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Testbericht

Stefan Grundhoff, 25. Mai 2011
Daimler feiert in diesem Jahr nicht nur den 125. Jahrestag seit der Erfindung des Automobils. Vor 75 Jahren zog der Dieselmotor in den PKW ein: im Mercedes 260 D.

Beim Gedanken an Mercedes und 125 Jahre Automobilgeschichte schwirren den meisten Begriffe wie Carl Benz, Gottlieb Daimler, Silberpfeil, Flügeltürer, S-Klasse oder Pagode im Kopf herum. Doch eine der weitreichendsten Erfindungen der Automobilgeschichte ist die des Dieselmotors, die Daimler knapp vor dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit Zulieferer Robert Bosch auf den Weg brachte. Bis in die 30er Jahre hinein waren die hoch verdichteten Dieseltriebwerke mit der Glühzündung allein in Nutzfahrzeugen, Lokomotiven und Schiffen verbaut worden. Mit dem dieselbetriebenen 260er begann nicht nur für Daimler eine neue Ära im Automobilbau. Bis heute sind Triebwerke mit Selbstzündertechnik gerade bei PKW von zentraler Bedeutung. Die Gründe, ein Auto mit einem Dieselmotor zu kaufen, sind die gleichen wie vor 75 Jahren – niedrige Kraftstoffkosten und eine große Reichweite.

Seit Anfang der 30er Jahren hatte die Entwicklungsabteilung von Daimler mit Hochdruck am Serieneinsatz eines Dieselmotors in einem PKW gearbeitet. Doch so einfach, einen grobschlächtigen Dieselmotor aus dem LKW in eine Limousine zu verpflanzen, war das Ganze nun doch nicht. Die ersten Versuche gab es im Jahre 1933, als ein 59 KW / 80 PS starker LKW-Sechszylinder in verschiedene Versuchswagen vom Typ Mannheim verbaut wurde. Doch Schwingungen und starke Vibrationen des Reihenmotors sorgten für Rahmenbrüche bei höheren Drehzahlen. Um die Entwicklungskosten im Rahmen zu halten, sollte die starke bauliche Anlehnung an LKW-Motoren jedoch weiter vorangetrieben werden. Um die störenden Vibrationen zu minimieren, wurden dem Sechszylinder-Diesel kurzerhand zwei Brennkammern abgeschnitten. Das kostete zwar Leistung, machte das motorische Gesamtkonstrukt jedoch deutlich laufruhiger. Die Probeläufen verliefen erfolgreich.

Die nunmehr nur noch 2,6 Liter großen Vierzylinder-Diesel vom Typ OM 138 wurden zu einem Großversuch in 170 Pullman-Landaulets vom Typ 230 eingebaut. Um die Alltagstauglichkeit im Betrieb auf der Straße zu testen, sollten motorisierte Droschkenfahrer im Taxibetrieb zeigen, was das neue Antriebskonzept für Stärken und Schwächen hatte. Die Taxifahrer waren mehr als zufrieden und so begann Ende des Jahres 1935 die Serienproduktion des 260 D. Diejenigen, die den 260er erstmals fuhren, waren von Fahrleistungen und der Reichweite überaus angetan. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 9,5 Liter Dieselöl reichte eine Tankfüllung für 400 Kilometer. Das schaffte kein Benziner. Neben der langen Pullman-Version gab es den Mercedes 260 D ab September 1936 auch mit kurzem Radstand als vier- bzw. fünfsitzige Limousine und Cabriolet. Eine frühe Modellpflege brachte 1937 eine Reihe von technischen und optischen Verbesserungen.

Besonders der breitere Radstand und die Tankvergrößerung von 38 auf 50 Litern wurden von den Kunden positiv aufgenommen. Mit einem Verbrauch von nunmehr neun Litern Diesel auf 100 Kilometern im Vergleich zu den 13 bis 14 Litern des Benziners vom Typ Mercedes 200 erhöhte sich die Reichweite auf bis zu 500 Kilometer. Der 260 D wurde zum Kilometerfresser seiner Zeit. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges beendete nach 1.967 Fahrzeugen im Jahre 1940 schließlich die Serienproduktion. Ihre Wiederauferstehung feierte die Dieseltechnik in Personenkraftwagen nach Kriegsende mit dem Mercedes 170 D der Baureihe W 136.

Nach heutigen Maßstäben zeigte sich der 33 KW / 45 PS starke Hecktriebler schon durch sein Gewicht von mehr als zwei Tonnen wenig dynamisch. Das sah in den 30er und 40er Jahren ganz anders aus. Der 2,6 Liter große Vierzylinder beschleunigte die Pullman-Limousine auf bis zu 90 km/h. Während die ersten Modelle mit drei Gängen und einem zusätzlichen Autobahngang durch die Gegend tuckerten, gab es bereits nach einigen Monaten Produktionszeit ein voll synchronisiertes Viergang-Getriebe. „Dieser Mercedes 260 D lief mehrere Jahrzehnte als Taxi in Berlin“, erläutert Michael Plag, Herr über die Schar der Oldtimer im Hause Daimler, „er dürfte mittlerweile 1,2 Millionen Kilometer gelaufen haben.“

Die 260er Modelle beherrschten durch ihre solide Technik bis weit in die 50er Jahre die Taxilandschaft in Berlin. Michael Plag: „Diese Dieselmotoren sind nicht kaputtzukriegen. Man kann den Wagen ein paar Jahre stehen lassen, packt eine Batterie rein und er läuft auf Anhieb.“ Der Oldtimerexperte bewegt den 260er im dezenten Galopp mit Tempo 70 auf einer schwäbischen Landstraße. Die Windschutzscheibe ist leicht nach unten hin aufgeklappt und so kommt eine sommerliche Briese in das Volant. Eine Handvoll verchromter Schalter und Bedienelemente verbreitet unweigerlich den Charme der 30er Jahre. Der Veigel-Tacho endet erst bei 120 km/h – unerreichbare Traumgeschwindigkeiten für den Chauffeur eines 260 D. Die Uhr als eine der drei Analoganzeigen ist eines Tages um kurz nach halb zwölf stehengeblieben. Doch der Rest des 75 Jahre alten Mercedes 260 Diesel funktioniert wie am ersten Tag. Gestartet wird elektrisch aus dem Cockpit. Die Öffnung der Starterkurbel am Fuße des mächtigen Kühlergrills ist mit einer Chromplakette verziert.

Bei den Fahrgästen im Fond kamen die 260-D-Modelle ebenfalls prächtig an. Das Platzangebot in der langen Pullman-Version ist auch unter heutigen Gesichtspunkten eindrucksvoll. Bequeme Sofasitze lassen einen selbst die Schrittgeschwindigkeit einen steilen Berg hinauf ertragen. Vom dunklen Volant trennt die Fondinsassen einen eine Scheibe. Während sich Chauffeur und ein etwaiger Beifahrer in beengten Platzverhältnissen auf schweißtreibenden Kunstledersitzen betten mussten, gefällt der weiche Flockvelours in der zweiten Reihe deutlich besser. Im blau ausgeschlagenen Fond lassen sich bei Bedarf zwei Notsitze aus dem Boden herausklappen. Der Fahrkomfort war und ist eindrucksvoll. Alle vier Räder haben nicht nur hydraulisch betätigte Trommelbremsen, sondern sind einzeln aufgehängt; hinten an einer Pendelachse mit Schraubenfedern, vorn an zwei quer eingebauten Blattfedern.

Das Gepäck der Passagiere fand zumeist in dem ebenso luxuriösen wie unkaputtbaren Großkoffer hinter der Fahrgastzelle Platz. Die Manufaktur Baisch aus Bad Cannstadt war eine der bekanntesten deutschen Kofferfirmen. Selbst nach sieben Jahrzehnten sind die Lademodule noch immer im Topzustand, Patina inklusive. Weil Lederkoffer bei Autos ab den 50er Jahren nicht mehr en vogue waren, musste Baisch schließlich seine Tore schließen. Der Dieseltechnik ging es besser. Bis heute sind PKW mit Dieselmotoren von den Straßen kaum wegzudenken. Während sich Privatkunden in Asien oder die USA kaum für die Selbstzündertechnik erwärmen können, steht diese insbesondere bei Kunden in Zentral- und Südeuropa hoch im Kurs. Fahrzeuge ab der Mittelklasse haben oft einen Dieselanteil von über 50 Prozent. Das dürfte sich zumindest in den höheren Fahrzeugklassen kaum ändern.

Quelle: Autoplenum, 2011-05-25

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