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Testbericht

Stefan Grundhoff, 12. Juni 2009
Der Name Silberpfeil steht für Automobilgeschichte. 75 Jahre nach dem Start der ersten Silberlinge blicken Mercedes und Audi nun ganz unterschiedlich auf die Anfänge des eigenen Motorsports zurück.

75 Jahre Silberpfeile - der Geburtstag ist rund, die Lust zu feiern eher verhalten. Das Mercedes-Formel-1-Team hat zuletzt in der Türkei wieder einmal heftig Prügel bezogen. Nicht zum ersten Mal in dieser Saison. Kein Wunder also, dass Lewis Hamilton da ein paar Runden im legendären W25-Rennwagen von 1934 auf der Mercedes-eigene Einfahrbahn in Stuttgart-Untertürkheim als mentaler Ausgleich gerade Recht kommen.

Hamilton, der als amtierender Weltmeister in der Formel-1 derzeit hinterher fährt, genießt die schnellen Runden auf dem kurzen Oval sichtlich. "Das Fahren des W25 ist nicht ganz einfach. Aber die Beschleunigung ist enorm – obwohl der Wagen 75 Jahre alt ist", sagt Lewis Hamilton voller Anerkennung über den Silberpfeil. Fehlzündungen klingen bei dem Renn-Urgestein wie Explosionen. Und nur in Ansätzen mag man erahnen, wie der alte W25 im Jahre 1934 beim Eifelrennen für Furore gesorgt hat. Bei Mercedes ist man stolz auf die Motorsporthistorie des Unternehmens. Was hat man nicht alles gewonnen? 75 Jahre Silberpfeile - dazu gehören Rennfahrergrößen wie Juan Manuel Fangio, Manfred von Brauchitsch, Stirling Moss, Rudolf Caracciola oder Hans Herrmann. Sie feierten auf den alten Mercedes-Silberlingen grandiose Erfolge, siegten bei Eifelrennen, in Le Mans, auf der Nordschleife, in Monza und in Spa. Bis 1955, als ein schwerer Unfall in Le Mans 80 Tote fordert und Mercedes für viele Jahre aus dem Rennsport ausstieg. In der Neuzeit machten die Silberpfeile nach dem Wiedereinstieg in die Formel 1 im Jahre 1994 wieder lautstark auf sich aufmerksam. Mika Hakkinen, David Coulthard oder zuletzt Lewis Hamilton fuhren sich unter dem Logo mit dem Stern in die Rennsportannalen. Doch nach dem Weltmeistertitel 2008 verläuft das aktuelle Jahr ziemlich lausig. Das Werksteam fährt hintenan, während ein Mercedes-Triebwerk in den Konkurrenzautos von Ross Brawn Sieg um Sieg holen.

"Die Formel 1 früher und heute kann man gar nicht vergleichen", erzählt Ex-Rennfahrer Jochen Mass, als er in den alten W-125er-Rennwagen von 1937 einsteigt. "Mit diesen dünnen Reifen, der großen Motorleistung über Stunden derart präzise und schnell zu fahren, das ist nach heutigen Maßstäben nahezu unvorstellbar."

Zeit, mit ein paar lieb gewonnen Legenden aufzuräumen. Der Name "Silberpfeil" etwa stammt weder von Mercedes noch von Audi. Zuschauer und Journalisten waren es, die den deutschen Rennern nach zahlreichen Erfolgen den einprägsamen Namen gaben. Die Ära der Silberpfeile begann im 1934 mit dem Formel-Rennwagen W25. Der 750 Kilogramm schwere Renner wird von einem Achtzylinder mit 3,4 Litern Hubraum angetrieben. Am Steuer des 354 PS starken Kompressors versetzte unter anderem Rudolf Caracciola seine Konkurrenz in Angst und Schrecken. Der Sage nach war der der Rennwagen bei der Gewichtskontrolle des Eifelrennens ein Kilogramm zu schwer. Das Abschleifen des Lacks brachte den Boliden unter die Gewichtsgrenze von 750 Kilogramm und ließ den an sich weißen Renner silbern strahlen. Zum 75jährigen Jubiläum zeigt sich der W25 nun im Bestzustand. "Der Wagen ist bei uns seit 1977 nicht mehr gelaufen", erzählt Chefmechaniker Uwe Karrer. "Die Restauration hat gut und gerne neun Monate Zeit in Anspruch genommen."

Der Lärm des Nachfolgemodells W125 klingt noch brachialer. Als Jochen Mass auf der Mercedes-Bahn in Untertürkheim ein paar schnelle Runden dreht, zeigt der ebenfalls 750 Kilogramm schwere Bolide, wieso er bis in die 80er Jahre hinein der leistungsstärkste Grand-Prix-Wagen war. Dank Kompressoraufladung holt der Achtzylinder aus 5,7 Litern Hubraum 435 kW/592 PS. Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 320 km/h erzielte der W 125 in zwölf großen Preisen sechs erste, neun zweite und sechs dritte Plätze. Rudolf Caracciola wurde auf ihm 1937 Europameister. Hans Herrmann pilotiert auf der Einfahrstrecke derweil einen W196, das erste Nachkriegsmodell aus dem Hause Mercedes. "Den Helm hatte ich damals auch bei dem Avus-Rennen auf dem Kopf", sagt der 81jährige und strahlt, als er den betagten Kopfschutz anlegt. "Das Fahren wird von Runde zu Runde besser. Macht einfach Spaß, wieder mal in dem alten W196 zu sitzen." Bei Audi sehen die Vorzeichen für das 75jährige Silberpfeil-Jubiläum deutlich positiver aus. Im Juli feiert der Konzern mit den Ringen das 100jährige Firmenjubiläum. Und die Vorfreude auf die diesjährigen 24 Stunden von Le Mans tut ihr übriges.

Während die Mercedes-Modelle ursprünglich weiß lackiert waren, setzte man bei Audi bereits frühzeitig auf das naturbelassene Aluminiumkolorit. Mercedes fuhr erstmals beim Eifelrennen am 3. Juni 1934 in Silber - die Silberpfeile der Auto Union waren eine knappe Nasenlänge voraus: Sie starteten so erstmals eine Woche vorher beim Großen Preis auf der Avus in Berlin. Mercedes musste seine Renner damals mit technischen Problemen komplett zurückziehen.

Die auf der langen Avus-Geraden bis zu 380 km/h schnellen Rennwagen der Auto Union wurden unter anderem von Hans Stuck und August Momberger pilotiert. Zu einem Sieg hat es beim ersten Rennen jedoch weder für Audi noch Mercedes gereicht. Am Ende gewann Alfa Romeo mit den Piloten Guy Moll und Achille Varzi. Regenkönig August Momberger landete mit seinem 295 PS starken Auto Union Typ A nach dem Ausfall des Trainingsbesten Hans Stuck immerhin noch auf Platz drei. Im Vergleich zum Hauptkonkurrenten Mercedes-Benz trugen die Fahrzeuge der Auto Union zwar die gleiche Lackierung. Jedoch befand sich bei híhnen der lautstarke 16-Zylinder in der Mitte des Fahrzeugs hinter dem Fahrer. Das maximale Drehmoment des Typs C aus dem Jahre 1937 lag bei 870 Nm – bei 2.500 Touren und 520 PS. Die Kosten hielten sich nach heutigen Maßstäben noch im Rahmen. Auto Union gab pro Jahr zwischen 1,3 bis 2,5 Millionen Reichsmark für das Rennengagement aus, ein Rennwagen war seinerzeit für 50.000 bis 70.000 Reichsmark zu haben.

Dafür gibt es in der heutigen Zeit nicht einmal ein Renngetriebe – weder in der Formel 1 noch in der Le-Mans-Serie, wo beide Hersteller sich ihre sportliche Heimat gesucht haben. Ein Grund zum Feiern haben beide – und selten standen Stern und Ringe so einhellig beisammen.

Quelle: Autoplenum, 2009-06-12

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