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Testbericht

Stefan Grundhoff, 8. Januar 2015
Braucht eine S-Klasse das Maybach-Signet um sich zu krönen? Sicher nicht, doch kein Mercedes ist mehr Mercedes als der Maybach S 600.

So sehr BMW, Audi, Lexus oder Cadillac sich auch strecken; so viele Autos sie verkaufen und so sehr sie sich in die erste Reihe gefahren haben. Das Image, das die Marke mit dem strahlenden Stern umgibt, ist auch 129 Jahre nach dem Patent des Motorwagens einzigartig. Mercedes hat schwere Zeiten hinter sich; Modelle wie Smart, A- oder R-Klasse und nicht zuletzt Maybach floppten und die Konkurrenz zog vorbei. Doch wenn es an einem Modell nichts zu rütteln gibt, ist die Mercedes S-Klasse. Im abgelaufenen Jahr mehr als 100.000 Mal verkauft, düpierte sie einmal mehr die alles andere als schwache Konkurrenz; bevorzugt aus deutschen Landen.

Doch jetzt geht der Spaß erst richtig los. Denn während der Hauptkonkurrent BMW 7er bereits am Horizont zum Gegenschlag ausholt und Audi erste Details des nächsten A8 zeigt, schwingt sich Mercedes mit seiner S-Klasse in völlig neue Höhen hinauf. Die Konkurrenz heißt ab sofort Rolls-Royce und Bentley, denn das nach eigener Aussage beste Auto der Welt hat sich als 5,45 Meter langer Mercedes-Maybach S 600 selbst noch besser gemacht und auf den eigens kreierten Thron gesetzt. Knapp 21 Zentimeter länger als die normale Langversion des S 600 für einen Aufpreis von gut 20.000 Euro - bei solchen Schnäppchenpreisen bekommen Schiffswerften feuchte Augen. Für Luxusyachten gilt die goldene Regel: jeder Meter kostet mindestens eine Million Euro mehr.

Der Mercedes-Maybach ist die luxuriöseste S-Klasse aller Zeiten. Die Liegesitze im belederten Luxusfond lassen keinerlei Wünsche offen. Ein Märchenschloss auf Rädern, eine Sänfte, die ihresgleichen sucht oder schlicht eine Luxuslimousine, die für Passagiere alles bisher da gewesene in einen nicht enden wollenden Schatten stellt. Der Mercedes-Maybach S 600 kann all das, was auch der normale 600er kann; nur eben besser und luxuriöser. Auch ohne Elektromodul ist vom 390 kW / 530 PS starken V12-Triebwerk nicht ein Hauch zu hören. Der Antritt des sechs Liter großen Doppelturbos ist gigantisch. Nicht der Inhaber, sondern allein der Chauffeur hat es in den behandschuhten Händen, dem 2,4 Tonnen schweren Schlachtschiff auf Wunsch die Sporen zu geben. 830 Nm maximales Drehmoment, 250 km/h Höchstgeschwindigkeit und 0 auf 100 km/h in fünf Sekunden haben ebenso keinerlei Bedeutung wie der in Aussicht gestellte Verbrauch von 11,7 Litern. In dieser Liga wird geschwebt, nicht gereist oder gar gefahren.

"Der Mercedes-Maybach ist im Fond das leiseste Auto der Welt", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche und nach ein paar Kilometern im kuschelweichen Leder der Liegesessel ist man der Welt so weit entrückt, dass man den vor zwei Jahren eingestellten Flop der Maybach-Modellreihe fast vergessen hätte. Auch hier gab es Luxus vom feinsten mit allerdings betagter Technik und wenig Konzernenthusiasmus, in die Daimler‘sche Submarke zu investieren. Bleibt die Frage, wieso Mercedes für die Krönung seines besten Stücks das verblichene Maybach-Signet ein weiteres Mal aus der Schublade holt? Gerade auf den Hauptmärkten in Asien, den USA oder den Arabischen Emiraten kennt den Namen und die Maybach-Historie niemand. Und braucht eine S-Klasse, die einem ganzen Segment ihren Namen gegeben hat, einen solchen Nomenklatur-Steigbügel? Zumal die S-Klasse in diesem Jahr noch eine zweite Krönung erfährt, wenn eine noch längere und noch luxuriösere Langversion mit dem Namen Mercedes-Maybach S600 Pullman auf den Markt kommt. Purer Buchstabensalat, der sich nur partiell auf dem Heckdeckel widerspiegelt.

Ändert nichts daran, dass der Mercedes-Maybach sich längst nicht mehr mit BMW 7er, Jaguar XJ, Audi A8 oder Lexus LS misst. Nicht nur das gigantische Platzangebot, der spektakuläre Reisekomfort oder die versilberten Champagnerkelche für 3.808 Euro Aufpreis erheben das Luxusmodell in eine Liga der Schönsten und Reichen, die längst nicht mehr selbst ins Steuer greifen müssen. Sie werden sich am nahezu grenzenlosen Luxus des Maybach laben und wundern, wieso sich die beiden Bildschirme im Fond nicht herausnehmen und als Tablet bedienen lassen. Mit der Tastenfernsteuerung oder einer App für iPhone oder iPad will niemand die zahllosen Funktionen der Zehnzöller bedienen, die vom Webzugang über Hot-Stone-Massage bis zur Bedienung der Gegensprechanlage mit den Fahrer reichen.

Was bleibt ist der Preis und der ist die eigentliche Schau. Kostet die Normalversion des Mercedes S 600 mindestens 165.112 Euro, so gibt es die Lümmellandschaft, mehr Ausstattungsdetails und 20 Zentimeter mehr Beinfreiheit ab 187.841 Euro. Dafür sind weder Rolls-Royce Ghost / Phantom noch Bentley Flying Spur / Mulsanne zu erstehen und keiner bietet den modernen Reisekomfort des Schwaben, der eben mehr Mercedes ist als jeder andere. Und wer will, kann den Maybach-Schriftzug am Heckdeckel und das doppelte M auf der C-Säule kostenlos entfernen lassen. Vielleicht nicht die schlechteste Wahl. Nomen ist Omen.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2015-01-08

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