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Testbericht

Stefan Grundhoff / Wolfgang Gomoll, 12. Juni 2016
Mit dem Siebener will BMW endlich das beste Auto der Welt bauen und - fast noch wichtiger - die Mercedes S-Klasse vom Thron stoßen. Kann das erstmals gelingen?

Wer in die weltweiten Verkaufszahlen schaut sieht, dass die Mercedes S-Klasse unangefochtener denn je die Liga der Luxuslimousinen anführt. Das war vor ein paar Jahren knapper denn je. Der ausgelaufene Siebener war mittlerweile auf Tuchfühlung zur S-Klasse gegangen; ein Duell auf Augenhöhe - mit Respektabstand zu Audi A8, Lexus LS oder Jaguar XJ. Doch dann drehten die Schwaben auf. Aus der Mercedes S-Klasse mit langem und normalem Radstand wurde innerhalb von drei Jahren eine ganze Familie mit vier Radständen, dazu kommen Coupé sowie Cabrio und schwupp - die Konkurrenz schaut in weiter Ferne beschämter denn je zu Boden.

Jetzt begehrt BMW mit dem nunmehr neuen Siebener auf und will der ähnlich dimensionierten S-Klasse insbesondere mit seinen ebenso sparsamen wie kraftvollen Dieselversionen zeigen, wer die unangefochtene Nummer eins in der Luxusliga ist. Die wenig standesgemäßen Vierzylinderdiesel ersparen sich Mercedes (abgesehen vom Spartenmodell S 300h Dieselhybrid) sowie BMW und so treffen sich 730d / S 350d unter weitgehend identischen Vorzeichen: drei Liter Hubraum, sechs Brennkammern, drehmomentstarke Diesel und sparsame Verbräuche. Der kraftvolle Selbstzünder des BMW leistet 195 kW / 265 PS und ein maximales Drehmoment von 620 Nm zwischen 2.000 und 2.500 U/min. Eines ist schnell zu merken: von den beiden guten Triebwerken ist der drei Liter große Commonraildiesel des Bayern die bessere Wahl. Er läuft ebenso sanft wie der Mercedes-Selbstzünder, hat jedoch mehr Dampf, während er agiler und feinfühliger mit der Achtstufenautomatik aus dem Hause ZF harmoniert. Das Mindergewicht von rund 200 Kilogramm lässt den Bayern in nahezu jedem Fahrbetrieb agiler, kraftvoller und dynamischer erscheinen. Trotzdem kann man es nicht nur im Komfort-Plus-Modus auch entspannt angehen lassen und den Langstreckencruiser mimen, wo die S-Klasse jedoch Vorteile hat.

Der Normverbrauchsvorteil des nur 1.830 Kilogramm schweren BMW spiegelt sich auch in der Realität wider. Denn selbst als Allradversion xDrive (Normverbrauch 4,8 Liter Diesel) war er in der Realität mit 7,8 Litern etwas sparsamer als der Mercedes S 350d (5,3 Liter Normdurst), der über eine Achse angetrieben 8,1 Liter benötigte. Auch er ist optional als Allradversion zu bekommen, die den Durst wie beim BMW um knapp einen halben Liter nach oben drückt.

Im Leerlauf und im Stand kommt der BMW 730d zumindest im Innenraum nicht ganz an den Flüsterdiesel des Mercedes S 350d heran, dessen Basistriebwerk schon einige Jahre auf dem Buckel hat; jedoch mehrfach erfolgreich optimiert wurde. Der knapp zwei Tonnen schwere S 350d kommt mit seinem vergleichsweise betagten V6-Diesel auf 190 kW / 258 PS und ebenfalls 620 Nm, die zwischen 1.600 und 2.400 U/min verfügbar sind. Beide schaffen 250 km/h Höchstgeschwindigkeit, doch der BMW hat bei der Beschleunigung leicht die Nase vorn. Er schafft es in 6,1 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Der Schwabe benötigt für den Imagespurt 6,5 Sekunden. Im Gegensatz zum Mercedes, der eben als Einzeldarsteller nur in der 258-PS-Variante zu bekommen ist, bietet der 5,10 Meter lange Bayer seinen Interessenten noch zwei stärkere Brüder. Der BMW 740d leistet bei nahezu gleichem Verbrauch 320 PS und ab Herbst gibt es mit dem BMW 750 Ld - beide mit obligatorischem Allradantrieb - ein 400 PS starkes Diesel-Topmodell mit Vierfach-Turbolader. Dem hat die S-Klasse erst einmal nichts entgegenzusetzen. Erst mit der neuen Motorengeneration sollen ab 2018 endlich neue und insbesondere leistungsstärkere Dieselvarianten folgen. Die Konkurrenten sind wahlweise mit Hinterradantrieb sowie als Lang- und Normalversion zu bekommen.

Beide Modelle sind wahre Hightech-Limousinen, die nicht nur mit ihrem Reisekomfort, sondern auch einem Komplettangebot von Fahrerassistenzsystemen beeindrucken. Tote Winkel, Abstand zum Vordermann oder das Verlassen der Spur - beinahe alles verliert am Steuer hüben wie drüben seinen Schrecken. Von teilautonomen Fahren kann man jedoch gerade beim BMW nicht sprechen. Hier lassen sich beim BMW 730d gerade einmal vier Sekunden die Hände vom Lenkrad nehmen und eine Kontrollleuchte ermahnt einen deutlich schneller als erwartet, wieder ins Geschehen einzugreifen. Obschon der Mercedes auf einer älteren technischen Plattform unterwegs ist, lässt er seinen Piloten länger von der Leine. Bis zu 17 Sekunden kann man die Hände wenn gewünscht vom Steuer nehmen. Von einer echten Teilautonomie möchte da noch nicht sprechen. Eine wirkliche Entlastung von der Fahrt sieht anders aus.

Das Sammelsurium der Pakete und Sonderausstattungen ist bei den Stadtgesandten aus München und Stuttgart gleichermaßen gigantisch. Langer Randstand, Fond-Entertainment, klimatisierte Einzelsitze oder exklusivste Lederinterieurs brezeln die Luxuslimousinen ebenso auf wie Schiebe- oder Panoramadächer, belederte Designdetails oder Hightech-Sound mit illuminierten Boxensystemen. Man merkt schnell: man ist in der automobilen Champions League unterwegs, wo sich nur die besten auf lange Jahre halten. Der Reisekomfort ist auf längeren Strecken ein wahrer Genuss, während Massagefunktionen oder Sitzbelüftungen bei BMW 730d oder Mercedes S 350d gleichermaßen die hohen Ansprüche nicht erfüllen können.

Beim Komfort setzt die Mercedes S-Klasse trotz des zunehmend aufbegehrenden BMWs Maßstäbe. Das fängt bei der nahezu perfekten Federung an und führt über den flüsterleisen Innenraum über weiche Lederstühle bis hin zu einer Lenkung, von der sich nicht nur ambitionierte Fahrer mehr Direktheit und Rückmeldung wünschen. Man fühlt sich wohl in der S-Klasse und genießt den alles andere als aufdringlichen Reiseluxus auf jedem Kilometer. Dem gegenüber bietet der BMW 730d die breitere Spreizung. Auch sein Komfort ist vorbildlich, wenn gleich ihm die Entkopplung des Stuttgarter Konkurrenten fehlt. Dafür bieten sein Fahrprogrammschalter an der Mittelkonsole deutlich mehr Möglichkeiten als die S-Klasse. Im Sportmodus geht es stramm zur Sache, während der Adaptiv-Modus eine nahezu perfekte Kombination für den Alltagsverkehr bietet. Nur auf schlechten Fahrbahnen wünscht man sich einen Comfort-Plus-Modus, der Unebenheiten noch weicher wegbügelt.

Wie unterschiedlich zwei klassengleiche Konkurrenten sich den perfekten Innenraum vorstellen, lässt sich an den beiden Konkurrenten aus München und Stuttgart beeindruckt ablesen. Der BMW 730d offeriert das deutlich modernere Interieur und eine einfachere Bedienung. iDrive und die Bedienmodule setzen nicht nur in der Luxusliga längst das Maß der Dinge. Wenig Mehrwert bietet die Gestensteuerung, deren wenige Befehle man zum Glück auch ausstellen kann. Erstmals in einem BMW ist der Bildschirm in der Mitte mit einer Touchfunktion versehen, was besonders im Navigationsmodus nennenswerte Vorteile bietet und die berührungsempfindliche Oberfläche des iDrive-Controllers überflüssig macht. Etwas enttäuschend sind die Dimensionen der beiden Displays, die die Informationen für Fahrer und Passagiere deutlich weniger imposant als bei dem Sternenmodell in die Szene setzen. Die Komfortsitze des BMW 730d sind strammer gepolstert als die kuschelweichen Stühle des Mercedes S 350d. Auf Augenhöhe liegt das Platzangebot. Das gilt für die Insassen, die auch in den Kurzversionen jeden Kilometer genießen, ebenso wie für den Laderaum, wo S-Klasse und 7er mit 510 bzw. 515 Litern ebenso gleichauf sind, wie in vielen anderen Kategorien. Da macht der Preis keine Ausnahme. Der Mercedes S 350d wird ab 82.229 Euro angeboten. Ein ähnlich ausgestatteter BMW 730d kostet 82.600 Euro. Dabei sind die Preise Augenwischerei, denn mit einer klassenüblichen Komfortausstattung liegen beide Modelle bei weit über 100.000 Euro. Ein echter Sieger ist in diesem Vergleichstest daher kaum auszumachen. Letztlich liegt der BMW 730d Dank seines besseren Dreiliter-Diesels und des deutlich geringeren Leergewichts knapp vor dem Mercedes S 350d, der abgesehen von dem marktirrelevanten Mercedes S 300h die einzige Möglichkeit auf einen kraftvollen Diesel ist. Im kommenden Frühjahr kommt ein neuer Audi A8. Ob der den beiden gefährlich werden kann? Abwarten.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-06-12

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