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Autoplenum, 2010-07-28

Alternative Mobilität - Wir können auch anders

Testbericht

Susanne Kilimann

Daimler und Peugeot haben ihre Konzepte für innovative Mobilität schon
aus der Taufe gehoben und andere Ideen warten auf den Startschuss. Ob
sie die Auto-Gesellschaft in absehbarer Zeit tatsächlich verändern können,
bleibt allerdings fraglich.

Stammgästen des Genfer Autosalons ist Frank Rinderknecht ein Begriff. Mit
seiner Firma Rinspeed versorgt der Schweizer Tuner schon seit
Jahrzehnten jede Autoshow am Genfer See mit aufsehenerregenden
Studien und Konzepten. Immer wieder packte Rinderknecht am Lac Leman
spektakuläre PS-Giganten aus; automobile Träumereien, die schon mal die
Gene von Porsches 911er Turbo und Ferraris Testarossa in sich vereinten.
Noch 2005 präsentierte der Schweizer das „sinnlichste Auto der Welt“ –
ein Konzept, das der Maxime „schneller, flacher, breiter“ verpflichtet war.
In den letzten Jahren aber haben die Entwicklungsaktivitäten in der
Rinspeed-Schmiede eine völlig andere Richtung eingeschlagen.

Der selbst ernannte Automobil-Visionär und sein Team haben sich
alternativen Antriebstechnologien verschrieben und tüfteln jetzt an neuen
Mobilitätskonzepten. Auf dem Autosalon im letzten März stellte der Tuner
einen winzigen Cityflitzer namens „Rinspeed UC“ vor. Das Kürzel steht für
„Urban Commuter“ und heißt soviel wie Pendlermobil. Mit einer Länge von
knapp 2,60 Meter ist der Autozwerg zehn Zentimeter kürzer als ein Smart
Fortwo. Bewegt wird er rein elektrisch. Eine Ladung seiner Lithium-Ionen-
Batterie reicht nach Angaben seines Konstrukteurs für 105 Kilometer aus.

Das eigentliche Innovation aber ist das Gesamtpaket, in das der kleine
Stromer eingebettet ist. In der virtuellen Welt haben die Rinspeed-
Entwickler schon mal einen Bahnwaggon so umgerüstet, dass er mehrere
solcher Mini-Autos bequem an Bord nehmen könnte. Längere Strecken, so
die Idee, legt das Pendlermobil dann im Zug zurück. An der Bord-Tankstelle
kann es dabei sogar Strom für den nächsten aktiven Fahrabschnitt zapfen.
In den Augen seines Erfinders ist „Rinspeed UC“ weit mehr als eine
futuristische Studie. Das Auto, das technisch auf dem Fiat 500 basiert,
ließe sich zum erschwinglichen Preis produzieren und die Schweizer Bahn
könne Waggons für die Aufnahm

e der kleinen Pendlerautos ohne all zu großen Aufwand umrüsten. Es gebe
bereits Gespräche mit Interessenten, hieß es auf dem Autosalon. Ein
Vierteljahr nach dem interessanten Messeauftritt ist das Projekt dem
Serienstart allerdings noch nicht viel näher gekommen. „In Bezug auf den
UC laufen interessante Gespräche“, sagt Rinderknecht. Die Zugbetreiber
würden sich aber „sehr zurückhaltend geben“, schränkt der Unternehmer
ein. Wichtig sei jedoch, dass „Gedanken angestoßen“ werden und dass sich
„Paradigmen ändern“, so der Automobil-Visionär und motiviert sich selbst
mit Weisheiten aus dem Historikerfundus. „Rom“, so Rinderknecht,
„wurde auch nicht über Nacht gebaut.“

Daimlers Projekt „car2go“ kommt ohne Züge aus und wächst nach
Einschätzung seiner Macher zusehends aus den Kinderschuhen heraus.
Seit über einem Jahr findet man in und um Ulm herum weiß-blaue
Smarts, die registrierten Nutzern für beliebig lange oder kurze Fahrten
zu Diensten stehen. Abgerechnet wird anschließend im Minutentakt.
Dadurch unterscheidet sich die smarte Mietauto-Idee vom Angebot
herkömmlicher Leihwagenfirmen. Auch dass Kunden das Auto nach
Gebrauch auf dem nächstbesten Parkplatz im Stadtgebiet abstellen
können, macht die Sache unkompliziert und offenbar für viele attraktiv.
Die Bilanz, die Daimler im März, zum ersten Geburtstag seines Car2go-
Projektes, vorgelegt hat, fällt durchweg positiv aus. Statt der erwarteten
8.000 Kunden hatten sich in den ersten zwölf Monaten fast 18.000
Menschen bei Car2go registrieren lassen. Inzwischen sollen es schon
rund 20.000 sein. Bei den jungen Führerscheininhabern, den 18- bis
35jährigen, hat bereits jeder Dritte ein Car2go-Siegel auf dem
Führerschein kleben. Gut die Hälfte der Kunden greift regelmäßig auf ein
Exemplar der weiß-blauen Flotte zurück, zeigt die Auswertung des
Anbieters. Mehrere Hundert Autofahrer machen demnach sogar täglich
von einem Miet-Smart Gebrauch.

Auch bei der Stadt Ulm ist man mit der Entwicklung des innovativen
Mobilitätskonzeptes durchaus zufrieden. Die Stadt habe ein zusätzliches
Angebot für den innerstädtischen Verkehr erhalten, das insbesondere die
Parkraumsituation entlastete, lobt Oberbürgermeister Ivo Gönner. Dass
man im Frühjahr 2010 in der Ulmer Innenstadt tatsächlich schneller ein
paar freie Quadratmeter fürs Auto findet, als in den Jahren zuvor, könne
jedoch nicht allein als Verdienst von Car2go verbucht werden, räumt
Walter Laitenberger ein, der das Miet-Smart-Projekt auf städtischer Seite
begleitet. Ulm habe seine Parkplatzkapazitäten kürzlich auch deutlich
erweitert.

Das neue Geschäftsfeld, das Daimler mit Car2go auslotet, zielt aber auch
auf ganz andere Dimensionen. Großstädte und Ballungszentren sind das
angepeilte Revier. Dass ausgerechnet das beschauliche Ulm und nicht etwa
Berlin oder eine Ruhrmetropole Teststandort wurde, hat vor allem
logistische Gründe. Die Telematik, die Kunden per Mobiltelefon zum
nächsten freien Miet-Smart lotst, wird am Daimler-Forschungsstandort
Ulm entwickelt. In der Einführungsphase des Projekts waren Daten und
tatsächlicher Autostandort nicht immer deckungsgleich. In Kürze soll nun
die neue Generation der car2go-Telematik zum Einsatz kommen. Damit
werde die Abwicklung des Mietvorgangs noch „komfortabler und intuitiver“
als bisher, versprechen die Car2go-Betreiber. Die weiterentwickelte
Software geht mit der neuen Miet-Smart-Flotte an den Start, die Daimler
in der zweiten Jahreshälfte auf die Straßen von Ulm und Neu-Ulm bringen
will. Statt der bisherigen Diesel stehen dann Smart mhd mit Ottomotor
und Start-/Stopp-Automatik bereit. Gleichzeitig soll die Flotte von 200 auf
300 Fahrzeuge aufgestockt werden.

Ein weiterer Car2go-Versuch läuft zur Zeit im texanischen Austin.
Inzwischen sei das Projekt aber auch reif für eine europäische Großstadt,
sind die Car2go-Macher überzeugt. Ende des Jahres soll es soweit sein. Auf
welche europäische Millionenstadt die Wahl gefallen ist, hat derzeit noch
Top-Secret-Status. Peugeot hat ebenfalls ein Konzept für neue
Mobilitätsbedürfnisse aus der Taufe gehoben. Mit „My by Peugeot“ können
Kunden in ausgewählten Autohäusern in Paris und Berlin für beliebige Zeit
das Fahrzeug mieten, das gerade passt - Kleinwagen, Transporter, Cabrio
oder auch ein Fahrrad mit Elektromotor. Ferdinand Dudenhöffer,
Automobilexperte an der Universität Duisburg-Essen, hält die Projekte für
„höchst spannend“. Dass sie die Auto-Gesellschaft in den nächsten zehn
Jahren grundlegend verändern werden, bezweifelt er. „Die wenigsten
Menschen werden deswegen tatsächlich auf ein eigenes Auto verzichten.
Solche Angebote werden vielmehr parallel zum eigenen Wagen genutzt“,
ist Dudenhöffer überzeugt. Wenn es ums Auto geht, sei das Verhalten der
Menschen nun mal „sehr resistent“.

Quelle: Autoplenum, 2010-07-28
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