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Autoplenum, 2010-04-23

Peking Motorshow 2010 - Fahrrad war gestern

Testbericht

Stefan Grundhoff

Es ist laut, stickig und übervoll. In China ist die Autowelt noch in
Ordnung. Bei der Peking Autoshow lässt die Volksrepublik ihre Muskeln
spielen.

Die chinesischen Autobauer haben längst erkannt, dass sie den Vorsprung
von Traditionsherstellern aus Japan, Europa und den USA nicht über
Nacht aufholen können – zumindest wenn es um konventionelle
Antriebskonzepte geht. So setzen die Chinesen bei ihrer turbulenten
Heimmesse wie kein anderes Land auf das Thema Elektromobilität.
Stromkabel, Steckdosen und imaginärer Funkenflug, so weit das
Messeauge schaut. Doch vieles ist nur Schau.

War der chinesische Automarkt vor 15 Jahren weltweit noch ohne jede
Bedeutung, gab es im vergangenen Jahr mehr als zehn Millionen
Neuzulassungen. Die Tendenz ist für viele beängstigend stark steigend.
Beim Design haben sich die fast 30 chinesischen Hersteller in den letzten
Jahren bereits mächtig bei der europäischen Konkurrenz bedient. Das
zeigt die Auto China des Jahres 2010 in Pekings Messecenter so deutlich
wie eh und je. Doch Plagiate wie der Brilliance A 0, der BAIC C 70 EV oder
der Huanghai Landscape sind in den meisten Fällen nicht mehr derart
plump abgekupfert wie noch vor drei oder vier Jahren. Stattdessen
bringen sich die Chinesen technisch und wirtschaftlich immer besser in
Position. Zuletzt wurde der stark angeschlagene schwedische
Autohersteller Volvo von Geely gekauft. Damit will Geely auf dem immens
großen Heimatmarkt insbesondere Premiumplatzhirsch Audi unter Druck
setzen und an die lukrativen Geschäfte für Regierung und öffentliche
Hand kommen.

Die Peking Motorshow zeigt alle zwei Jahre im April das gleiche Bild: es
ist heiß, ohrenbetäubend laut und derart voll in den Messehallen, dass
man kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann. Auf der
Heimmesse lässt die Volksrepublik China eindrucksvoll ihre Muskeln
spielen und die europäischen Hersteller machen gute Miene zum bösen
Spiel. Schließlich will sich niemand den Zukunftsmarkt Nummer eins
entgehen lassen. Die veralteten Klänge der 90er-Jahre-Band Enigma
lassen in der Messehalle E4 jedes Gespräch im Keim ersticken. Ein paar
Meter weiter spielt ein Shanty-Chor lautstark maritime Klänge. Die
chinesischen Aussteller haben sich den Leitsatz „viel bringt viel“
imposant verinnerlicht. Gleißend helle Scheinwerfer, Auftritte der
Konzernverantwortlichen die an Staatsbesuche erinnern und
Messehallen, die aus allen Nähten platzen. Jeder Veranstalter einer
Automesse kann nur verlegen auf die Teppich blicken, wenn er eine
beliebige Großveranstaltung in Europa oder den USA mit dem
Großevent in Chinas Hauptstadt vergleicht. Die unzähligen Models
strahlen mit den Scheinwerfern um die Wette; mitunter allerdings
recht gequält in die Kameras. Kleider werden notdürftig von
Sicherheitsnadeln zusammengehalten und die hochhackigen Schuhe
passen nur jeder zweiten. Irgendwie charakteristisch für die ganze
Messe.

Staatstragend die Enthüllung der neuen chinesischen
Präsidentenlimousine von Honqi. 6,40 Meter lang, 300 KW / 402 PS stark
und eine Spitze von 240 km/h. Das alles schwer gepanzert und mit
deutlichen Designähnlichkeiten zu Rolls Royce, Bentley und Maybach.
Stören tut das hier keinen. Fast noch imposanter der GE von Mgrand. Die
gigantische Luxuslimousine - ebenfalls im Maybach-Format – wird von
einem kleinen Vierzylinder-Benziner mit 2,4 Litern Hubraum angetrieben.
Tatkräftige Unterstützung gibt es von einem Plug-In-Modul, das rund 30
Kilowatt Zusatzleistung generiert. Während vorne der Chauffeur Platz
genommen hat, gibt es im Fond mittig nur einen Lümmel-Sessel für das
Oberhaupt von Familie oder Firma. Wem das nicht reicht: Allein der Geely-
Konzern zeigt in Peking fast 20 neue Modelle – vom Elektro-Kleinwagen
mit Flügeltüren über Sportcoupés bis hin zu Hardcore-Geländewagen.

Während die Europäer die kannte Luxuskarte spielen, setzen die
einheimischen Hersteller jedoch nicht nur auf Nobellimousinen mit
langem Radstand und allen erdenklichen Extras. Denn auch Kleinwagen
und Vans kommt auf der wichtigsten Automesse auf asiatischem Boden
eine wichtige Bedeutung zu. So zeigt Ford seine rundlich-schmucke Studie
Start oder General Motors mit dem Chevrolet MPV5 die Vision eines
elektrisch angetriebenen Volt-Vans. Dongfeng dreht Apple und BMW
gleichermaßen eine Nase. Während Details zum 2013 auf den Markt
kommenden BMW „Project-i“ noch auf sich warten lassen, zeigen die
Chinesen das fesche „i-car“. Bei Englon, die zum Geely-Konzern gehören,
erlebt das London-Taxi seine Wiedergeburt – durchaus sehenswert und
innovativ mit dem Englon TXN.

Doch wenn es weniger Plagiate auf der Peking Motorshow gibt, heißt es
nicht, dass einige Hersteller doch keinerlei Scham empfinden, etablierte
Modelle wie die Mercedes M-Klasse, den Lexus RX 350, Saab 9-3 oder den
luxuriösen Range Rover hemmungslos zu kopieren. Sogar die schmucke
Elektrostudie des Peugeot BeBe One, die auf der IAA ihre Weltpremiere
feierte, hat in China mit dem Chana EV bereits einen optischen wie
technischen Nachahmer gefunden. Besonders schamlos macht es seit
Jahren das Smart-Plagiat Noble. Mittlerweile steht der Smart-Zwilling auch
als Elektroauto-Fahrzeug auf der Messe. Doch außer den obligatorischen
„Electric-Schriftzügen“ und einem glänzenden Metallkasten unter der
Motorhaube gibt es keinerlei Details über die Technik. Als das Smart-
Fortwo-Original am Vorabend der Messe im auffällig gelben Tigerlook in die
Halle geschoben wird, klebt man bei Noble nächtens nach. Am nächsten
Morgen hat das Plagiat den gleichen Look.

Die Automesse bringt aus chinesischer Sicht ein nahezu
unüberschaubares Angebot an neuen Modellen. Doch auch die deutschen
Hersteller lassen die Muskeln spielen, so gut sie können. Da sich
angesichts der übermächtigen Konkurrenz von Heimspielern bei den
Kleinwagen kaum etwas reißen lässt, konzentrieren sich die deutschen
Hersteller auf das, was sie am besten können: die Premiumliga. Die
Modellpflegen bei VW Phaeton und Maybach sollen die Chinesen bei ihrer
Massenmobilisierung mehr denn je vom europäischen Luxussegment
träumen lassen. Langversionen von Mercedes E-Klasse, Audi A8 oder 5er
BMW sind dann eher schon das Alltaggeschäft. Schließlich geht ab der
Mittelklasse ohne einen langen Radstand wenig. In China fährt man
obligatorisch mit Chauffeur. Das gilt ausnahmsweise auch für Pop-
Sternchen Leona Lewis, die im blauen E-Klasse Cabriolet auf die Bühne
des Mercedes-Standes fährt. Ein weiteres Messehighlight: der Mercedes
CLS Shooting Brake.

Doch die wirklich imposanten Auftritte kommen von den chinesischen
Firmen. Sie sind über groß angelegte Joint Ventures wie Shanghai-GM,
SAIC-VW, Beijing-Hyundai oder Dongfeng-PSA mit Herstellern aus Asien,
USA und Europa verbunden. Build your Dream setzt im 200.000
Quadratmeter großen New China International Exhibition Center Tianzhu
als lokale Technologiemarke ganz auf das Thema Elektromobilität und
lässt neue Modelle nur die zweite Geige spielen. Die enge
Zusammenarbeit mit Daimler ist weit fortgeschritten. Beide Hersteller
entwickeln speziell für den chinesischen Markt eine Limousine. Erstmals in
Peking zu sehen ist auch der erste BYD-Geländewagen S6. Im Stiele eines
Lexus RX bietet der jedoch nicht mehr als automobile Hausmannskost.
Doch für kaum mehr als 16.000 Euro kann man kaum mehr als einen
4,70 Meter langen Crossover mit Allradantrieb und einem 170 PS starken
Mitsubishi-Triebwerk erwarten. Denn auch bei der Preisgestaltung machen
die Chinesen den europäischen Herstellern so richtig etwas vor.

Quelle: Autoplenum, 2010-04-23
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