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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 27. April 2017
Mir der Simplex-Modellreihe gelang der Daimler Motorengesellschaft (DMG) 1901 ein epochaler Wandel des Automobilbaus, weg von den motorisierten Pferdekutschen, hin zu leistungsfähigen Fahrzeugen mit niedrigem Schwerpunkt und einfacher Handhabung.

Das historische Quartett zieht die Blicke der Passanten magisch auf sich. Handys werden gezückt und Erinnerungsfotos werden geschossen. Das Gruppenbild mit den vier Mercedes Simplex im Stadtkern von La Turbie, weckt Reminiszenzen an die epischen Siege der Fahrzeuge des Daimler Motoren Gesellschaft (DMG) Anfang des 20. Jahrhunderts. Initiator dieser Dominanz die noch einige Jahre andauern sollte, war der geschäftstüchtige Autohändler Emil Jellinek, der die Bühne der Frühjahrs-Autorennen in Nizza nutzte, um Werbung für die Autos aus Cannstadt zu machen.

Und was verkauft sich besser als Siege, die in einem Autorennen errungen werden. Das alte Sprichwort: "win on Sunday, sell on Monday" (Gewinne am Sonntag, verkaufe am Montag) war vor mehr als 115 Jahren genauso gültig, wie es heute der Fall ist. In dem pittoresken Städtchen an der der Côte d\\\'Azur machten die Schönen und Reichen - darunter viele Autonarren - Urlaub und veranstalteten prestigeträchtige Wettfahrten. Darunter die legendäre Hatz die geschlängelte Straße nach La Turbie hinauf. Zunächst war das Rennen fest in französischer Hand, doch Emil Jellinek weiß, wie man die Vorherrschaft der gallischen Autohersteller brechen kann. Zusammen mit Daimler-Chefkonstrukteur Wilhelm Maybach ersinnt er ein Automobil, das nichts mehr mit den motorisierten Kutschen früher gemein hat.

Ein leistungsstarker mächtiger Vierzylinder Motor mit einem Hubraum von 6,8 Litern, ein tiefer Schwerpunkt und ein langer Radstand lautet die Erfolgsformel. Dazu kommen feine Technikdetails, wie ein geschlossenes Wasserkühlsystem inklusive Wabengrill. Einige dieser Ideen kommen direkt Automobil-Autodidakten von Jellinek. Die Gleichung geht auf. Unter dem Pseudonym "Mercedes" (der Name seiner Tochter) beweist Jellinek die Leistungsfähigkeit der DMG-Autos, gegen die kein Kraut gewachsen ist. "Ganz klar haben die französischen Konstrukteure dem derzeit nichts entgegenzusetzen", schreibt die Zeitung "La Presse" am 30. März 1901 über den dritten Mercedes-Sieg binnen weniger Tage und das Gründungsmitglied und Generalsekretär des Automobile Club de France (A.C.F.), Paul Meyan, stellt nüchtern fest: "Wir sind in die Ära Mercédès eingetreten."

Noch heute umströmt die Fahrzeuge von damals eine magische Aura. Der weiße Mercedes Simplex aus dem Jahr 1903 hat 40 PS, war für damalige Verhältnisse einfach zu bedienen und stellt einen Meilenstein in der Entwicklung der Automobile dar. Das Hochschalten ist beim weißen Oldtimer aus dem Jahre 1903 ist eine Prozedur, die volle Konzentration verlangt: Fuß vom Gas, kuppeln, Gang auf Neutral, Kupplung lösen, wieder kuppeln und den nächsthöheren Gang einlegen. Ein Formel-1-Weltmeister ist daran schon gescheitert, musste eine Nacht darüber schlafen, die Vorgehensweise verinnerlichen, ehe es am nächsten Tag geklappt hat. Auf dem Weg nach La Turbie, dem legendären Zielpunkt des Bergrennens, das in Nizza gestartet wurde, schöpfen wir die Kraftreserven des Ur-Oldtimers nicht voll aus, schließlich ist das weiße Fahrzeug eine Preziose, die nicht unter einer Million Euro zu haben ist.

Deswegen ist Vorsicht geboten. Doch das Erlebnis einen rollenden Meilenstein zu bewegen, überwiegt. Der Simplex hat alles: H-Schaltung, Bremsen, die jeweils mit einen Pedal links und rechts aktiviert werden und eine Lenkung, die vollen Körpereinsatz verlangt. Sobald es um eine der vielen Kurven geht, krallt man seine Hände um den dicken Holzkranz des Volants und wuchtet das Gefährt mit aller Kraft um die Ecke. Dazu gehört auch die Verlagerung des Körpergewichts. "Das ist ein ganz schöner Kampf", meint Ex-Formel-1-Fahrert David Coulthard, der einen anderen Mercedes-Simplex den Berg hochprügelt. Schon in der ersten Kurve nach dem Start in Nizza, der heute ein unscheinbarer Busbahnhof ist, erschauert man innerlich. Dort hängt eine Gedenktafel für den Werksfahrer der Daimler Motoren-Gesellschaft, Wilhelm Bauer, der beim Rennen des Jahres 1900 an dieser Stelle in die Felswand krachte und einen Tag später starb, weil er Zuschauern, die auf die Strecke gelaufen waren, ausweichen musste.

Weiter geht die Hatz auf der legendären Strecke. Vorne unter der Motorhaube, die die Form eines Dachgiebels hat, werkelt der mächtige 6,8-Liter-Vierzylinder-Motor und unterstreicht seine Präsenz mit einer Verbrennungs-Sonate. Die 40 PS des Vierzylinders reichen aus, um den weißen Granden in der Ebene bis auf rund 118 km/h zu beschleunigen. Bergauf geht es nicht ganz so schnell, dennoch ist das Fahren mit dem Simplex mehr Handwerkskunst, denn reine Schufterei. Um bei steigender Drehzahl möglichst viel Drehmoment aus dem mächtigen Motor herauszuholen, ist am Lenkrad ein Hebel angebracht, der mit einer feinen Rasterung verstellt werden kann. Damit wird der Zeitpunkt der Zündung nach vorne verschoben - idealerweise findet die Frühzündung kurz vor dem oberen toten Punkt des Kolbens statt. "Dazu braucht es sehr viel Gefühl", sagt Oldtimer-Fan und Ex-Formel-1-Fahrer Jochen Maas, der einen Simplex die klassischen Serpentinen hochscheucht, als gäbe es kein Morgen mehr. Im Ziel, mitten in La Turbie, sind die vier Rennveteranen wieder vereint und bilden ein begehrtes Motiv.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2017-04-27

Getestete Modelle
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