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Testbericht

18. Januar 2017

Dubrovnik (Kroatien), 18. Januar 2017 - Ihre Lieblingsfarbe ist Hellgrau, Sie kleiden sich am liebsten beigefarben und mögen es gediegen? Dann ist der neue Nissan Micra nichts für Sie. Die fünfte Generation, die ab Mitte März 2017 beim Händler steht, ist das genaue Gegenteil von Understatement, vor allem in Orange. Ob sich der Kleine so ungewöhnlich fährt, wie er aussieht? Wir haben ihn getestet.

Das Gegenteil der alten Generation

Der alte Micra war ein tristes Pummelchen. Er sollte als Weltauto funktionieren, und dann muss eben auch ein Inder mit Turbanen hineinpassen (kein Witz), und die restriktiven japanischen Bestimmungen zur Breite müssen ebenfalls beachtet werden. Der Neue kommt aus Europa und wirkt deutlich dynamischer und männlicher, seitlich ist er durch die vielen Kanten und geknickten Linien vielleicht etwas überzeichnet. Die Proportionen sind erwachsener, man sieht es dem Wagen an, dass er mit ziemlich genau vier Meter nun gleich 17 Zentimeter länger ist als bisher. Breiter und niedriger ist er auch. Größenmäßig ist er nun Mainstream im Kleinwagensegment und soll so wieder mehr Käufer finden. Bisher waren drei Viertel der Käufer weiblich, künftig soll der Geschlechtermix ausgeglichen sein.

Sportliches Fahren? Vergessen Sie`s

Die Optik weckt bei mir Erwartungen in puncto Fahrdynamik. Die kann der neue Micra jedoch nicht erfüllen, das sag ich gleich mal vorneweg. Der 0.9 IG-T soll der "Volumenmotor" werden, wie man das in der Branche nennt. Ungewöhnlich: Der Dreizylinder-Turbobenziner hat keine Direkt-, sondern eine Saugrohreinspritzung - daher IG-T, Injection Gasoline-Turbo, und nicht wie von Nissan gewöhnt DIG-T, Direct Injection Gasoline-Turbo. Das hat Vorteile bei der Feinstaubemission. Für viele Fahrer wohl interessanter: 90 PS und Turbo hören sich für einen Kleinwagen nicht schlecht an, aber der Antrieb ist nur ausreichend. 140 Newtonmeter sind eben nicht die Welt, und so fährt sich der Wagen wie ein Saugbenziner. Der 90-PS-Diesel ist aus anderem Holz, seine 220 Newtonmeter bieten standesgemäßen Schwung und Fahrspaß. Aber der ist gleich 2.000 Euro teurer als der Turbobenziner und verbraucht kaum weniger (auf meiner Fahrt 4,5 statt 5,4 Liter je 100 Kilometer). Da warten wir lieber auf den stärkeren Benziner, den Nissan uns für die Zukunft verspricht. Wir hoffen auf den 205-Newtonmeter-Turbo aus dem Renault Clio TCe 120.

Fahrwerk und Lenkung? Mittelmaß
 
Auch Fahrwerk, Lenkung und die serienmäßige Fünfgang-Schaltung des Micra bieten keinen sportlichen Mehrwert. Der Kleine liegt allerdings eher auf der straffen Seite, wankt nicht, wirkt manchmal eine Idee unruhig, freilich ohne zu nerven, zumindest nicht bis Tempo 90, und schneller konnte ich auf den Landstraßen rund um Dubrovnik nicht fahren. Die "intelligente Fahrwerksregelung" (bei Schwellen, wo der Vorderwagen normalerweise vorne in die Knie gehen würde, werden die Hinterräder gebremst, sodass er sich wieder aufrichtet) und die "intelligente Spurkontrolle" (in Kurven werden die inneren Räder gebremst, was das Einlenkverhalten verbesser) bleiben interessante technische Ideen, von denen ich in der Praxis aber nichts spüre.
 
Raumangebot: okay, aber nicht sehr praktisch
 
Ein sonderlich praktisches Auto hatte ich nicht erwartet, meist beißen sich Alltagstauglichkeit und schicke Optik ja. So ist es auch beim Micra. Der Platz im Fond ist klassentypisch, will heißen: Er reicht für Erwachsene gerade so aus. Aber man sitzt unangenehm hoch und wackelig, wie der vielbeschworene Affe auf dem Schleifstein. Der Kofferraum ist mangels Einlegeboden nicht gut nutzbar, das Volumen mit 300 bis 1.004 Liter allerdings leicht überdurchschnittlich. Ein VW Polo bietet zum Beispiel nur 280 bis 952 Liter, da gibt es aber einen Einlegeboden.
 
Selten so eine schmiegsame Mittelkonsole erlebt
 
Vorne sitzt man gut im neuen kleinen Nissan - zumindest, wenn man nur 1,75 Meter groß ist. Die Sitze bieten am Rücken viel Seitenhalt, die Oberschenkel werden in Kurven dagegen etwas lebendig. Da kommt die Mittelkonsole wie gerufen, sie schmiegt sich optimal an mein Bein an, egal ob ich Fahrer oder Beifahrer bin. Ich habe leider nur ein Paar Testbeine, wie sich das bei Größeren anfühlt, kann ich nicht sagen. Aber auch sonst ist die Cockpitgestaltung sehr gelungen. Besonders gefallen mir die knallbunten Innenraumverschönerungen (350 beziehungsweise 400 Euro, ab Acenta) in hochwertigem hellblauem Kunststoff oder in orangefarbenem Leder.
 
Bitte nicht stöhnen: Assistenten
 
Wenn man auf das Thema Assistenzsysteme kommt, stöhnen inzwischen die meisten Autofans, die ich kenne: alles bekannt, alles langweilig. Aber halt, nicht so schnell. In der kleinen Klasse sind Verkehrszeichenerkennung oder Fernlichtassistent schon sehr ungewöhnlich, auch Totwinkelwarner und Spurverlassenswarner und Anti-Kollisionssystem mit Fußgängererkennung und 360-Grad-Rundumsicht-System sind zumindest erwähnenswert. Der angeblich aktiv agierende Spurverlassensassistent warnt allerdings nur, ohne die Fahrtrichtung anzupassen - der korrigierende Bremseingriff soll erst ab Tempo 120 richtig spürbar sein und das konnte ich mangels Autobahn nicht testen. Eine weitere Besonderheit des Micra ist das Bose-Soundsystem mit Lautsprechern in der Fahrer-Kopfstütze. Der Sound ist gut und sehr räumlich. Doch sollten Sie sich vor der Bestellung an die eigene Nase fassen und sich genau überlegen, ob die Ablenkung vom Verkehrsgeschehen nicht steigt, je besser die Musik klingt ...
 
Parkpiepser? Nur für die teureren Versionen
 
Die ganze Assistentenschar tanzt erst an, wenn man eine der höheren Ausstattungen und/oder ein teures Paket bestellt. Acenta soll die am meisten bestellte Ausstattung werden, und das kann ich schon wegen der erst hier verfügbaren bunten Cockpits nachvollziehen. Mit dem 90-PS-Benziner landet man dann bei 17.190 Euro. Die Grundversion für diese Motorisierung heißt Visia Plus, bietet Audiosystem und Klimaanlage und kostet 15.790 Euro. Als Alternativen fallen mir ein: der ebenfalls optisch außergewöhnliche Citroën C3 PureTech 110 mit 205 Newtonmeter (ab 19.590 Euro) oder der designmäßig ziemlich durchgeknallte Nissan Juke 1.2 DIG-T mit 190 Newtonmeter (kaum teurer). Günstiger ist der gemäßigtere, aber schicke und identisch motorisierte Renault Clio TCe 90 (ab 15.190 Euro). Auch den stärkeren Motor kann man sich leisten, den erwähnten Clio TCe 120 gibt es ab 16.390 Euro.
 
Der Note entfällt
 
Zum Schluss noch zwei Informationen aus dem weiteren Umfeld des Micra: Der Note, der auf der gleichen Plattform basierte wie der alte Micra K13, läuft in Deutschland nur noch bis Sommer 2017 weiter und entfällt dann. Minivans seien eine aussterbende Spezies, heißt es dazu vom Hersteller. Das höre ich oft, aber angesichts der Verkaufszahlen (rund 12.000 Micra und immerhin 6.000 Note in Deutschland 2016) kann ich das nicht nachvollziehen, und schade finde ich es auch. Solche Autos bieten doch viel mehr Variabilität und Alltagstauglichkeit als SUVs. Ebenfalls für mich unverständlich: Der neue Micra K14 basiert immer noch auf der (modifizierten) alten "Nissan V"-Plattform, nicht auf der moderneren des Clio, und läuft dennoch vom selben französischen Band ...
Technische Daten
Antrieb:Frontantrieb
Anzahl Gänge:5
Getriebe:Schaltung
Motor Bauart:Turbobenziner mit Saugrohr-Einspritzung
Hubraum:898
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:3
Leistung:66 kW (90 PS) bei UPM
Drehmoment:140 Nm bei 2.250 UPM
Preis
Neupreis: 17.190 €
Fazit

Der Nissan Micra mit dem 90-PS-Turbobenziner ist wie ein hellblauer Wildleder-Turnschuh: für Sport völlig ungeeignet, nicht sehr alltagstauglich, aber ziemlich schick. Viel mehr als die (extrovertierte, extreme, aber zumindest interessante) Optik bleibt aus meiner Sicht nicht an Argumenten. Die große Zahl an Assistenten ist lobenswert, aber die kostet und wird in dieser Klasse wohl nur von wenigen Early Adoptern schon gewollt. Was den Antrieb angeht, empfehle ich, auf den stärkeren Turbobenziner zu warten. + schicke oder zumindest interessante Optik, schöne bunte Cockpit-Verschönerungen, ungewöhnliches Assistenten-Angebot - 90-PS-Turbobenziner und Fahrwerk/Lenkung ohne sportliches Talent

Testwertung
4.0 von 5

Quelle: auto-news, 2017-01-18

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