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Testbericht

21. Dezember 2006

Palma de Mallorca (Spanien), 18. Dezember 2006 – Auto fahren oder einfach schweben, das ist hier die Frage. So könnte Hamlet seinen Dialog beginnen, nachdem er dem neuen Lexus-Topmodell entstiegen ist. Denn im LS 460 ist Auto fahren kaum mehr eine körperliche Tätigkeit. Was früher mal richtig Arbeit war – schalten, lenken, bremsen, Gas geben – übernimmt hier oft schon die Elektronik. Wir haben die neue, 380 PS starke S-Klasse-Alternative für Sie getestet, um zu sehen, was dem Menschen noch zu tun bleibt. Sicherheit hat Prio eins Lexus stellt beim komplett neu entwickelten Nachfolger des LS 430 die Sicherheit ganz in den Vordergrund. Hier wirkt das Vorbild Mercedes: Die S-Klasse war lange Zeit Vorreiter in Sachen Sicherheit, mit Hightech-Innovationen wie dem Crashsicherheitssystem Pre-Safe und ähnlichem. Doch Lexus hat nicht nur aufgeholt, sondern überholt. Gleich vier neue Sicherheitssysteme erleben im LS 460 ihre Weltpremiere. Die Basis für diese Innovationen bildet das Pre-Crash-Safety-System PCS, das schon im Vorgänger arbeitete und in etwa dem Pre-Safe-System der S-Klasse entspricht. Mit einem Mikrowellen-Radarsensor im Kühlergrill erfasst es Hindernisse vor dem Fahrzeug. Wenn eine Kollision bevorsteht, aktiviert das System die Gurtstraffer, den Bremsassistenten und erhöht die Dämpferhärte der vorderen Stoßdämpfer, um ein starkes Eintauchen der Fahrzeugfront zu vermeiden. Objekterkennung auch mittels Infrarotkamera Beim neuen LS und seinem Advanced-PCS geht Lexus aber einen Schritt weiter – nein, mehrere Schritte. Die erste Weltneuheit ist die Objekterkennung via Infrarotkamera. Hintergrund: Der Radarstrahl des PCS erkennt zwar harte Hindernisse wie Autos oder Mauern gut, wird aber von Fußgängern und Tieren kaum reflektiert wird. Die Wärmebildkamera identifiziert auch diese „weichen“ Hindernisse. Wird eine Gefahr erkannt, warnt das System den Fahrer akustisch und optisch. Darauf aufbauend wäre eine Nachtsichtfunktion wie bei Mercedes oder BMW möglich; diese wird aber von Lexus vorerst nicht angeboten. Die Beschränkung auf eine Warnung erscheint aber sinnvoll, denn ein zusätzliches Bild könnte den Fahrer leicht ablenken.

Weltneuheit 2: Notfall-Lenkassistent Neuheit Numero zwo ist der Notfall-Lenkassistent. Was bei den Bremsen schon länger Standard ist (Stichwort Notbremsassistent), kommt nun auch bei der Lenkung. Hintergrund: In Notsituationen bremsen viele Fahrer zu schwach, und sie weichen auch nicht beherzt genug aus. So unterstützt nun der Lenkassistent den Fahrer aktiv bei Ausweichmanövern. Im Notfall wählt er die für blitzschnelles Ausweichmanöver optimale Lenkübersetzung, sodass auch zaghafte Fahrer einem Hindernis schnell und sicher ausweichen können. Weltneuheit 3 hilft bei Ablenkung Mit Neuheit Nummer 3, dem Gesichtsfeldmonitor, kommt weltweit erstmals ein System zum Einsatz, das abgelenkte Fahrer warnt. Eine auf der Lenksäulenabdeckung montierte Kamera mit Infrarotsensoren erfasst die Blickrichtung des Fahrers. Wenn er den Kopf zur Seite dreht und die Objekterkennung gleichzeitig ein Hindernis feststellt, wird der Fahrer akustisch und optisch sowie mit einem leichten Bremsimpuls gewarnt. Anschließend werden Brems- und Lenkassistenten aktiviert und die Dämpferhärte erhöht. Wenn der Fahrer nicht reagiert und ein Aufprall unvermeidlich ist, strafft das System die Sicherheitsgurte und leitet eine Notbremsung ein – wohlgemerkt eine Notbremsung, keine Vollbremsung. Denn Lexus befürchtet Schadensersatzansprüche, falls das System einmal mit einer Entscheidung für eine Vollbremsung falsch liegen sollte. Weltneuheit 4: Heck-Pre-Crash-Safety-System Eine weitere Novität: Das Sicherheitssystem erfasst mit einem Mikrowellenradar am Heck erstmals auch die Situation hinter dem Fahrzeug. Erkennt das System einen drohenden Auffahrunfall, nehmen die vorderen Kopfstützen automatisch die optimale Position zum Hinterkopf ein, um die Gefahr eines Halswirbelschleudertraumas zu minimieren. Die ideale Position der Kopfstütze wird durch einen speziellen Sensor in der Kopfstütze erfasst.

Besonders dezentes Sicherheitssystem Der aktiven Sicherheit dient das Fahrdynamik-Management VDIM (Vehicle Dynamics Integrated Management). Das System vernetzt die Bremsen, das ABS, die elektronische Bremskraftverteilung und die Antriebsschlupfregelung sowie das ESP mit dem adaptiven variablen Fahrwerk AVS, der elektrischen Servolenkung und der variablen Lenkübersetzung VGRS (Variable Gear Ratio Steering). VDIM soll früher eingreifen als herkömmliche ESP-Systeme. Der Eingriff muss deswegen dann auch nicht so brutal erfolgen. Es nimmt nicht nur Einfluss auf die Kraftübertragung, sondern auch auf die Leistungsabgabe des Motors und sogar das Automatikgetriebe. Abstandshalter Auch die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage ACC trägt zur Sicherheit bei: Ist das System eingeschaltet, wird automatisch der Abstand zum Vordermann eingehalten. Folgt man seinem Vordermann allerdings in eine Kurve und bremst dieser, muss man doch selber eingreifen. Denn naturgemäß kann das Radarsystem nicht um die Ecke gucken. Weiterer Nachteil: Das System wird bei etwa 40 km/h deaktiviert – das Bremsen bis zum Stand bleibt also dem Fahrer überlassen. Und nicht nur die Abstandsfunktion wird bei niedrigem Tempo deaktiviert, sondern auch der Tempomat. Er lässt sich also nicht für Tempo-30-Zonen einsetzen. Lenken aus rechtlichen Gründen? Ein weiteres Sicherheitssystem ist der Spurhalteassistent. Zwischen 45 und 170 km/h gibt er ein Warnsignal ab, wenn der LS 460 die Fahrspur verlässt, ohne dass der Blinker gesetzt ist. Zusätzlich alarmiert ein Lenkimpuls den Fahrer. Dass das Auto aus der Bahn kommt, stellt es mithilfe von Kameras fest, welche die Markierungen am Fahrbahnrand beobachten. Ist der Abstandshalte-Tempomat eingeschaltet, lenkt sich der LS sogar aktiv wieder in die Spur zurück. Man kann also auf der Geraden die Hände vom Lenkrad nehmen. In der nächsten Kurve kurbelt das System selbstständig am Lenkrad – Lenken überflüssig. Grundsätzlich freihändig fahren kann man aber nicht, denn das System schaltet sich nach wenigen Eingriffen mit einem Warnton ab. Dennoch: Als Fahrer hat man fast den Eindruck, nur noch aus Gründen der rechtlichen Haftung bei Unfällen lenken zu müssen. Technisch käme der LS auch ohne Fahrer ganz gut zurecht.

Elektronik en masse Auch sonst hat der Lexus jede Menge Elektronik an Bord. Beim Einparken unterstützt die serienmäßige Einparkhilfe oder auf Wunsch ein automatisches Einparksystem. Es wurde gegenüber dem System im Prius von Konzernmutter Toyota verbessert. Allerdings muss die Parklücke immer noch gigantisch groß sein, um es nutzen zu können. Zur Demonstration wählte Lexus einen Parkplatz, der zwei Meter länger war als der LS, also sieben Meter – so große Parklücken sind in den meisten Innenstädten extrem selten. Zu den weiteren Sicherheitsmerkmalen zählen Bi-Xenonscheinwerfer mit dynamischem Kurvenlicht und eine Reifenluftdruck-Überwachung – auch für das Ersatzrad. Neuer 4,6-Liter-V8 mit Achtstufenautomatik Aber auch unter der Motorhaube hat der neue LS einiges zu bieten. Er wird von einem komplett neu konstruierten 4,6-Liter-V8 angetrieben. Zu den Besonderheiten zählen die kombinierte Saugrohr- und Direkteinspritzung D-4S, die im GS 450h Premiere hatte, sowie die duale variable Ventilsteuerung Dual VVT-i. Letztere variiert stufenlos die Steuerzeiten der Ein- und Auslassventile. Mit einer Spitzenleistung von 380 PS bei 6.400 U/min und einem Drehmomentmaximum von 493 Newtonmetern bei 4.100 Touren übertrifft der Achtzylinder das bisherige 4,3-Liter-Aggregat in der Leistung um 35 und beim Drehmoment um 18 Prozent. Für den Sprint von null auf 100 km/h benötigt der LS 460 genau 5,7 Sekunden. Für die Praxis wichtiger ist wohl die auffallende Laufruhe des Aggregats: Man hört den Motor im Leerlauf kaum. Der für den Sommer 2007 angekündigte LS 600h mit Hybridantrieb kann kaum mehr leiser sein. Auch während der Fahrt bleibt der Lexus sehr leise. Beim Verbrauch gleichauf mit Mercedes Den Durchschnittsverbrauch gibt Lexus mit 11,1 Litern Super auf 100 Kilometer an. Damit wurde der Durst gegenüber dem Vorgänger LS 430 (12,1 Liter) deutlich gesenkt, obwohl die Leistung um rund 100 PS stieg. Der Wert ist realistisch, denn unser Bordcomputer zeigte auf der Testfahrt Werte zwischen 11,5 und 12,5 Litern an. Mit diesen Werten liegt Lexus etwa gleichauf mit Mercedes, denn der etwa gleich starke S 500 braucht 11,7 Liter. Die Nase vorn hat Lexus beim Getriebe, denn während der S-500-Motor mit einer Siebengang-Automatik gekoppelt wird, ist der LS 460 das erste Serienfahrzeug mit Achtstufenautomatik. Die zusätzlichen Getriebestufen sollen die Beschleunigung in den unteren Gängen verbessern und in den oberen Fahrstufen Sprit sparen. In der Praxis spürt man die Gangwechsel im LS 460 kaum mehr. Wer will, kann aber auch manuell am Wahlhebel herauf- oder herunterschalten.

Luftfederung mit Niveauautomatik Die Luftfederung mit automatischer Niveauregulierung und das adaptive variable Fahrwerk AVS passen die Fahrwerksabstimmung stufenlos an die Fahrsituation an. Der Fahrer kann zwischen Normal-, Komfort- und Sportmodus wählen. Im Sportmodus wirkt das Auto schön straff – das war unser Lieblingseinstellung. Die variable Lenkübersetzung VGRS passt die Lenkübersetzung stufenlos der Geschwindigkeit an. Das System arbeitet unauffällig, und die Lenkung überzeugt. Als eines der ersten Serienfahrzeuge in der Oberklasse verfügt der LS 460 außerdem über ein besonders schnell ansprechendes "by-wire"-Bremssystem. Der Innenraum des Lexus bietet viel Leder und rötliches, lackiertes Holz. Auf Letzteres würden wir gerne verzichten, da die glatten Oberflächen uns zu sehr an Plastik erinnern. Das jedoch ist kein Lexus-spezifischer Kritikpunkt, sondern eine Frage des Geschmacks. Die Instrumente gefallen ebenso wie die Sitze. Im Fond ist enorm viel Platz und der Kofferraum bietet mit rund 500 Litern das klassenübliche Volumen. CD-Wechsler und Navi serienmäßig Zum Öffnen, Starten und Schließen des LS 460 ist lediglich der elektronische Schlüssel nötig. Die Türen ver- und entriegeln bei Berührung, und der Motor startet per Tastendruck. Das lederbezogene und elektrisch justierbare Multifunktionslenkrad schwenkt beim Ein- und Aussteigen automatisch ein und wieder aus. Mit dem Touchscreen in der Mittelkonsole lassen sich Audioanlage, Klima und das DVD-Navigationssystem steuern. Serienmäßig hat der LS 460 einen Sechsfach-CD-Wechsler. Wem die Serienausstattung nicht ausreicht, der kann sich für die Ausstattungslinien Ambience oder Impression entscheiden.

10.000 Euro billiger als entsprechende S-Klasse Der LS 460 ist für 82.000 zu haben, wobei die erhöhte Mehrwertsteuer berücksichtigt ist. Denn der Marktstart ist Anfang 2007, auch wenn ausgewählte Kunden schon jetzt den Oberklasse-Lexus fahren können. Lexus vergleicht den LS mit dem hubraumgleichen Mercedes S 450, der schon für etwa 79.000 Euro zu haben ist. Der ist allerdings 40 PS und 33 Newtonmeter schwächer als der LS. Ein passenderer Vergleich ist aus unserer Sicht der gleich starke S 500, und der kostet inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer runde 92.000 Euro, ist also glatt 10.000 Euro teurer. Und das, obwohl der Lexus ähnlich ausgestattet und technisch mindestens auf dem gleichen Niveau liegt. (sl)

Technische Daten
Antrieb:Heckantrieb
Anzahl Gänge:8
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:Otto-V-Motor, 90 Grad
Hubraum:4.608
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:8
Leistung:280 kW (380 PS) bei UPM
Drehmoment:493 Nm bei 4.100 UPM
Preis
Neupreis: 82.000 €
Fazit

Dass Lexus den LS mit dem günstigeren, aber nicht ganz gleichwertigen S 450 vergleicht, zeigt, dass die Marke nicht als Billigheimer gelten mag. Dann lieber teurer als Mercedes sein. Doch im Vergleich mit dem gleich starken S-Klasse-Modell zeigt sich, dass der Lexus ein günstiges Angebot ist. Vom technischen Niveau ist der Lexus dem Auto mit dem Stern gewachsen. Besonders die Laufruhe des Motors beeindruckt; das Fahrwerk gibt ebenfalls keinen Ansatzpunkt für Kritik. Auch die Ausstattung ist vergleichbar. Nur vom Bekanntheitsgrad kann Lexus nicht mithalten. So will die Marke gerade mal 300 Stück pro Jahr vom LS 460 verkaufen, dazu sollen nochmal so viele Hybrid-LS kommen. Von der S-Klasse wurden von Januar bis November 2006 fast 10.000 Stück verkauft. Lexus hat also Aufholpotenzial. Unter anderem angesichts des Preises spricht einiges für die fernöstliche Alternative.

Testwertung
5.0 von 5

Quelle: auto-news, 2006-12-21

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