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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 16. November 2014
Aufgepasst Rolls-Royce: Bentley hat den Mulsanne aufgebohrt. Das Flaggschiff der VW-Luxus-Tochter fliegt jetzt mit 537 PS und gönnt seinen Insassen ein brachiales Drehmoment von 1.100 Newtonmetern.

Porsche-Boxster Fahrer müssen jetzt stark sein. Wenn plötzlich ein mächtiger Kühlergrill im Rückspiegel auftaucht, genügt kein leichter Tritt aufs Gaspedal. So leicht lässt sich der Bentley Mulsanne Speed nicht abschütteln. Das liegt vor allem an dem brachialen Drehmoment von 1.100 Newtonmetern (80 mehr als beim normalen Mulsanne) und der Kraft von 537 PS (plus 25 PS). Die Fahrleistungen sind dementsprechend: In nur 4,9 Sekunden knackt das gigantische 2,7-Tonnen-Gefährt die 100 km/h-Marke und bis 305 km/h wird der Luxus-Liner so manchem Sportwagen am Heck kleben.

In Bewegung spielt das sänftengleiche Luxusmobil in einer ganz eigenen Liga. Die Techniker fassten etwa 50 Teile des 6.8-Liter-Bi-Turbo-V8-Kraftwersks an, überarbeiteten den Zylinderkopf und verbesserten vor allem die Fahrbarkeit. Jetzt steht das maximale Drehmoment bereits bei 1.750 U/min zur Verfügung. Damit hat der Mulsanne Speed jene Souveränität, die man von ihm erwartet. Hektisches Loshecheln ist seine Sache nicht. Die Edel-Limousine beschleunigt lässig über das gesamte Drehzahlband. Auch wenn mancher Traditionalist jetzt die verärgert die Mundwinkel nach unten ziehen wird, stehen dem Fahrer im Mulsanne Speed verschiedene Fahrmodi zur Verfügung, inklusive einem, bei dem er das Gefährt nach seinem Gusto abstimmen kann. Beim Komfort-Fahrprogramm, ist die Gasannahme so unsensibel eingestellt, das selbst deutliche Pedalbewegungen nicht zu einem zuckenden Fahrverhalten führen. "Unsere Kunden wünschen das so", erklärt Baureihenleiter Ashley Wickham. Ergibt ja auch Sinn: Beim Mulsanne Speed geht es um das forcierte Gleiten, nicht um Ampelstarts.

Trotzdem: Bei einem Kickdown entfaltet der Motor seine Kraft und die Newtonmeter-Armada tritt den Insassen mit einer Verve ins Kreuz, die ihresgleichen sucht. Sobald der Fahrprogramm-Drehknopf auf "Sport" steht, verändert der auch der gesittete Mulsanne seinen Charakter. Dann sind die Fahrstufenwechsel der ZF-Achtgangautomatik schneller, die Gasannahme unmittelbarer, die Dämpfer härter und die Lenkung direkter. Damit mutiert das Flaggschiff zwar keinesfalls zu einem wieseligen Jet-Ski, ist aber einen Schuss spritziger unterwegs. Nimmt man das Schalten noch in die eigene Hand, flitzt der Hecktriebler geschmeidig und erstaunlich gutmütig um die Ecke. Doch diese Agilität ist trügerisch. Schließlich bewegt man immer noch einen schweren Luxus-Kreuzer mit einem brutalen Drehmoment. Übertreibt man es, meldet sich das mächtige Heck zu Wort, wird aber von der Technik sofort wieder eingefangen.

Den Durchschnittsverbrauch gibt Bentley mit 14,6 Litern pro 100 km an, was einer Reduzierung des Dursts um 13 Prozent entspricht. Doch wer in einem rollenden Luxusliner für knapp 324.000 Euro Grundpreis sitzt, macht sich über solche Nebensächlichkeiten, wie Benzinkosten keine allzu großen Gedanken. Reichweite? Ach, ich bitte Sie. Der Tank fasst 96 Liter. Das sollte reichen, um zum Nachmittagstee zu kommen. Sobald man in den gemütlichen Ledersesseln Platz genommen hat, verschwinden solche trivialen Gedanken. In diesem Luxus-Wohnzimmer lebt man in einer eigenen Welt. Sauber eingepasste Klavierlack-Applikationen, akkurat gefertigte Ziernähte und verchromte Drehknöpfe fühlen sich gut an. Ein bisschen Speed muss schon sein, dafür sorgen die Carbon-Elemente im Tür-Innenraum. Auf Knopfdruck klappt der Infotainment-Bildschirm nach hinten und verschwindet hinter einer Klappe. Dann bekommt das Cockpit mit den chromumrandeten Instrumenten das klassische Aussehen, das die traditionsbewusste Kundschaft bevorzugt.

Der Geruch des sorgfältig ausgesuchten Leders erinnert an den eines vornehmen Gentlemen‘s Club. Und genauso fühlt man sich auch: Im Fond befindet sich ein Kühlschrank mit edlen Kristall-Champagnergläsern, die auf dem Boden das Bentley-Initial tragen. So lässt sich der perfekt temperierte Dom Pérignon stilecht kredenzen. Der Preis für den Edel-Kühler? Was sind bitte knapp 10.000 Euro in Anbetracht dieser zeitlosen Noblesse. Dass Bentley aber für das Warndreieck und den Verbandskasten 119 Euro aufruft, lässt sich dagegen nur schwer nachvollziehen. Bei einem Gesamtpreis des Probanden von knapp 387.000 Euro sollte dies ebenso wie die zwei Schirme für 184,45 Euro drin sein. Dieses Aufpreisgebahren passt nicht zum noblen Auto. Zumal der Kunde nicht einmal für Geld oder gute Worte Assistenzsysteme, wie einen Toten-Winkel-Assistenten oder Spurwechselwarner bekommt. Da Bentley sind im Volkswagen-Konzernregal bedienen kann, wären bei einem 5,58 Meter langen und 2,21 Meter breiten Auto auch Rundum-Parksensoren, wie sie einige VW-Modelle haben, nützlich. Zumal China einer der Hauptmärkte für den Mulsanne Speeed ist. Immerhin hilft ein adaptiver Tempomat im Alltagsstau.

Die Verwandtschaft zu Audi wird bei der Bedienung des Infotainment-Systems via Drehregler und den dazugehöriger Knöpfe offensichtlich. Allerdings ist die Anmutung der Menüs, die Graphik und die Anordnung der Bedienelemente nicht auf der Höhe. "Für uns steht die Zuverlässigkeit an oberster Stelle", erklärt Ashley Wickham den Einsatz der bewährten Technik. Solche Nebensächlichkeiten dürften die meisten Käufer des Mulsanne Speed nicht interessieren, da sie im Fond sitzen und Schampus schlürfen, während der Chauffeur für eine bestmögliche Fahrt sorgt.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2014-11-16

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