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Autoplenum, 2010-03-03

Die Messeauftritte - Reich trifft arm

Testbericht

Stefan Grundhoff

In der einen Ecke der Messehalle jubeln hunderte von Besuchern Audi-
Chef Rupert Stadler und Justin Timberlake entgegen. 250 Meter weiter
herrscht am Stand von Saab und Mitsubishi gähnende Leere. Der 80.
Genfer Salon ist eine Messe der Gegensätze.

Der renommierte Automobilsalon in Wurfweite des Genfer Flughafens hat
gerade erst seine Türen geöffnet, da strahlt das Opel-Messeteam mit den
gleißend hellen Deckenscheinwerfern um die Wette. General Motors will
1,9 Milliarden in die Marke Opel stecken. Wer interessiert sich da noch für
den schmucken Meriva und die sehenswerte Studie des GT/E Flextreme?
Ein Auftakt nach Maß auf der diesmal wohl wichtigsten Automesse des
Jahres – für Opel sowieso. Doch GM-Milliarden hin und Steuergelder her -
die Schere zwischen einzelnen Herstellern geht immer weiter
auseinander. Nirgends sieht man das deutlicher als auf dem Genfer
Automobilsalon.

Die Stimmung im Messezentrum Palexpo ist besser als bei den weltweiten
Veranstaltungen der letzten zwei Jahre. Niemand jubelt, aber es geht
spürbar wieder aufwärts nach einem Jahr der Entbehrungen. Zwar wird
2010 weltweit betrachtet für die meisten Hersteller kaum viel besser als
das Vorjahr werden; aber die Talsohle sehen die meisten Genf-Aussteller
von A wie Alfa Romeo bis Z wie Zagato erreicht. Doch wie bei kaum einer
Messe zuvor bildet sich eine Drei-Klassen-Gesellschaft heraus. Die
Unterschiede in der Außendarstellung sind gigantisch.

In der Klasse eins ist an sich kaum mehr als der Volkswagen-Konzern zu
finden. Die Seriensieger aus Wolfsburg machen derzeit scheinbar alles
richtig. Markenaufteilung, Produkte, Design, Budget und Technologie sind
den meisten Konkurrenten weit voraus – das Selbstbewusstsein sowieso.
Das gefällt den Verantwortlichen im Hause Volkswagen, deren Mitarbeiter
nicht zuletzt wegen der Konzernheimat im wenig ansehnlichen
Niemandsland von Niedersachsen belächelt wurden. Richtung München,
Köln, Frankfurt oder Stuttgart stehen die Wolfsburger mit einem breiten
Lächeln da. Nicht erst, seitdem der lokale Fußballverein im vergangenen
Jahr deutscher Meister wurde – nicht zuletzt mit tatkräftiger
Unterstützung von Hauptsponsor VW.

Auch in der Schweizer Metropole haut der Volkswagen-Konzern mächtig
auf den Putz und regiert in einer eigenen, ersten Klasse. Wer die
Messestände von ehemals ähnlich positionierten Volumenmarken wie
VW und Opel vergleicht, dem tränen nicht nur auf dem Messegelände
Palexpo die Augen. Während es bei Opel mit ein paar eng gedrängten
Ausstellungsfahrzeugen und dem Messe-Evergreen Ampera
vergleichsweise zurückhaltend zugeht, strahlt der VW-Stand rund 150
Meter gegenüber so sehr, dass man sich als Besucher fast die
Sonnenbrille aufsetzen muss. Dabei sind Stand und Messeauftritt der
Wolfsburger nur der zweite Aufguss. Die echte Party hat Volkswagen
mit allen seinen Konzernmarken bereits am Vorabend des
Automobilsalons gefeiert. Als die Genfer Messeführung vor Jahren
muckte und den VW-Marken nicht die besten Präsentationszeiten
zusichern wollte, organisierten die Niedersachsen ihre eigene kleine
Messe. Die konzerneigene Leistungsschau in einer großen Halle rund
einen Kilometer vom Genfer See erscheint seither wie eine eigene,
längst nicht kleine Messe. Wer erinnert sich nicht an Motorama, den
automobilen Wanderzirkus von General Motors in den 50er und 60er
Jahren?

Nicht ganz unabsichtlich dreht die Volkswagen-Gruppe den
Fremdfabrikaten gerade mit kostenintensiven Messen und Events eine
schmerzhafte Nase. Mercedes und BMW stehen allenfalls in Klasse 1b,
können sich mit durchaus ansehnlichen Messeständen noch ganz redlich
aus der Affäre ziehen, aber danach sieht es zumeist düster aus. Zu allem
Überfluss belassen es Konzernmarken wie VW, Audi, Seat, Skoda, Porsche
oder Lamborghini kaum bei dem imageträchtigen Vorab-Event und
imposantesten Messeständen. Der ein oder andere Star bringt einen
Messeauftritt schließlich noch mehr zum Strahlen. Lässt es Porsche mit
der Rallye-Legende Walter Röhrl im 918 Spyder noch recht dezent
angehen, schaut Shakira singend und die Hüften schwingend bei Seat
vorbei und Überflieger Audi geht einmal mehr in die Vollen. Popstar Justin
Timberlake fährt zusammen mit Rupert Stadler im neuen A1 auf die
Bühne.

Kein Wunder, dass angesichts eines avisierten Kurz-Auftritts des
Teeniestars die meisten anderen Stände während der Audi-
Pressekonferenz verwaist waren. Hunderte von ebenso schönen wie
schmuckvoll ausstaffierte Hostessen verließen panisch den sicheren
Arbeitsplatz, um einen Blick auf den US-Sänger zu erhaschen. Leider
lächelte dieser nur gewohnt spitzbübisch; verzichtete jedoch auf einen
erhofften Gesangsauftritt. Nicht zum ersten Mal holten Marken wie VW
oder Audi einen Megastar auf eine Autoshow. Pink, Brian Adams oder Seal
sind nur einige, die die Markenlogos noch tiefer in die Wunden der
taumelnden Konkurrenz bohren. Das erinnert an alte Daimler-Zeiten.

Die Gegenwehr der anderen Firmen in der zweiten Liga ist gering –
zumeist gar nicht vorhanden. Eine Ausnahme ist noch BMW-Ableger Mini.
Die Trendmarke macht auf den Automobilmessen dieser Welt seit Jahren
eine kleine, aber feine Figur. So auch in Genf mit dem gewohnt schwarz-
weißen Messearrangement rund um den neuen Mini Countryman. Es geht
eben auch einfallsreich. Zeitgleich mit der Premiere des neuen Mini-SUV
gibt es am Lac Leman eine ungewöhnliche Marketingaktion. Mini holt
Hollywood nach Genf. Die überdimensionale Projektion eines
„MINIWOOD“-Schriftzugs am Mont Salève auf französischem Boden ist
mit eine Höhe von 30 Meter und einer Breite von knapp 200 Metern pfiffig
und eindrucksvoll. In der Abenddämmerung ist sie hoch über dem Genfer
See kilometerweit sichtbar. Nett gemacht – ohne Millionen auszugeben.

Trotzdem - das, was der Volkswagen-Konzern in Genf bietet, davon
können andere Hersteller nur träumen. Eben eine völlig eigene Liga.
Das sieht bei den Marken in der zweiten Reihe wie Seat oder Skoda
übrigens kaum anders aus. Auch hier sind die Stände groß genug und
luftig gestaltet, damit die Messehighlights stilecht in Szene gesetzt sind.
Dagegen sehen selbst die Auftritte von automobilen Schwergewichten
wie Toyota / Lexus, Ford oder Peugeot / Citroen kaum besser aus als
eine kurzfristig anberaumte Vorort-Veranstaltung, bei der als
Höhepunkt der lokale Bezirksvorsteher vorbeischaut. Eine kleine
Bühne, gequält lächelnde Hostessen und plakative Schriftzüge sind
heutzutage einfach zu wenig. Gerade wenn andere auf der großen
Bühne tanzen, jonglieren und Feuer speien.

In der dritten Klasse geht es noch schlimmer zu. Denn wenn sich die
wirtschaftliche Lage in den nächsten Jahren nicht grundlegend
verbessert, dürften einige Autohersteller komplett außen vor bleiben.
Auf immer mehr weltweiten Topmessen gibt es Lücken bei der
Standvergabe. Selbst etablierte und wichtige Volumenhersteller wie
Nissan, Mitsubishi oder Honda ließen in der Vergangenheit große
Messen ausfallen – Sparmaßnahmen. Das könnte für den ein oder
anderen Hersteller langfristig verheerende Auswirkungen haben –
gerade weil zumeist zeitgleich das Marketing zurückgefahren wird.
Abschreckende Beispiele gibt es genug. Derweil warten viele in der
eigenen Höhle, dass der VW-Konzern einen Fehler macht. Sieht derzeit
jedoch nicht so aus. Die nächste Messe kommt schon Ende April – in
Peking. Volkswagen ist hier übrigens Autohersteller Nummer eins. Mal
sehen, wer dann singt.

Quelle: Autoplenum, 2010-03-03
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