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Testbericht

Sebastian Viehmann, 9. August 2011
AMC Pacer? Was soll denn das sein? Wenn Gaby Sprotte mit ihrem Auto um den Bodensee fährt, werden die Augen der Passanten groß. Der herrlich skurrile Pacer ist der untypischste Ami-Schlitten, den es je gab.

Der amerikanische Traum ist zerplatzt wie eine Seifenblase: Dauerkrise, Rekordschulden, Arbeitslosigkeit. Es ist nicht die erste Knick im American Way of Life. In den 70er Jahren wirbelten die Ölkrisen das Land durcheinander und hinterließen auch in der Autoindustrie tiefe Spuren. Die Designer schauten in ihre Glaskugeln und versuchten herauszufinden, was die Menschen im Post-Straßenkreuzer-Zeitalter wohl von einem Auto erwarten würden. Im Zuge des „Downsizing“ plumpsten in Detroit hilflose Geschmacksverirrungen vom Band, die nur einen Vorteil hatten: Der Rost ließ sie schnell wieder von der Bildfläche verschwinden. Nur ganz wenige US-Autos der späten 70er erreichten Kultstatus. Eins davon ist der Pacer.

Wenn Gaby Sprotte aus dem Bodenseekreis ihren kupferfarbenen Exoten ausführt, stehen die Münder der Passanten offen. Auf dem Supermarkt-Parkplatz hagelt es neugierige Fragen, Leute streicheln über das üppig verglaste Hinterteil des Wagens und freuen sich an den in kleinen Chromfächern verborgenen Scheinwerfern. Wenn der Blick zum Schriftzug an der Heckklappe geht, bleibt allerdings nur Stirnrunzeln: AMC? Was ist das denn? Hierzulande würde den AMC Pacer wohl niemand kennen, wenn er nicht durch den kultigen Blödel-Streifen „Wayne’s World” zumindest auf der Kinoleinwand aufgetaucht wäre. Das Auto ist eine Blech gewordene Schlaghose, ein knallbunter Gruß aus den 70ies, mit dem man in schönen Erinnerungen an diese Zeit schwelgen und die schlimmen verdrängen kann.

1975 war die American Motors Corporation (AMC) der letzte verbliebene Autobauer, der nicht zu Detroits „Big Three” (General Motors, Ford und Chrysler) gehörte. Packard, Studebaker und Co. hatten längst die Segel gestrichen. AMC sollte in den 80ern das gleiche Schicksal ereilen, doch vorher vermachte das Unternehmen dem automobilen Kuriositätenkabinett noch ein paar echte Schmankerl. Den Hornet zum Beispiel, ein sportliches Coupé, das im James Bond-Film „Der Mann mit dem goldenen Colt“ einen spektakulären Korkenzieher-Salto drehen durfte. Und den Gremlim, einen derart hässlichen Kleinwagen, dass er es als Spottobjekt sogar in eine Episode der „Simpsons“ geschafft hat.

Die unbestrittene Krönung folgte aber 1975 mit dem Pacer. Die Technik des Autos war konventionell, statt des ursprünglich geplanten Wankelmotors gab es Sechszylinder und sogar einen V8. Doch die Karosserie, die zu einem Drittel aus Glasflächen bestand, war ein echter Knüller. Und das ist sie noch heute. Wenn sich Gaby Sprottes Golden Retriever gemütlich im Kofferraum ausbreitet, fühlt er sich wahrscheinlich wie in Fisch im Aquarium.

Der Pacer sieht zwar aus wie ein Kompaktwagen, doch er ist breiter als eine S-Klasse. Die PR-Strategen des Autobauers ersannen denn auch den Werbeslogan „The first wide small car“ – klein aber breit. Bei einer Präsentation parkten die AMC-Leute einen Chevrolet Nova in einer Fiberglas-Nachbildung des Pacer, um seine Größe zu zeigen. Und nicht nur die Form des Wagens war erfrischend anders. Die Beifahrertür des Pacer ist 20 Zentimeter länger als die Fahrertür, was den Einstieg in den Fond enorm erleichtert.

Das gläserne Raumwunder sorgte schnell für Schlagzeilen. „Mit diesem Auto will man offenbar die klaustrophobischen Amerikaner für Kleinwagen begeistern“, wunderte sich ein Reporter der US-Fachzeitschrift Car & Driver. Im Test kam der Pacer nicht wirklich gut weg, das Magazin monierte Bremsweg, Beschleunigung und das hohe Gewicht. Aber das Auto sei auch liebenswert: „Viele werden das instinktive Bedürfnis haben, sich den Pacer nach Hause zu holen und damit zu spielen wie mit einem Quietsche-Entchen“, glaubte Car & Driver.

Die Amerikaner sahen das offenbar ähnlich. Zunächst wurde der 3299 US-Dollar teure Pacer nämlich ein Verkaufsschlager. Das in dieser Klasse gewaltige Platzangebot zog. Die Kunden zahlten willig Aufpreise für allerlei Extras, bestellten ihren Pacer in fröhlichen Farben wie „Alpaca Brown“ oder „Firecracker Red“ und konnten sich sogar für falsche Holzverkleidungen an den Flanken erwärmen. Doch der Pacer saß etwas unbeholfen zwischen den Stühlen: Für ein sparsames Auto waren die Motoren zu durstig, für ein sportliches mit 90 bis 120 PS aber reichlich schwach für den dicken Hintern des Pacer. 1979 war nach ein paar Facelifts das letzte Jahr für Amerikas ungewöhnlichen Breit-Kleinwagen. Einen Nachfolger gab es nicht, 1987 wurde AMC von Chrysler geschluckt.

Gaby Sprotte ist der skurrile Pacer so ans Herz gewachsen, dass sie ihn als Alltagsauto benutzt. Der Wagen spiegelt sogar ihre Persönlichkeit wider: „Dieses Auto hat eine interessante Biographie mit vielen Wendungen, genau wie ich“, sagt die ehemalige Finanzbeamtin, die heute als Autorin und Künstlerin arbeitet.

Quelle: Autoplenum, 2011-08-09

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