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Autoplenum, 2010-03-02

80. Genfer Automobilsalon - Frühlingserwachen

Testbericht

Stefan Grundhoff

Die Sonne strahlt, die Besucher strömen herbei und vor dem Messezentrum zeigt ein gigantischer Dacia Duster, dass es aufwärts geht. Beim 80. Genfer Salon feiert die Automobilbranche die Rückkehr zur Normalität.

Die miese Stimmung der letzten Autoshows ist vergessen – zumindest
fast. Wo könnte die Automobilwelt einen Neuanfang besser wagen als bei frühlingshaften Temperaturen am
Genfer See? Anfang März kann das Wetter hier mit Kälte,
Schnee, Regen und Wind auch gruselig sein. Dabei träumen nicht nur in
der Autobranche alle längst vom Frühling. Die Stadt der Uhren und
Privatbanken zeigt sich zur Eröffnung des 80. Automobilsalons von ihrer
besten Seite: 14 Grad, strahlende Sonne - das hat es zum Auftakt des
Salon lange nicht gegeben. Die Zeiten, in denen die Stände der
Autohersteller bei Messen in der ganzen Welt unbeleuchtet vor sich hin
dämmerten und überdimensionale Stromkabel über die wahnwitzige
Stocherei im automobilen Elektro-Dschungel hinwegtäuschen sollten,
scheinen ebenfalls der Vergangenheit anzugehören. Auch wenn trotz
schwächelnder Wirtschaft die Unsicherheit zwischen A wie Alfa bis Z wie
Zagato keinesfalls verflogen ist, scheint es wieder aufwärts zu gehen.

Der Untergang des automobilen Abendlandes scheint für viele gerade
noch einmal abgewendet. Da begeistern schmucke Kleinwagen wie der
Nissan Micra oder ein Aston Martin Cygnet ebenso wie familiäre
Hoffnungsträger in Form von VW Sharan, Opel Meriva oder Mazda 5.
Sportskanonen aus dem Hause Porsche oder Ferrari zeigen, dass sich
grandiose Fahrleistungen und angemessene Verbräuche nicht
ausschließen müssen, und selbst die SUV werden wieder aus dem
Schatten der Stände herausgeholt. Schließlich haben Modelle wie VW
Touareg, Porsche Cayenne oder der überarbeitete BMW X5 mächtig
abgespeckt. Hybridmodelle und sparsame Diesel gehören hier längst zum guten Ton.
Träumen ist bei den zahlreichen Kleinserienherstellern von
Männerspielzeug im Maßstab 1:1 sowieso erlaubt – man ist schließlich auf
dem Genfer Salon und nicht auf den bekannten Handwerkermessen in
Detroit, Frankfurt oder Tokio.

Selbst die lange Zeit tot geglaubten Limousinen erleben in Genf
eine Renaissance. Der neue 5er BMW ist bereits als Serienmodell ein
großer Wurf. Auf dem Autosalon zeigen die dynamischen Münchner mit
einer Hybridstudie, dass sie auch das elektrische Gedankengut in den
Entwicklungsabteilungen umgesetzt haben. Konkurrent Mercedes macht
längst kein Geheimnis mehr daraus, dass die E-Klasse als E 300 Bluetec
Hybrid zum Jahreswechsel mit einem Diesel-Hybrid auf den Markt
kommen wird. Der Durchschnittsverbrauch: 4,1 Liter. „Wir fahren nicht nur in der
Formel 1 um den Sieg, sondern auch in der Formel Grün mit Premium-
Automobilen, die Verantwortung für die Umwelt und die Faszination von
Mercedes-Benz vereinen", meint Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Noch eine Nummer größer als die teilelektrische E-Klasse ist der Audi A8 Hybrid. Der steht ebenfalls - zumindest als Studie - auf dem Salon und läutet eine neue Ära ein. Während die Hauptkonkurrenten BMW 7er und Mercedes S-Klasse auf große Triebwerke setzen, ist der A8 Hybrid mit einem Vierzylinder-Turbo unterwegs – mit Elektromodul. Konventioneller beim Antrieb, aber endlich als
Serienmodell zu sehen ist der lang erwartete Volvo S60. Wem das nicht
reichen sollte: Noch sehenswerter ist der Ausblick auf realitätsnahe
Studien wie den kommenden Peugeot 508 oder den Mercedes F 800
Style. So sieht die automobile Limousinen-Oberklasse – einmal
französisch und einmal deutsch – in ein paar Jahren aus. Und wenn Seat
die Studie des Ibe tatsächlich in die Tat umsetzen darf, dürfte es selbst ein
VW Polo schwer haben.

Doch der Automobilsalon am Genfer See bewährt sich bei seiner 80.
Auflage auch im schnöden Tagesgeschäft. Mit dem Toyota Auris HSD
kommt die Hybridtechnik endlich auch einmal in ein
Kompaktklassemodell, das nicht derart polarisiert wie der Prius. Weniger
als vier Liter Verbrauch auf 100 Kilometern bei 138 PS machen Lust aufs
Sparen. Ford setzt in der gleichen Liga nicht nur auf die effizienten
EcoBoost-Triebwerke, sondern insbesondere auf den neuen Ford Focus,
der in Genf als Kombiversion Turnier seine Weltpremiere feiert. Jetzt
heißt es, die Kunden bei Laune zu halten. Denn der neue Focus kommt
erst Anfang 2011. Ebenfalls neu: das Skoda-Doppel Fabia Scout / Fabia
RS und der schmucke Golf-Konkurrent Alfa Giulietta als Nachfolger des Alfa 147. Einen erbitterten Kampf liefern sich Audi und BMW / Mini.
Während Audi seinen A1 als Serienversion zeigt und eine 102 PS starke
Elektroversion namens A1 e-tron an den Horizont malt, lässt es Mini
größer angehen. Der Countryman ist die mittlerweile vierte
Modellvariante im Mini-Modellprogramm. Der Vorsprung ist groß. Wer es
polarisierender mag: Der Nissan Juke verdreht schon allein durch seine unverwechselbare Front die Köpfe.

Und was wäre ein Frühling am Genfer See, wenn es in den
heißen Messehallen nicht noch ein paar schöne Models vor
hochsommertauglichen Cabriolets zu bestaunen gäbe. Die
Publikumswertung geht wenig überraschend an das neue Maserati
GranCabrio, 440 PS stark und 130.000 Euro teuer – ein Traumwagen.
Doch es geht auch günstiger wie bei Renault, dessen neue
Sonnenanbeter Wind und Mégane Coupé-Cabriolet sich als Serienfahrzeuge durchaus etwas schneidiger hätten präsentieren können. Leider nicht offen, aber trotzdem eine Wucht: der 450 PS starke Audi RS5 als Jäger von BMW M3 und Mercedes C 63 AMG. Wer es noch wilder mag, muss nach Italien schielen.
Lamborghini speckt seinen Gallardo LP 570-4 Superleggera ab und macht
ihn 70 Kilogramm leichter. Unter dem Strich stehen 20 Prozent weniger
Verbrauch. 13,5 Liter bei 570 PS – immerhin.

Auch Exoten wie der Luxus-Kreuzer Bufori Geneva im klassischen Design großer Gangster-Limos aus den 30er Jahren oder die Yacht-artigen Luxusschlitten der italienischen Edelschmiede Fornasari zeigen: Die Branche hat mehr denn je Lust aufs Auto, kreative Ideen und für jeden Geschmack etwas. Und sie hofft natürlich, dass ihr die wirtschfatliche Entwicklung - und damit auch die Kaufkraft der Kunden - nicht doch noch in die Suppe spuckt.

Quelle: Autoplenum, 2010-03-02
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