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Autoplenum, 2010-07-07

Tuningmekka in Yokohaman - Bayrisches Inselleben

Testbericht

Stefan Grundhoff

Die unscheinbare Doppeltür schwingt auf und man fühlt sich in die Eifel
versetzt. Im Herzen von Yokohama betreibt Bob Suzuki das Mekka aller
BMW-Fans. Ein solches Tuningparadies sucht man in München oder am
Nürburgring vergeblich.l

Von der Wand strahlt eine deutsche Landkarte herab und mitten im
Raum steht ein weißer BMW M3; eine seltene DTM-Rennversion von
Joachim Winkelhock. Was für ein Laden, was für eine Atmosphäre. Eine
Münchner Insel der automobilen Glückseligkeit mitten in Yokohama.
Deutsche Kennzeichen, die übermächtige Landkarte vom Nürburgring
und verschiedenste Renndevotionalien schmücken das Geschäft wie ein
automobiler Schrein. „Das ist ein originaler Renn-M3-DTM von 1990 –
einer der letzten“, strahlt Bob Suzuki über das ganze Gesicht „den habe
ich 1997 gekauft und 2003 umgebaut. Ich wollte ihn so erhalten, wie er
ist.“ Heißt, Motor raus – Spielkonsole rein. Wer in der engen Rennschale
Platz nimmt und die Tür des DTM-Renners schließt, blickt zunächst auf
das unterdimensional kleine Sportlenkrad und dann auf einen riesigen
Bildschirm, der aus der blau-weiß-roten Motorhaube des Winkelhock-M3
ragt. Suzuki hat den Rennwagen zu einer Playstation der
ungewöhnlichsten Art gemacht. Wer im Geschäft auf seinen eigenen
Wagen wartet, kann in dem Tourenwagen vergangener Zeiten kurz ein
paar Bestzeiten auf der Nordschleife fahren.

Bob Suzuki hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Autos sind sein
Leben. Gerade kommt er mit seinem grellgrünen BMW Z4 M Coupè auf den
Hof gefahren. Die Kunden blicken heraus auf den kleinen Parkplatz. Die
Gegend in einem Gewerbegebiet von Yokohama, südlich der japanischen
Hauptstadt Tokio, ist unspektakulär. Graue Hochhäuser, lieblose Bauten
und überfüllte Parkplätze; gegenüber befindet sich ein Supermarkt für
Kosmetikartikel. Wenig deutet auf ein Mekka für Tuningfans und BMW-
Liebhaber hin. Doch man wird weltweit suchen müssen, etwas Ähnliches
zu finden. Die Japaner lieben BMW, die neben Porsche und Ferrari hier wohl
als sportlichste Automarke gilt. Bob liebt seinen Shop, das sieht man der
Studie AG, wie sie typisch deutsch heißt, auf den ersten Blick an. Selbst bei
der Fassade seiner Firma hat Bob Suzuki nichts dem Zufall überlassen.
Wüsste man es nicht besser, hier könnte sich auch eine offizielle BMW-
Niederlassung oder die japanische Firmenzentrale des bayrischen
Autoherstellers befinden.

Bob hat seinen grünen Renner gerade abgestellt. Er ist etwas spät dran.
Die Z4-Rennversion wurde als automobile Visitenkarte des Firmenchefs
aufwendig getunt und mit einem komplett umgebauten Innenraum
versehen. Schalensitze, eigens angefertigte Rennarmaturen und zahlreiche
Verstrebungen sind fast genauso spektakulär wie der riesige Karbonflügel
und die bollernde Aufpuffanlage. Keine Frage, dieser Z4 M gehört nicht auf
die Straße, sondern auf die Nordschleife. Das belegt auch der vielsagende
Aufkleber „Industriepool“ am hinteren linken Seitenfenster. Diesen trägt in
der Eifel nur die kleine Schar der Prototypentester, die in
Höchstgeschwindigkeit auf der abgesperrten Rennstrecke ihre Runden in
den Asphalt zaubern.

Hier liegen stapelweise K&N-Sportluftfilter, da locken Streckenpläne vom
Nürburgring oder haufenweise Sportstoßdämpfer von Bilstein,
Rückleuchten von Hella, Rennsitze und Gurtanlagen von OMP. Japanische
Schriftzeichen, Bezeichnungen oder Produkte aus Nippon sucht man an der
Straßenecke Kishine cho / kouhoku ku vergeblich. Hier würden selbst in
München oder in der Eifel jedem Motorsport- und BMW-Fan die Augen
übergehen. Doch hier in Yokohama würde man einen solch abgefahrenen
Laden am allerwenigsten erwarten. Kein Wunder, dass die Fans nicht nur
aus dem Großraum Tokio anreisen.

1995 wurde der Tuningladen Studie AG eröffnet. Das Durchschnittsalter
der grenzenlosen BMW-Liebhaber liegt zwischen 30 und 40 Jahren.
„Zumeist finanzstark“, wie Bob ergänzt, „als ich damals eröffnet habe,
gab es so etwas hier in Japan einfach nicht. Die ersten Autos, an denen
wir gearbeitet haben, waren E 36er.“ Doch mit Umbauten an Fahrwerk,
Dämpfern, Felgen und Auspuffanlagen war es schneller als gedacht nicht
mehr getan. Die Kunden wollten immer mehr, immer speziellere
Umbauten und kamen von immer weiter her. Teile und Kontakte gab es
für das Team von Ben Suzuki nur in Deutschland. Dutzende Male reiste
er in den letzten Jahren nach München und an den Nürburgring. Schnell
noch ein paar Runden auf der Nordschleife und dann eilig wieder zurück
Richtung München zur M-GmbH, die ihren fanatischen Pappenheimer
längst ins Herz geschlossen hatte. Auch die deutschen Autobahnen
haben es dem Japaner angetan. „Klasse ist, dass es dort kein Tempolimit
gibt. Ich bin schon über 300 km/h gefahren. Das Auto, dass ich fuhr,
gab damals einfach nicht mehr her“, „lacht er. In Japan war er auf einer
fünfspurigen Autobahn vor Jahren auch schon noch schneller
unterwegs. Das Tempolimit liegt hier in Japan bei 100 km/h.

„Pro Tag kommen rund 50 Kunden allein hier in unser Hauptgeschäft und
lassen etwas an ihrem BMW machen“, erzählt Geschäftsführer Yasuaki Bob
Suzuki, „zudem habe ich weitere Geschäfte in Tokio, Kobe und Sendai.
Insgesamt sind es locker 150 Autos, an denen wir Tag für Tag arbeiten.“
Kaum ein Tuner in Asien ist größer als Suzuki, der seit Jahr und Tag allein
den Produkten aus München verfallen ist. Im hinteren Teil es Geschäfts
gibt es weitere Zubehörinseln mit Reifen, Felgen oder Lichtmodulen – alles,
um den eigenen BMW noch individueller und spektakulärer zu machen.
Hinter einer langweiligen Sofasitzecke, die eigentlich nur aus den 50er
Jahren stammte kann, befindet sich eine Hebebühne mit kompletter
Vermessungsstation. Bob Suzuki: „Hier kann der Kunde bei uns im
Geschäft jederzeit sehen, was wir an seinem Auto machen. Die meisten
Kunden fahren einen 1er oder 3er.“

Mindestens 100.000 Yen gibt der durchschnittliche Kunde bei einem
seiner Abstecher zur Studie AG auf. „Doch viele lassen natürlich auch
sehr viel mehr machen“, erinnert sich der autoverrückte Japaner an
einen Geschäftsmann, der seinen BMW Z8 einzigartig umgebaut haben
wollte, „hier hatten wir keine Kostenlimit.“ Unter dem Strich kostete der
Umbau mehr als 30 Millionen Yen. Viele Kunden, die mit ihrem
bayrischen Spielmobil nach Yokohama zum Tuning kommen, steuern
ihren Wagen trotz japanischen Linksverkehrs auch links. „Gerade die
Fahrer mit einer Handschaltung wollen oft einen BMW, der das Steuer
auch original auf der linken Seite hat“, erklärt der Tuningexperte, „bei
den Autos mit automatisiertem Getriebe sieht das mittlerweile jedoch
etwas anders aus.“ Die Kunden hinter ihm lauschen seinen Worten mit
weit aufgerissenen Ohren und nesteln derweil an den aufgestellten
Modellautos von Minichamps herum. Natürlich alles BMW. Den
legendären BMW 3.5 CSL IMSA aus dem Jahre 1976 gibt es bei der
Studie AG für 5.800 Yen; gleich daneben der BMW M1 Procar von 1980.
Bob Suzuki und die meisten seiner Kunden kennen sie alle.

Quelle: Autoplenum, 2010-07-07
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