stützlager und Buchsen, neue carbonverstärkte Stabilisatoren, eine Carbon-Domstrebe vorne, ziemlich gewaltige Brembo-Bremsen und heißere Kalibrierungen für Lenkung, Allrad und ESP. Das alles klingt reichlich ambitioniert und es verwandelt den sonst eher gemütlichen V60 auch in ein durchaus ernstzunehmendes Stück Fahrmaschine. Vor allem das Oehlins-Fahrwerk schindet mächtig Eindruck. Die knackige Härte, die es dem Schweden-Kombi in die Beine zaubert, muss man schon mögen, aber wie feinfühlig und hochtalentiert dieses Auto selbst übelste Passstraßen niederfährt, ist eine Sensation. Man kann förmlich spüren, wie dieses Fahrwerk unter einem ackert. Ein bisschen, wie in einem Tourenwagen, den man durch ein paar Luxus-Filter gejagt hat.

Sehr neutral und sicher
Dass der V60 Polestar kein BMW M3 ist, merkt man dann aber doch auch recht schnell. 1.800 Kilo Kampfgewicht, eine Gewichtsverteilung von 59:41 Prozent, ein eher frontlastiger Haldex-Allradantrieb - all das lässt sich nicht so einfach kaschieren. Kleiner Tipp: Wenn Sie es richtig krachen lassen wollen, schalten Sie am besten das ESP aus. Dann ist das System so ausgelegt, dass die maximal möglichen 50 Prozent der Antriebskraft Richtung Hinterachse wandern. Und keine Sorge bitte, der V60 Polestar ist wirklich narrensicher abgestimmt. Sprich: Auch jetzt fährt er eher wie ein Fronttriebler. Allerdings wirkt er neutraler, untersteuert wenig und gräbt sich mit richtig viel Grip aus der Kurve. Die Lenkung wirkt schön schwer, könnte bei flotterer Gangart aber etwas mehr Gefühl und Geschwindigkeit vertragen. Die Sechs-Kolben-Bremse will fest getreten werden, wirkt aber auch unter längerer Schwerbelastung absolut standhaft.

Der Preis ist ambitioniert
Wir halten fest: Der neue Volvo V60 Polestar hat einige verdammt heiße Zutaten an Bord, wirkt sehr individuell und richtig speziell. Ein hochpräzises Performance-Werkzeug oder der ultimative Kombi-Wahnsinn à la AMG C 63 ist er aber nicht. Soll er ja auch gar nicht sein. Stellt man ihn auf eine Stufe mit Audi S4 und Mercedes-AMG C 43 liegt man sicher nicht ganz verkehrt. Das Problem ist nur: Der Polestar kostet mindestens 69.600 Euro. Das ist trotz absoluter Vollausstattung sehr viel Geld für einen mittlerweile leicht ergrauten Mittelklasse-Kombi mit Vierzylinder-Motor. Zum Vergleich: Die neue Alfa Giulia Quadrifoglio mit 510 PS ist ab 71.800 Euro zu haben, ein BMW M3 ab 72.200 Euro. Die direkten Konkurrenten S4 Avant und C 43 T-Modell sind mit etwa 61.000 Euro Grundpreis gut 8.000 Euro günstiger. Trotzdem dürften nicht nur eingefleischte Volvo-Fans die neuen, so aufwendig gemachten S60/V60 Polestar ziemlich großartig finden. Wenn Sie also auf schnelle Schweden stehen (und ihnen ein Koenigsegg etwas zu unpraktisch oder teuer erscheint), kriegen Sie hier eine sehr gut getarnte Allwetter-Alltags-Waffe.
Technische Daten
Antrieb:Allradantrieb
Anzahl Gänge:8
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:Reihenmotor, Kompressor, Turbo
Hubraum:1.969
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:4
Leistung:270 kW (367 PS) bei UPM
Drehmoment:470 Nm bei 3.100-5.100 UPM
Preis
Neupreis: 69.600 € (Stand: August 2016)
Fazit
Das allerletzte Wort in Sachen Sportlichkeit oder Performance-Kombi-Irrsinn ist der Volvo V60 Polestar sicher nicht. Aber er hat einen fuchsteufelswilden Vierzylinder und ein fantastisches Oehlins-Fahrwerk zu bieten. Er ist hochwertig, speziell und fliegt ziemlich schnell unter dem Radar. Bei jedem Wetter. Mit seinem Preis bleibt er wohl ein Liebhaber-Objekt für Volvo-Enthusiasten. Bei den geringen Stückzahlen ist das auch absolut so gewollt. + sehr lebendiger Vierzylinder; grandioses Fahrwerk; dezenter, edler Auftritt - könnte noch dynamischer abgestimmt sein; ziemlich schwer; hoher Preis
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: auto-news, 2016-08-29

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