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Testbericht

17. Juni 2008
Kopenhagen (Dänemark), 17. Juni 2008 - Bioethanol als Kraftstoff hat in letzter Zeit eine eher schlechte Presse. In Zeiten knapper Nahrungsmittel sei es unverantwortlich, Weizen zu Sprit zu verarbeiten. Und in Südamerika sowie Asien werden Regenwälder abgeholzt, um Platz zu machen zugunsten des Anbaus von Pflanzen für die Kraftstoffproduktion, so die Kritiker. Wir haben uns die Ansichten von Volvo zum Thema angehört und sind eine Runde mit dem neuesten Bioethanol-Modell aus Schweden gefahren: dem S80 2.5FT mit E85 aus brasilianischem Zuckerrohr. Bekannter 2,5-Liter-Turbo Der 2,5-Liter-Benziner mit Turbo ist aus dem S80 bekannt und aus zahlreichen anderen Modellen des Ford-Konzerns. Nun gibt es ihn auch in einer Bioethanolversion für die Obere Mittelklasse von Volvo, im Kombi V70 und in der Limousine S80. Beim Fahren merkt man keinen Unterschied zur normalen Version. Das Aggregat liefert guten Schub und der lässt auch, wie bei einem Turbobenziner nicht anders zu erwarten, nie nach. 300 Newtonmeter Drehmoment bei 1.500 bis 4.500 Touren sind ein Wort. Damit ist der Antrieb eine mehr als angemessene Motorisierung für die 1,6 Tonnen schwere Limousine. Zu sportlichem Fahren wie im Ford Focus ST, der von der gleichen Maschine angetrieben wird, verleitet er allerdings nicht. Der Motorsound bleibt dezent, und nur im oberen Tourenbereich bekommt man ein ansatzweise aggressives Knurren zu hören. Aber im Ganzen ist dies eben eine Limousine und kein Sportwagen. Dazu passt die Automatik, die in unserem Fahrzeug verbaut war. Sie lässt sich zwar auch manuell schalten, aber nicht über Paddles, sondern nur per Wahlhebel - und wer tut das schon?

Gleiche Leistung wie bei der Normalvariante Die Bioethanol-Version, bei Volvo Flexifuel genannt, bringt haargenau die gleiche Leistung wie die Normalversion: 200 PS. Daran kann man schon ein wenig von der Bioethanol-Philosophie von Volvo ablesen. Denn beim anderen schwedischen Hersteller, bei Saab, sind die Bioethanol-Fahrzeuge stets stärker als die Benzinversionen. Und zwar nicht nur hinter dem Komma: Mit Benzin gefahren, ist etwa der Saab 9-5 2.3t nur 185 PS stark, mit der üblichen Ethanol-Benzin-Mischung E85 aber gleich 210 PS. Woher das kommt? Nun, eigentlich ist es normal, dass ein Motor mit Ethanol mehr PS hat. Denn der Alternativkraftstoff ist klopffester als Super; deswegen kann man die Verdichtung erhöhen und holt mehr Leistung aus dem gleichen Hubraum. Zusätzlich kann man den Ladedruck des Turbos höher schrauben, wodurch sich ebenfalls mehr Leistung ergibt. "200 PS sind genug" Volvo macht sich diese Tatsachen allerdings nicht zunutze und sagt einfach: 200 PS sind genug für den S80. Das klingt nach Verzicht. Warum nicht mehr Leistung aus dem Motor holen, wenn es nichts kostet? Volvo schielt hier auf den Verbrauch bei höheren Drehzahlen. Mehr PS würden nur ein Lächeln ins Gesicht des Tankwarts zaubern, so die Argumentation des Herstellers. Deshalb wird die Mehrleistung elektronisch abgeregelt. Wo wir schon beim Stichpunkt Verbrauch sind: Volvo gibt den Durst der Schaltversion mit 9,2 Liter Super auf 100 Kilometer an. Das geht in Ordnung, denn der Verbrauch stimmt genau mit dem Wert des Konkurrenten Mercedes E 230 überein. Die Automatikvariante - die es auch bei der Bioethanolversion gibt - verlangt allerdings 10,1 Liter für 100 Kilometer Fahrarbeit, und hier ist der Mercedes mit 9,4 Liter deutlich sparsamer. Das liegt wohl auch daran, dass bei Volvo sowohl Schalt- als auch Automatikversion sechs Gänge haben, während bei den Stuttgartern eine Siebengang-Automatik arbeitet.

Momentan spart man Geld beim Tanken Die diskutierten Werte beziehen sich auf den Betrieb mit Benzin. Wenn man mit E85 fährt, benötigt man aufgrund der niedrigeren Energiedichte etwa 35 Prozent mehr Kraftstoff. Ein Minusgeschäft ist das Alkohol-Tanken jedoch trotz höherem Verbrauch nicht, denn Bioethanol ist günstiger als Super - es kostet bei uns in Deutschland zwischen 82 und 98 Cent pro Liter. Rechnet man den geringeren Energieinhalt ein, liegen die Kosten bei etwa 1,25 Euro pro Liter. Verglichen mit Super, das derzeit etwa 1,50 Euro kostet, spart man zurzeit durchaus etwas Geld. Ein genauerer Vergleich der Gesamtkosten lässt sich auf der Internetsite www.adac-autokosten.de anstellen. Dabei werden nicht nur Fixkosten, Betriebskosten sowie Werkstatt- und Reifenkosten, sondern auch der Wertverlust einbezogen. Beim Vergleich des S80 2.5FT Kinetic mit der Benzinversion ergibt sich für eine fünfjährige Haltedauer und 20.000 Kilometer Jahresfahrleistung bei einem Ethanolpreis von 90 Cent je Liter eine jährliche Ersparnis von immerhin etwa 580 Euro. Die Bilanz hängt jedoch sehr von der Ölpreisentwicklung ab. Außerdem gibt es in Deutschland nur etwa 160 Tankstellen mit E85-Säule. Zum Vergleich: Selbst vom wahrlich nicht an jeder Ecke verfügbaren Kraftstoff Erdgas gibt es bundesweit etwa 800 Tankstellen, also fünfmal mehr. Das heißt: In der Praxis wird man keine Tankstelle einfach so per Zufall finden; selbst wenn man weiß, wo die nächste ist, wird man etwas fahren müssen. Ab 38.020 Euro Der S80 2.5FT ist ab 2009 wie die normale Benzinerversion in den Ausstattungen Kinetic, Momentum und Summum zu haben. Auch sonst unterscheidet sich die Flexifuel-Variante nicht. So ist das Fahrwerk eher auf Komfort abgestimmt. Der Kofferraum liegt mit 480 Liter Volumen etwas unter dem der Mercedes E-Klasse. Dafür ist aber auch der Preis etwas niedriger: Während man bei den Stuttgartern für den E 230 mindestens 41.650 Euro zahlt, ist die Einstiegsversion Kinetic beim S80 2.5T mit Schaltgetriebe schon für 37.620 Euro zu haben. Dies bezieht sich auf die Benzinversion, doch die Bioethanol-Variante kostet bei Volvo nur 400 Euro mehr, beginnt also bei 38.020 Euro. Mit der Automatik zahlt man 2.050 Euro mehr. Groß ist der Aufpreis der E85-Version also nicht. Verzichtet man auf ein Extra wie größere Felgen, so hat man den Mehrpreis leicht wieder drin.
Technische Daten
Antrieb:Frontantrieb
Anzahl Gänge:6
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:Otto-Reihenmotor, DOHC
Hubraum:2.521
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:5
Leistung:147 kW (200 PS) bei UPM
Drehmoment:300 Nm bei 1.500-4.500 UPM
Preis
Neupreis: 40.070 € (Stand: Juni 2008)
Fazit
Die Absatzerwartungen von Volvo für die neue Bioethanolvariante des S80 sind bescheiden: Gerade mal zwei Prozent der Ottomotoren sollen in Deutschland Flexifuel-Aggregate sein. E85 ist also ein Außenseiter-Sprit. Und Recht haben die Leute: Es ist fraglich, ob Bioethanol der richtige Weg ist. Denn bisher blieb ungeklärt, ob Alkohol wirklich umweltfreundlicher ist als das Super, das der Nachbar verwendet. Das Abholzen von CO2-minderndem Urwald für den Anbau von Spritpflanzen sowie die unklare CO2-Bilanz von Bioethanol aus heimischen Pflanzen sind Stichworte.

Wenn gesichert wäre, dass "Bioethanol" auch wirklich "Bio" ist, sähe die Sache anders aus. Den Weg dahin könnte Ethanol aus der Lignozellulose von Holz oder Stroh weisen. Oder die Zertifizierung des Kraftstoffes, wie sie in Schweden gerade von der Firma Sekab auf die Beine gestellt wird. Kontrolleure sollen dabei sicherstellen, dass ökologische und soziale Mindestkriterien bei Produktion und Verteilung eingehalten werden. Apropos Verteilung: Ein K.-O.-Argument gegen Bioethanol ist derzeit noch das löchrige Tankstellennetz. Es gibt aber auch ein Argument für Bioethanol: Derzeit kann man wegen des geringen Aufpreises der E85-Version und wegen der hohen Benzinpreise mit Bioethanol Geld sparen. Und so wie wir den Ölpreis kennen, wird er in Zukunft eher steigen als fallen ...
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: auto-news, 2008-06-17

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