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Testbericht

Patrick Broich/SP-X, 26. November 2020
SP-X/Köln. In den frühen Sechzigerjahren war es in Deutschland schlecht bestellt um bezahlbare Sportwagen heimischer Provenienz – man musste entweder auf britische oder italienische Produkte ausweichen oder eben deutlich mehr Geld für Boliden aus dem Hause BMW oder Porsche ausgeben. Diese Lücke wollte Andreas Glas, Juniorchef der Hans Glas GmbH, schließen und kreierte mit Hilfe von Karosseriebauer Frua ein attraktives Coupé. Ab dem Jahr 1964 war die Modelllandschaft also um einen erschwinglichen Sportwagen reicher – nämlich um den Glas GT. Der zierliche Sportler im heutigen Kleinwagen-Format (4,05 Außenlänge) ist in der Tat ein Hingucker. Seine Kombination aus kurzem Heck und langer, flacher Schnauze erzeugt Sexappeal, die kleine Hutze auf der Motorhaube lässt ahnen, dass der 1,7-Liter-Vierzylinder bei Bedarf tief durchatmen kann.Die übrigen Verkehrsteilnehmer durften sich gewarnt fühlen, und das gilt noch viel mehr, wenn der Sportler in der zeittypischen orangenen Bonbonfarbe vorfährt. Das gut sortierte rollende Museum des Einbecker PS-Speichers macht es möglich, auf automobile Zeitreise zu gehen, um nachvollziehen zu können, wie sich 74 KW/100 PS vor 55 Jahren angefühlt haben.Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn der zeitgenössische 1700 GT tummelte sich in einem Verkehrsraum, in dem die meisten Teilnehmer mit weit unter 50 PS Vorlieb nehmen mussten. Glas spendiert seinem soundstarken Benziner-Herz eine obenliegende Nockenwelle, was in diesem Preissegment eine Ansage war. Um die Kosten dieses modernen Triebwerks zu kompensieren, dirigiert ein Zahnriemen die Ventile und eben keine Steuerkette. Glas scheut die Kosten, aber nicht die Mühen, schickt die Fahrgestelle über die Alpen nach Turin und lässt sie einkleiden, bevor sie wieder nach Bayern transportiert werden. Klingt aufwendig, war aber machbar, weil die Lohnkosten in Italien günstiger waren als hierzulande.Genug der Theorie, jetzt geht es hinters Steuer. Der Glas GT sitzt stramm, aber fühlt sich nicht wirklich eng an. Vielleicht täuscht dieser Eindruck aber auch einfach, weil man sich auf die schicken Instrumente konzentriert, die aus nicht weniger als sechs mechanischen Präzisionsmessgeräten bestehen. Hier erfährt man etwas über den Öldruck, die Temperaturen von Schmiermittel und Kühlwasser. Klar, über Drehzahl, Tempo und Tankfüllstand informieren die Rundskalen auch. Doch es ist nicht nur die Fülle an Infos, die fasziniert, sondern auch die Darbietungsform: Das Ensemble aus den chromumrandeten Skalen präsentiert sich akkurat integriert in den elegant gebogenen Instrumententräger, der in seiner Anmut nicht hinter dem eines damals mehr als doppelt so teuren Ferrari 275 zurückstehen muss.Dass der Dingolfinger nur mit einem Drittel von dessen Zylinder auskommen muss, macht gar nichts, ist schnell vergessen, wenn die 1700er-Drehmaschine einmal in ihrem Element ist. Und hier treffen 100 Pferdchen auf schmale 850 kg Leergewicht, da geht es vorwärts. Der Vierzylinder hängt gut am Gas, nachdem er Betriebstemperatur erreicht hat und steigt die Tonleiter kongruent zur Drehzahl hinauf. Das alte Glas-Coupé fährt viel launiger, als die schnöde Werksangabe von zwölf Sekunden bis Landstraßentempo vermuten lässt. Sechzigerjahre-Autos fahren einfach roher, ungefiltert und erfrischend direkt. Ein bisschen skurril wirkt das große Lenkrad für ein Auto dieses Kalibers, aber es erleichtert das Rangieren in der Stadt ungemein – Servolenkung? Natürlich nicht. Dabei treibt es den Glas GT gen Landstraße, man möchte den kleinen Sportler mit seinem Hinterradantrieb beherzt um die Ecken schmeißen, aber muss sich immer wieder ein bisschen einbremsen. Schließlich soll das neuwertige Museumsstück ja heil wieder ins Depot.Auf der Straße trifft man den sportiven Gran Turismo heutzutage eher selten, mit knapp 7.000 Einheiten war er auch nie ein Massenauto, wobei der Verkauf seinerzeit gut anlief. Doch Deutschlands einstiger kleinster Autobauer mit Fließbandfertigung hat sich vergaloppiert mit seiner properen Modellpalette, die zeitweise gar das Angebot des Volkswagen-Konzerns übertrumpfte. In die Knie gezwungen, wurde der Hersteller ein Übernahmekandidat für die bayerischen Motorenwerke, die die Produktion in Dingolfing übrigens bis heute betreiben. So endete die Glas GT-Karriere im ersten Schritt, indem er im Jahr 1967 zunächst auf BMW 1600 GT umgelabelt wurde und den Motor aus dem 1600 TI erhielt sowie statt der Starr- eine Schräglenker-Achse hinten. Äußerlich machen die BMW-Niere sowie die Rückleuchten aus der BMW 02-Reihe auf die späten Modelle aufmerksam. Der zweite Schritt folgte schnell, denn bereits ein gutes Jahr später war die GT-Ära Geschichte. Die bis heute erhaltenen Exemplare dürften hingegen noch lange leben.Kurzcharakteristik:Chronik:1963: Der Glas 1300 GT feiert Publikumspremiere auf der IAA1964: Markteinführung des Glas 1300 GT als Coupé und Cabrio1965: Der stärkere 1700 GT ergänzt das Modellprogramm1967: Infolge der Übernahme Glas’ durch BMW wird aus dem GT ein BMW1968: Die BMW 1600 GT-Produktion läuft ausGlas 1700 GT - Technische Daten:Zweitüriges Sportcoupé, Länge: 4,05 Meter, Breite: 1,55 Meter, Höhe: 1,28 Meter, Radstand: 2,32 Meter1,7-l-Vierzylinder-Otto-Viertaktmotor mit obenliegender Nockenwelle und Zahnriemen, 74 kW/100 PS, maximales Drehmoment: 147 Nm bei 3.000 U/min, Hinterradantrieb, 0-100 km/h: 12,0 s, Vmax: 174 km/hEhemaliger Neupreis: 13.850 DMHeutiger Marktpreis nach Classic Data:Glas 1700 GTNote 1:      60.700 EuroNote 2:      46.000 EuroNote 3:      35.200 EuroWer sich überhaupt noch an die Glaswerke erinnert oder sie zumindest dem Namen nach kennt, verbindet damit vermutlich am ehesten das kultige Goggomobil. Doch die Dingolfinger konnten auch Sportwagen. Wir waren mit dem Glas 1700 GT unterwegs. 
Fazit
Wer sich überhaupt noch an die Glaswerke erinnert oder sie zumindest dem Namen nach kennt, verbindet damit vermutlich am ehesten das kultige Goggomobil. Doch die Dingolfinger konnten auch Sportwagen. Wir waren mit dem Glas 1700 GT unterwegs. 

Quelle: Autoplenum, 2020-11-26

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