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Testbericht

Wolfram Nickel/SP-X, 20. August 2017

„Jahrhundert-Automobil“, „Wankel-Wunderauto“, „Ungewöhnlichstes Auto, das je zur Serienreife gebracht wurde“, die Euphorie der Medien über den NSU Ro 80 bei der Pressepremiere am 21. August 1967 kannte keine Grenzen. Die weltweit erste Serienlimousine mit Zweischeiben-Kreiskolbenmotor schien direkt aus der Zukunft zu kommen und wollte das Automobil neu erfinden - so wie zuvor nur die göttliche DS von Citroen, die den NSU-Technikern anfangs tatsächlich die Richtung wies bei der Entwicklung ihres avantgardistischen, im Windkanal geformten Flaggschiffs. Neben dem Ro 80 mit extrem flacher Motorhaube und massivem, hoch bauendem Heck wirkten Mercedes mit Heckflossen oder große Peugeot in Trapezform von vorgestern.
 
Als Wunderauto gefeiert wurde die erste große Limousine des Neckarsulmer Kleinwagenspezialisten aber nicht nur wegen ihrer keilförmigen Silhouette und der neuartigen Sicherheitsausstattung, sondern vor allem für den revolutionären 85 kW/115 PS starken Motor mit kreisenden Kolben. Die Fachwelt sah den Wankelmotor als Antrieb der Zukunft und in der sogenannten Comotor-Kooperation mit Citroen wollte NSU die Erfindung des Ingenieurs Felix Wankel massentauglich machen. Eine vergebliche Hoffnung, nur Mazda machte den Wankel zum Millionseller. Vom Ro 80 blieb nach dem Produktionsende im Jahr 1977 das weit in die Zukunft strahlende Design und sein mittlerweile von Audi genutzter Werbeslogan „Vorsprung durch Technik“.
 
Mit diesem Credo und technologischem Fortschritt durch Turbo und Allrad fanden die Ingolstädter ab Ende der 1970er Jahre den Weg in den Premiumclub, an dessen Türen die Rotationskolben-Revolutionäre von NSU zuvor vergeblich angeklopft hatten. Denn die Tragik wollte es, dass die wagemutigen Neckarsulmer beim ersten öffentlichen Roll-Out des Ro 80 bereits finanziell ausgelaugt waren. Die Entwicklungskosten für das vollkommen neue Fahrzeug hatten die Kassen des Zweirad- und Kleinwagenherstellers so geleert, dass dringend ein finanzstarker Partner gefunden werden musste. Keine 18 Monate später war es soweit, NSU kam mit Audi unter das Dach des Volkswagen-Konzerns.
 
Aber das ahnte an jenem heißen Tag im August 1967 noch nicht einmal die NSU-Unternehmensführung. Schließlich schlug hier beim Schloss Solitude nahe Stuttgart scheinbar die Stunde Null des Automobilbaus. Claus Luthe hatte die Karosserie des Ro 80 mit derart zeitlosem Schwung gezeichnet, dass sie sich bis ins 21. Jahrhundert nicht von der Zeit einholen ließ. Wie in dieser Klasse sonst nur der Citroen DS wurde auch der Ro via Vorderräder angetrieben und die damals noch außergewöhnliche Einzelradaufhängung rundum garantierte im Zusammenspiel mit dem gigantisch wirkenden Radstand von 2,86 Metern (mehr als die Langversion der S-Klasse) ein fast vollkommenes Fahrverhalten. Daran änderte auch der spektakuläre Abflug eines Fachjournalisten bei der Pressevorstellung nichts. Wie der NSU-Pressechef eilig erläuterte, hatte der Testfahrer zu viel Tempo drauf, weil er statt auf den Tacho zu achten auf sein Gehör vertraut hatte. Und dieses musste sich beim Ro 80 erst an ein ganz neues Sounderlebnis gewöhnen.
 
Der Kreiskolbenmotor entfaltete einen Klang, der nicht wenige Ro-80-Piloten an eine Turbine erinnerte. Beim Hochdrehen wurde der vibrationsarme Wankel weder laut noch aufdringlich, er wechselte nur sein Timbre. Was neben akustischem Komfort überraschende Gefahren barg. Mancher Ro-Fahrer vergaß schlicht das Hochschalten bei der serienmäßigen Dreigang-Selektiv-Automatik und ignorierte den bei 6.500 U/min – das Niveau damaliger Supersportler - beginnenden roten Bereich. Erst zahlreiche Garantiefälle später installierte NSU einen akustischen Warner. Ja, die Garantie für dieses Auto differenzierte sich ebenfalls grundlegend von den Wettbewerbern mit Mercedes-Stern, BMW-Niere oder Citroen-Doppelwinkel. Statt üblicher sechs Monate gewährte NSU den dreifachen Zeitraum als vertrauensbildende Maßnahme für den Wankel. Und diese Garantie wurde genutzt und ausgenutzt.
 
Denn der neuartige Motor war weder völlig ausgereift, noch waren alle Wankel-Spezialisten in den NSU-Vertragswerkstätten ausreichend geschult. Es hatte im Vorfeld schlicht an Zeit gemangelt, zumal Wankel-Lizenznehmer Mazda mit seinen ebenfalls 1967 präsentierten Rotary-Modellen nach Nordamerika und Europa drängte. So plagten den NSU-Kreisläufer bis etwa 1970 anfällige Dichtleisten, verschmutzte Zündkerzen und manche Kleinigkeiten, die den Ruf nachhaltig ruinierten – vor allem aber den Hersteller viel Geld kosteten. Kein Witz war es, dass sich Ro-Fahrer bei Begegnungen mit der Anzahl erhobener Finger die Zahl der Tauschmotoren signalisierten und sich einige wenige sogar Ford-V4 und V6 in ihren NSU einpflanzen ließen. Trotzdem: Wer einmal wirklich der Faszination des Wankelmotors erlegen war, hielt daran fest.
 
Schließlich bietet der von NSU 1958 erstmals ins Laufen gebrachte Kreiskolbenmotor gegenüber konventionellen Hubkolbenaggregaten Vorteile, die noch heute überzeugen. Ersetzen doch rotierende Scheiben das Auf und Ab der Kolben mit dem Resultat außergewöhnlicher Laufruhe und minimaler Lärmemissionen. Zudem wiegt der Rotarier etwa ein Drittel weniger, ist kompakter und lässt sich bei gleicher Leistungsstärke wirtschaftlicher produzieren. Kein Wunder, dass 1967 bereits 16 große Automobilhersteller zu den NSU-Lizenznehmern zählten. Aus den Lizenzeinnahmen wollte NSU die Wankel-Entwicklungskosten bezahlen, was jedoch nur ansatzweise gelang. Zumal allein Lizenz-Geldgeber Mazda die Kreiskolben-Idee soweit perfektionierte und vorantrieb, dass Anfang der 1970er Jahre jeder zweite dieser Japaner von einem Wankel bewegt wurde. Zugleich wurde die Zahl der Wankel-Skeptiker immer größer – und sollte letztlich recht behalten. Denn als die Motoren des NSU Ro 80 endlich standfest für sechsstellige Kilometerleistungen waren – Mazda gewährte bereits 150.000 Kilometer Garantie – kam Ende 1973 die erste Ölkrise. Ein Ereignis, dasdie bereits bekannte Achillesferse der Kreiskolben-Kultur, den hohen Verbrauch, endgültig entlarvte und alle Wankel ins Abseits stellte.
 
NSU befand sich damals bereits vier Jahre in der Hand des VW-Konzerns, der die finanziellen Mittel für den Fortgang der Ro-80-Produktion sicherte. Dafür fehlte es nun an Entschlossenheit, neue Wankel in Serie gehen zu lassen, weshalb ein bereits fertiger Dreischeiben-Motor mit 170 PS auf Eis gelegt wurde. „Die Zukunft ist schon Gegenwart geworden. Der NSU Ro 80 ist ein Teil von ihr“, versprach die Werbung. Dabei war längst klar, dass die Zeit nicht reif war für diesen Futuristen, der mangels Nachfrage schon seit 1970 auf den selben Bändern wie der konventionelle Audi 100 gebaut wurde. Obwohl die Preise für den nur 115 PS leistenden NSU am Ende auf das Niveau von V8-Limousinen kletterten, ließ sich mit dem Ro 80 nie Geld verdienen. Zwar überraschte Audi NSU Mitte 1975 mit dem einzigen echten Facelift für seinen Rotarier, aber schon im April 1977 fuhr der 37.374ste und letzte Ro 80 direkt vom Band ins Deutsche Museum.

1958 das Band. Im März verlängert NSU die Ölwechselintervalle von 10.000 km auf damals rekordverdächtige 20.000 km. Im Juli kommuniziert Audi NSU sogar den ölwechselfreien Kreiskolbenmotor. Schon im Juni wechselte die Ro-80-Produktion von Heilbronn nach Neckarsulm. Nach den Werksferien gibt es Modifikationen im Interieur und technischen Feinschliff wie eine neue Düsenbestückung für den Vergaser und bessere Heizleistung. Zum Jahresende startet der USA-Export des Ro 80. NSU fusioniert mit Audi am 21.8. zur VW-Tochter Audi NSU Auto Union AG mit rückwirkender Gültigkeit zum 1. Januar 1969. Der für den 21. Februar vorgesehene Anlauf der Vorserienproduktion des K 70 und dessen Premiere auf dem Genfer Salon wird abgesagt. Auf der Frankfurter IAA stehen erstmals Serien-Wankel-Modelle von NSU und Mazda auf Ausstellungsständen. Mercedes präsentiert den spektakulären Flügeltürer C 111 mit Dreischeiben-Kreiskolbenmotor, in den Folgejahren sogar mit Vierscheiben-Kreiskolbenmotor. Vom NSU Ro 80 werden 7.811 Einheiten gebaut und 8.219 Einheiten verkauft.
1970: Ab November laufen Audi 100 und NSU Ro 80 von den selben Bändern. Vom NSU Ro 80 werden 7.200 Einheiten gebaut und 6.698 Einheiten verkauft
1971: Ab Mitte Mai neue Exzenterwelle für den Ro 80 mit versetzten Ölbohrungen. Ab Herbst Abgasreinigung via Reaktor, in dem ein Verdichter die Abgase mit Frischluft mischt. Neu sind außerdem Automatik-Dreipunktgurte. Inzwischen wird jeder zweite verkaufte Mazda von einem Kreiskolbenaggregat angetrieben. Vom NSU Ro 80 werden 2.916 Einheiten gebaut und 3.411 Einheiten verkauft
1972: Ab 1. Januar statt 30.000 km und 18 Monate Garantie nur noch 10.000 km und sechs Monate. Neuer Solex-Doppel-Fallstromvergaser mit Startautomatik ab März, der zwar die Leistung steigert, aber auch Mehrverbrauch bewirkt. Ab September werden im Ro 80 die Vordersitze des Audi 100 verbaut. In Neckarsulm läuft die Entwicklung des 170 PS starken KKM 871 und des 130 PS starken KKM 887. Beide Motoren werden in Versuchs- und Vorstandswagen eingebaut, gehen aber nicht in Serie. Trotz mehrerer Preiserhöhungen verdient Audi NSU kein Geld mit dem Ro 80. Vom NSU Ro 80 werden 4.203 Einheiten gebaut und 4.432 Einheiten verkauft
1973: Vertriebsstart von Mazda in Deutschland, dabei das RX-3 Coupé mit Wankelmotor. Auf der Frankfurter IAA debütiert der Citroen GS Birotor mit Zweischeiben-Kreiskolbenmotor, der 1974 in den Handel kommt, aber an den Folgen der ersten Ölkrise scheitert. Diese führt auch zu einem Absatzeinbruch bei Mazda. Vom NSU Ro 80 werden 4.074 Einheiten gebaut und 4.004 Einheiten verkauft
1974: Vom NSU Ro 80 werden nur noch 1.286 Einheiten gebaut und 1.181 Einheiten verkauft
1975: Im Juni Facelift für den Ro 80, erkennbar an gummibelegten Stoßstangen und neuen, größeren Rückleuchten. Das Kennzeichen ist nun zwischen den Rückleuchten positioniert, außerdem neue Ro-80-Schriftzüge. Auch der Motor erfährt Feinschliff. Vom NSU Ro 80 werden 1.311 Einheiten gebaut und 1.518 Einheiten verkauft
1976: Audi NSU erprobt noch einmal den 125 kW/170 PS leistenden KKM-871-Motor, der den Ro 80 mindestens 210 km/h schnell macht. Dennoch wird im September nach Erscheinen des Audi 100 (C2) das Ende für die Ro-80-Produktion beschlossen. Vom NSU Ro 80 werden in diesem Jahr 1.795 Einheiten gebaut und 1.937 Einheiten verkauft.
1977: Am 19. April läuft der 37.374. und letzte NSU Ro 80 vom Band, ein marsrotes Fahrzeug, das fürs Deutsche Museum bestimmt ist. Damit endet nach 91 Jahren der Fahrzeugbau bei NSU. Vom Ro 80 werden 1977 noch 382 Einheiten gebaut
1978: Der einmillionste Mazda mit Kreiskolbenmotor, ein RX-7 wird ausgeliefert
1979: Audi lässt verlauten, dass es vorerst keine neuen Modelle mit Wankelmotor geben wird
1985: Am 1. Januar wird aus der Audi NSU Auto Union AG die Audi AG, der Firmensitz ist in Ingolstadt. Die Namensrechte und Historie vertritt die neugegründete NSU GmbH
2012: Produktionsende für den Mazda RX-8 als vorläufig letztes Großserienmodell mit Kreiskolbenmotor. Insgesamt hat Mazda rund zwei Millionen Wankelmotoren produziert
2017: Die Audi Tradition feiert auf der Techno Classica Essen das 50. Jubiläum des NSU Ro 80
 
Technische Daten NSU Ro 80:
viertürige Limousine der oberen Mittelklasse; Länge: 4,78 Meter, Breite: 1,76 Meter, Höhe: 1,41 Meter, Radstand: 2,86 Meter;
Zwei-Scheiben-Kreiskolbenmotor KKM 612 mit 2 x 497,5 cm³-Kammervolumen, Dreigang-Selektiv-Automatik, 85 kW/115 PS, max Drehmoment 159 Nm bei 4.500/min, 0-100 km/h: 12,8 s, Vmax: 180 km/h, Verbrauch: 11,2 Liter Normalbenzin (DIN-Normverbrauch) und 11 bis 17 Liter je nach Fahrweise (Testverbrauchswerte); ab 1972 mit neuem Fallstromvergaser und Startautomatik höhere Test- und Alltagsverbrauchswerte.
 
Preise NSU Ro 80:
ab 14.150 Mark (1967)
ab 14.319 Mark (1968)
ab 14.863 Mark (1969)
ab 15.500 Mark (1970)
ab 17.300 Mark (1971)
ab 17.590 Mark (01/1973)
ab 17.990 Mark (02/1973)
ab 19.800 Mark (06/1973)
ab 21.520 Mark (1975)
ab 22.695 Mark (1976)
ab 23.620 Mark (1977)

Diese Wankel-Limousine aus dem Windkanal wollte die Autowelt für immer verändern. Mit futuristischer Formgebung, visionärem Kreiskolbenmotor und wegweisender Sicherheitstechnik faszinierte der NSU Ro 80 Fachwelt und Autofans. Vielleicht war es zu viel Zukunft, denn kommerziell fuhr der finale NSU ins Abseits

Fazit
Diese Wankel-Limousine aus dem Windkanal wollte die Autowelt für immer verändern. Mit futuristischer Formgebung, visionärem Kreiskolbenmotor und wegweisender Sicherheitstechnik faszinierte der NSU Ro 80 Fachwelt und Autofans. Vielleicht war es zu viel Zukunft, denn kommerziell fuhr der finale NSU ins Abseits
Testwertung
4.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2017-08-20

Getestete Modelle
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