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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 29. November 2016
Woran VW konsequent scheitert, gelingt Renault: Mit dem Billigwagen Kwid haben die Franzosen einen Coup auf dem indischen Automarkt gelandet. Das Mini-SUV fährt sich erstaunlich erwachsen.

Ausgeschmückt, wie ein Pfingstochse steht der Renault Kwid auf den weißen Fliesen im Showroom von Trident-Renault im indischen Bangalore. Ein fein säuberlich angerichtetes Blumen-Bouquet ziert die Motorhaube und eine Banderole, die an eine Luftschlange erinnert, schmücken das weiße Blechkleid. Das ist keine Marketing-Aktion: In Indien ist es Brauch, ein Auto zum Verkauf so zu schmücken. Der Besitzer bekommt einen Schal und eine Ganesha-Statue. Die Hindu-Gottheit ist so etwas wie eine Christophorus Plakette hierzulande und soll allzeit gute Fahrt garantieren.

Göttlicher Schutz ist auch nötig, wenn man sich in das ungezügelte Verkehrschaos der südindischen Acht-Millionen-Metropole stürzt. Straßenspuren werden genauso als Angebot begriffen, wie Vorfahrtsregelungen. Es geht heillos durcheinander, dazu kommen noch die unzähligen Mopeds, die die Fahrzeuge umschwirren wie ein wilder Wespenschwarm einen süßen Kuchen. Mittendrin flanieren noch Kühe gemessenen Schrittes quer durch die Blechlawine. Selbst das Hupkonzert bringt die Vierbeiner nicht aus der Ruhe. Sie scheinen zu wissen: Mir kann keiner was. Ich bin heilig.

Der Renault Kwid ist genau für diese Verhältnisse gemacht. Das rustikale Mini-SUV hat eine Bodenfreiheit von 18 Zentimetern. So stellen auch die schlaglochübersäten indischen Rüttelpisten keine Gefahr für die Bandscheiben dar. Auch in Indien wächst der Durst nach Power. Deswegen haben die Franzosen ein Ein-Liter-Triebwerk nachgelegt, das 50 kW / 68 PS leistet - 14 PS mehr als das 0,8 Liter-Aggregat. Der Motor ist für die Intervall-Sprints im Stop-and-Go-Verkehr ausgelegt und tritt recht quirlig an. Klar entsprechen die Sitze nicht zwingend einem 16fach verstellbaren Massagestuhl in einem europäischen Luxuskreuzer und die Lehnen erinnern eher an ein Knäckebrot als an eine prall gefüllte konturierte Polsterung, aber auch im Kwid sitzt man bequem und vor allem geräumig. Das gilt für beide Sitzreihen, die eigentlich für insgesamt fünf Passagiere ausgelegt sind. Das Schlüsselwort ist "eigentlich", denn es kommt nicht selten vor, dass ich mehr als fünf Menschen in das Mikro-SUV zwängen.

Was steckt eigentlich hinter dem Erfolg des Kleinwagens, der mit dem Suzuki-Mariuti Alto und dem Hyundai Eon um die Gunst der Käufer buhlt. Für viele Inder ist der Kauf eines neuen Autos ein Highlight des Lebens, da muss alles passen, angefangen von der Übergabe bis hin zum Kundendienst. Wer meint, dass sich die Kunden mit einem schicken westlichen Logo auf dem Kühlergrill zufriedengeben, irrt gewaltig. Auch im Billig-Segment sind die Inder extrem anspruchsvoll, Das musste Tata mit dem Nano leidvoll erfahren. Einfach ein günstiges Auto, das ein Minimum an Komfort erfüllt, klappt in Indien nicht mehr. Die Lust auf Mobilität ist in dem riesigen Land ungebrochen: Auf tausend Einwohner kommen rund 14 Autos. Tendenz steigend. Renault hat sich den indischen Markt genau angeschaut und seine Schlüsse daraus gezogen. "Der Kwid sieht nicht billig aus", erklärt Designchef Laurens van den Acker.

Von außen wirkt der Mini-SUV, wie eine Kreuzung aus Renault Twingo und Dacia Duster. Dank eines Radstands von 2,42 Metern holen die Franzosen aus dem gerade Mal 3,68 Meter langen Gefährt das Optimum. Rustikal und edel so mag der Inder, die Optik seiner Autos. Der Kofferraum ist ziemlich geräumig und fasst zwischen 300 und 1.115 Liter. Für indische Verhältnisse bietet der Renault Kwid fast opulenten Luxus: Im Innenraum des Rechtslenkers strahlen gelbliche Dioden dem Fahrer entgegen und vermitteln zusammen mit dem Sieben-Zoll-Monitor einen Hauch von gehobener westlicher Ausstattung. Dazu gehört eben auch ein Navigationssystem und sogar ene Klimaanlage, die bei Kleinwagen alles andere als üblich ist. Ein besonderes Pfund, mit dem die Franzosen wuchern ist die Fünfgang-Automatik, die mit einem Drehknopf bedient wird - ein Novum bei einem indischen Kleinwagen. Aufpreispflichtig, natürlich. Wir waren mit der Handschaltung unterwegs. Da ist die Steckdose, mit der man das Smartphone laden kann, fast schon gewöhnlich. Vieles ist natürlich optional erhältlich. Für einen Basis-Kwid mit dem 800-Kubizentimeter-Motor muss man mindestens 269.000 Rupien hinlegen, das sind etwa 3.706 Euro.

Für Renault hat sich das Abenteuer Indien ausgezahlt: "Die Leute kaufen sich das Auto wegen des Aussehens, dem sparsamen Motor und der Ausstattung", erklärt Auto-Verkäufer Pavithran die Erklärung des Formengebers. Der junge Mann mit dem akkuraten Seitenscheitel freut sich über die automobile Erfolgstory. Trident-Renault in Bangalore verkauft an allen pro Monat 150 Kwids, dreimal so viele, wie Dacia Duster, der auch deutlich teurer ist. Für die Franzosen ist der Kwid ein voller Erfolg: Seit der Markteinführung 2015 wurden insgesamt 110.000 Exemplare zugelassen wurden. In Indien haben die Franzosen bis Ende September bereits über 80 000 Exemplare des Mini-SUVs verkauft und damit seine Zulassungen versiebenfacht. Zum Vergleich der gesamte indische Markt wuchs lediglich um 17 Prozent. Neben dem Hauptmarkt Indien, ist der Kwid unter anderem auch in Mauritius und Sri Lanka erhältlich. Bei solchen Zahlen dürften die VW-Manager grün werden vor Neid. Seit Jahren probiert der deutsche Volumen-Autobauer ein Billigauto für Indien zu bauen. Die Resultate sind überschaubar.

Ganz anders bei Renault. Da herrscht auf dem Subkontinent echte Aufbruchsstimmung. Jeden Morgen versammeln sich die Mitarbeiter der Trident-Renault-Filiale in Bangalore und schwören sich auf den Tag ein. Alle in glatt gebügelten weißen Hemden mit Renault Schriftzug und schwarzen Hosen. Sobald man den lichtdurchfluteten Verkaufsraum betritt, bekommt man Wasser angeboten - warm, versteht sich. Da schwitzt man bei den tropischen indischen Temperaturen weniger. Wenn der Kwid weiter so einschlägt, werden die Manager anderer Autobauer durchaus mit erhöhter Körper-Temperatur zu kämpfen haben.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-11-29

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