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Testbericht

26. Mai 2008
Haar, 27. Mai 2008 - Da stehen sie, alle im Schlafanzug. Was die Umgebung macht und denkt, interessiert nicht. Alle starren auf den Bentley Continental GT Speed - mit 326 km/h das schnellste viersitzige Coupé der Welt. Und das beeindruckt auch im Stand. Warum sonst rennen Freunde, bei denen wir abends überraschend vorbeischneien, in voller Bettmontur vors Haus, um das britische Luxusmobil zu erleben? Extravaganz in provozierenden Ausmaßen Die Speed-Variante des Bentley Continental GT unterscheidet sich nur in feinen Details vom Serien-GT. So liegt der Wagen etwas tiefer am Asphalt, der aus ungewöhnlichen Metallelementen bestehende Kühlergrill steht ein wenig steiler im Wind und kommt auf Wunsch in dunklem Aluminium daher. Der Brite ist 4,80 Meter lang, über 2,0 Meter breit und nicht mal 1,40 Meter hoch - die beiden Augenpärchen gucken freundlich, die Seitenlinie wirkt permanent abfahrbereit und aus dem Heck schauen zwei riesige ovale Endrohre mit dem Innenmuster eines gezogenen Gewehrlaufs. Das kommt an. Ausnahmslos jeder reagiert ausgesprochen positiv auf den Wagen. "Gott, ist der schön", hören wir immer wieder. Ehrliche unverfälschte Anerkennung - das entspannt die Atmosphäre. Nichts da mit der ewigen Missgunst, die Sportwagen und Oberklasse-Limousinen aus heimischer Produktion entgegenschlägt. Kann uns diese Ausnahmeerscheinung auch in ihrer Kabine in ihren Bann ziehen? Gesunde Werkstoffe Wie kriegen die das nur hin? Diese Nähte wirken wie Hightech-Präzision. Natürlich sind sie farblich auf den im Innenraum vorherrschenden Kontrast abgestimmt. Helles Leder und dieser bläuliche Schimmer, den unser Bentley auch schon außen auf seinem Blech trägt. Wohin unsere Augen auch blicken: Leder, Holz und Aluminium. Wohltuend natürliche Materialien in dieser immer künstlicher werdenden Welt. Die Sitze sitzen perfekt, auch weil sich die Seitenwangen elektrisch an den jeweiligen Rücken anpassen lassen. Das vordere Gestühl massiert optional das Kreuz der werten Gäste - und es macht seinen Job ganz ausgezeichnet, besser als das der Mercedes S-Klasse. Allerdings hören wir manchmal die Arbeitsgeräusche der Massageapparatur, woran wir uns gewöhnen müssen. Da unser Coupé nur zwei Türen hat, was ja seit der Erfindung des Mercedes CLS keine Selbstverständlichkeit mehr ist, ist zum Erreichen der hinteren Plätze ein wenig Gelenkigkeit gefragt. Sind wir erst mal im Fond, genießen wir Raum und Bequemlichkeit von ganz tiefer Wirkung.

Schwere Qualität Der Wagen wiegt über 2,3 Tonnen - ein VW Crafter Lieferwagen wiegt 300 Kilogramm weniger. Passend dazu die beiden Ganzmetall-Zigarettenanzünder für Front und Fond: Beide liegen richtig schwer in der Hand und prahlen mit der Aufschrift "Made in Germany". Und noch etwas liegt anders in der Hand: Das Lenkrad ist ungewöhnlich dünn. Wir greifen nicht in einen saftig-fetten Lederring sondern in einen harten Kreis. So können wir den Bentley Continental GT Speed prima mit zwei Fingern um die Kurven melken. Den geriffelten Aluminium-Gangwahlhebel lassen wir ebenfalls gerne gegen unsere Handfläche drücken, und es macht einen Riesenspaß, den Bentley-Knopf auf dem Hebel zu drücken, um zum Beispiel in den Rückwärtsgang zu schalten. Schönere Zeit Das Bentley-Logo begegnet uns nicht nur auf dem Wahlhebel für den richtigen Gang. Es sitzt auch noch im Zentrum des Lenkrads und wurde zudem mit geübter Hand in die Rücklehnen unserer Sitze gestickt. Und keinen stört es, ein Bentley kann sich so was erlauben. Noch eine Bemerkung zum Lenkrad: Die schmalen Schaltwippen sitzen ungewöhnlich weit vom Volant entfernt, so dass wir sie nur mit unseren Fingerspitzen erreichen. Außerdem schweben sie in einer Höhe, wo wir den Blinkhebel vermuten - aber das ist alles Gewöhnungssache. Der Drehschalter für die Lichtfunktionen wird komplett von der linken Lenkradspeiche verdeckt, wir müssen einfach wissen, wo er ist. Ansonsten ist alles ergonomisch eingerichtet und sorgt für Entspannung hinterm Steuerrad. Die metallenen Schiebeschalter für die Lüftung lassen ein uriges mechanisches Feeling aufkommen. Das Navi kommt uns aus dem VW Phaeton bekannt vor. Im Fond lassen sich noch zwei formschöne Kleiderhaken aus dem Dach klappen. Und beim Blick auf die serienmäßige Breitling-Uhr haben wir eine schönere Zeit. Auf Luft gebaut Der Bentley Continental teilt sich eine Plattform mit dem VW Phaeton. Und so hat er auch vier große Luftbalge neben den Rädern, die für eine sanfte Federung zuständig sind. Aber der Brite liegt straff auf der Straße, Schlaglöcher sind in Kombination mit den serienmäßig angeschraubten 20-Zoll-Felgen zu spüren. Daran ändert sich auch nichts, wenn wir das verstellbare Fahrwerk per Knopfdruck und Drehregler auf maximalen Komfort einstellen. Allerdings sind alle anderen Garstigkeiten der deutschen Straße wie Eisenbahnübergänge, Querrillen und Risse kein Problem - sie dringen höchstens akustisch ins Innere des Wagens. Zum Wanken in Kurven neigt das gewichtige Gefährt kaum und in der härtesten Federungseinstellung fast gar nicht. In jeder Kurve sind wir erstaunt, wie überaus sportlich der Bentley um die Biege geht. Allerdings spüren wir auf engen Landstraßen-Kurven und geschwungenen Autobahnen die 2,3 Tonnen Lebendgewicht - sie wollen nach außen. Der Unterschied zum reinrassigen Sportler tritt in der Kurve am deutlichsten zutage.

Biss in den Teller Rundum innen belüftet sorgen vorne Scheibenbremsen der Dimension 405 x 36 und hinten immerhin noch 335 x 22 Millimeter für die Umsetzung des Vortriebs in Wärme. Und die mit ihrer Pizzateller-Größe momentan größten Serien-Bremsen am Kfz-Markt werden mit dem ernormen Vorwärtsdrang des GT Speed locker fertig. Kühlt der Wagen von 300 auf 80 km/h runter, haben wir das Gefühl, dass uns jeden Moment ein Fußgänger überholen könnte, so eindringlich ändert sich das Geschwindigkeitsgefühl. Fading ist dem Bremssystem auch nach harten Bergfahrten fremd und wer es richtig krachen lassen will, kauft sich für 14.994 Euro einen Satz Keramikbremsen. Rechtzeitig zum Stehen kommen wir auch mit dem rekordverdächtigen Serienbremssatz, aber die Keramikapparatur bringt halt Prestige und ein gutes Gefühl. Für 200 Euro weniger gäbe es aber auch einen VW Polo 1.4 Trendline - irgendwomit müssen schließlich auch die Hausangestellten fahren. Absolut direkt Und die Lenkung? Um das Fahrzeug auch bei furchteinflößend hohen Geschwindigkeiten präzise auf Kurs halten zu können, hat sich Bentley so einiges einfallen lassen. Ein großer Teil der Aufhängung wird aus besonders leichtem Aluminium gefertigt. Der GT Speed kommt zudem in den Genuss von fest montierten vorderen Hilfsrahmen. Hinzu kommen Radträger aus hochfestem Aluminium und steifere Lagerbuchsen an den Hinterachsen. Es scheint zu wirken: Ist die Straße auch noch so eng und gewunden, das Handling bleibt bemerkenswert genau. Dabei ist das fahrende Stück Luxus kaum mit einer Untersteuerungs-Tendenz unterwegs, was unter anderem an den für die Speed-Version des GT modifizierten Stabilisatoren liegen kann. Deutsches Herz im Briten Seine unbändige Leistung von 610 PS werden dem Briten von einem deutschen Herz eingehaucht: Der W12-Twinturbo stammt von VW. Mit viel Raffinesse wurde er auf 50 PS mehr gebracht als beim Serienmodell ohne "Speed". So werkeln in dem 750-Newtonmeter-Triebwerk leichtere Stößelstangen und eloxierte Kolbenringe, die höhere Drücke aushalten. Wir lassen den Wagen mit dem beinahe die Fahrertür berührenden Zündschlüssel an. Die Musikanten im Motorraum lassen sich nicht bitten, stimmen ein eindringliches Grollen an, was außen deutlich stärker zu vernehmen ist als in der Kabine. Wir drücken den Knopf auf dem Gang-Wahlhebel und ziehen den Griff in die Position "Drive". Dann geben wir Gas.

Kommt wie ein Gewitter Die serienmäßig für die Einteilung der Gänge zuständige Sechsgang-Automatik gönnt sich einen kurzen Moment der Ruhe. Dann kommt der Boom. Über alle vier Räder werden die Momente in den Asphalt geleitet, was nur selten ein ganz kurzes Durchdrehen zur Folge hat. Der Wagen drückt unwirklich nach vorn - die Gegenwart rutscht nach hinten aus den Räumlichkeiten, wir sind für einen kurzen Moment in der Zukunft unterwegs. An der nächsten Ampel löst sich unsere Zeitkapsel wieder auf, die Gegenwart schwappt zurück in die Kabine. Dabei dreht das Orchester im Motorraum kaum auf - der Bentley prollt nicht mit übertriebener Lautstärke rum. In 4,5 Sekunden fällt die Tempo-Hundert-Marke, Schluss mit Geschwindigkeits-Luxus ist erst bei 326 km/h. Nur zum Vergleich: Ein 11er Turbo kommt gerade mal auf 310 km/h. Ran ans Öl 2,3 Tonnen in 4,5 Sekunden auf 100 km/h und maximal 326 km/h - das muss Folgen haben. Beim Bentley steht das gute und natürlich nicht günstige Super Plus auf dem Speiseplan. In unserem Test versanken durchschnittlich 20,2 Liter Sprit in der Wut der Flammen. 396 Gramm CO2 schießen die Gewehrlauf-Endrohre pro Kilometer in die Umgebung, ein immenser Wert. Allerdings kein Grund, in spontanen Hass zu verfallen - der Wagen ist ein seltener Zeitgenosse. Alle Toyota Prius zusammen stoßen tausendmal mehr Kohlendioxid aus als die Summe aller Bentley Continental GT Speed. Und noch ein Tipp: bei 140 km/h passt einfach alles - wir werden von einer Welle der Ruhe getragen, mit jedem geschwebten Meter steigt der Erholungseffekt. Äußere Hektik ist vollkommen abgeschaltet. Konzept der Perfektionierung Die Sechsgang-Automatik spielt mit. Weich beim Cruisen, lässt sie den Motor schön ausdrehen, wenn es um Beschleunigung geht. Beim Runterschalten huscht ein zartes Zwischengas-Grollen in unsere Ohren. Ein Suchen nach dem richtigen Gang oder nerviges Verschalten ist nicht drin - auch an dieser Stelle bleibt der vornehme Brite unbedingt bei seinem Stil: Perfektionismus.
Technische Daten
Antrieb:Allrad
Anzahl Gänge:6
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:Bi-Turbo-Benzin-Motor
Hubraum:5.998
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:12
Leistung:449 kW (610 PS) bei UPM
Drehmoment:750 Nm bei 1.750 UPM
Preis
Neupreis: 205.751 € (Stand: Mai 2008)
Fazit
Der Bentley Continental GT Speed ist mit großartiger Serienausstattung ab 205.751 Euro zu haben. Ist das zuviel? Sicher nicht: Der Mercedes CL 65 AMG hat 612 PS und schlägt mit 221.459 Euro ins Kontor. Solche Preise werden halt in diesen Regionen gezahlt - sonst würde es diese Autos gar nicht geben. Die Hersteller müssen eher aufpassen, dass ein günstigeres Angebot nicht abstoßend wirkt: willkommen in der Welt der Oberklasse. Beim Bentley Continental GT Speed ist den Ingenieuren eine Art technisches Simultaneum gelungen: Das überaus luxuriöse Coupé kann auch sportlich locker überzeugen. Dabei zählt das Potenzial, denn beim Crusien ist der Wagen unvergleichlich. Hier geht es nicht um Bescheidenheit und Askese sondern um ein Gesamtkunstwerk der Luxusklasse. Noblesse und Konsequenz des Stils, technischer Fortschritt und alte Kultur: Wer sich durch harte Arbeit das nötige Geld zusammengespart hat, hat sich einen Bentley Continental GT Speed verdient.
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: auto-news, 2008-05-26

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