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Testbericht

Susanne Kilimann, 3. März 2010
In den USA sammeln private Datendienste schon seit Jahren alle verfügbaren Daten aus dem „Leben“ der US-Autos: Anzahl der Besitzer, Reparaturen, Kilometerstände, Unfallschäden – alles wird erfasst und bei Bedarf als Report verkauft.

Auf der A9 setzt plötzlich der Motor aus. Eine gefährliche Situation für die junge Fahrerin. Glücklicherweise passiert nichts Schlimmeres. Der Abschleppdienst bringt den manövrierunfähigen Audi TT zur nächsten Fachwerkstatt. Dort wird der Servicemeister stutzig, weil er die Identifikationsnummer des maroden Fahrzeugs nicht zuordnen kann. Der Fachmann bittet bei einem Datendienst für US-Importwagen um Recherche. Prompt wird man fündig. Anhand der 17-stelligen Identifikationsnummer lässt sich zweifelsfrei erkennen, dass dieses Sportcoupé aus den Staaten stammt. Eine Versicherung hat das Auto zudem mit einem „title“ versehen, einem Negativprädikat, das auf schwerste technische Mängel verweist. Der Audi war Opfer von Wirbelsturm Katrina, stand nach dem verheerenden Hurrikan dreieinhalb Wochen in den Fluten. Anschließend ware sämtliche Leitungen defekt - ein nahezu irreparabler Schaden.

Auf dem US-Markt wäre der Audi mit „title“ praktisch unverkäuflich gewesen, hätte lediglich zum Ausschlachten an einen Teileverwerter veräußert werden können. Doch der Händler, der den innerlich lädierten, äußerlich aber weitgehend unversehrten TT bei der Auktion erwarb, hatte andere Pläne. Er verkaufte das Sportcoupé nach Europa – wo ihn schließlich die junge Münchnerin in einer Gebrauchtwagenbörse fand.

Fahrzeughistorien, die verbraucherrelevante, fahrzeugbezogene Informationen wie zum Beispiel den tatsächlichen Kilometerstand, die Anzahl der Vorbesitzer und bisherige Unfälle und Schäden eines Wagens in einer Art Steckbrief zusammenfassen, bieten mehr Sicherheit für den Verbraucher und können Gebrauchtwagenkunden vor den fiesen Machenschaften unlauterer Händler schützen, sagen Christian Schmitz und Frank Brüggink. Die beiden jungen Männer aus München sind Geschäftsführer der Carfax Europe GmbH. Der europäische Ableger des US-Mutterkonzern will in Europa durchsetzen, was in den USA gang und gäbe ist.

Auf der anderen Seite des Atlantik sammelt Carfax schon seit über 20 Jahren alle verfügbaren Daten sämtlicher Fahrzeuge, die in einem der US- Bundesstaaten zugelassen worden. Mehrere Milliarden Datensätze beinhaltet die gigantische Datenbank des Unternehmens inzwischen. Gespeist wird die Sammlung von den Zulassungsbehörden, von Polizei und Feuerwehr, von Abschleppdiensten, Händlern, Werkstätten, Mietwagenfirmen, Versicherungen und anderen Stellen mehr. Gebrauchtwagenkunden können, wenn sie ein bestimmtes Fahrzeug ins Auge gefasst haben, anhand der Fahrzeugidentifikationsnummer beim einem der Datenanbieter recherchieren lassen. Zunächst wird gecheckt, ob und wie viele Einträge es in der Datensammlung zur angefragten Nummer gibt - und das ist kostenlos. Will der Kunde Näheres wissen, muss er die Fahrzeughistorie anfordern, für die selbstverständlich eine Gebühr anfällt.

In Deutschland gibt es einen solchen Service nicht. Die Sammlung und Weitergaben der Daten wäre mit den derzeit bestehenden Datenschutzbestimmungen nicht vereinbar. Die Auto-Biografen von Carfax dürfen hierzulande nur tätig werden, wenn es um in den USA gesammelte Informationen zu Importwagen geht. Die mal mehr mal weniger umfangreichen Reporte werden allerdings nicht nur von Kaufwilligen bestellt. „Die Zulassungsbehörden in Nordrhein-Westfalen machen sich unsere Daten zu nutze, damit Autos mit bedenklicher Vorgeschichte hier gar nicht erst auf die Straßen kommen,“ sagt Carfax- Mann Brüggink.

Aber nicht nur unter den Gebrauchtwagen, die von Kontinent zu Kontinenten verschoben werden, befindet sich allerhand Gefahrengut. Der grenzübergreifende Autohandel in Europa, oftmals onlinebasiert und ohne direkten Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer, öffnet Betrügern Tür und Tor, so die Erfahrung der Datenprofis. Schmitz und Brüggink berufen sich dabei auf einen Abgleich italienischer und schwedischer Fahrzeugdaten. Die italienischen Behörden hatten ihnen unlängst Daten von stillgelegten Fahrzeugen zur Verfügung gestellt. „Für uns war das Material besonders aufschlussreich, weil die Italiener sogar den Grund für die Stilllegung erfassen. Man kann also sehen, ob ein Auto als gestohlen, als ins Ausland verkauft oder als verschrottet gemeldet worden ist.“ Rund dreieinhalbtausend Autos, die im Stiefelland als verschrottet oder gestohlen gelten, seien in der schwedischen Fahrzeugbestands-Datenbank wieder aufgetaucht. „Wir haben die Daten an die Behörden beider Länder weitergegeben. Jetzt ist es ihnen überlassen, welche Konsequenzen sie daraus ziehen.“

Das für seine Offenheit im Ungang mit persönlichen Daten bekannte Schweden erlaubt die Sammlung der relevanten Daten und die Ausgabe von Fahrzeughistorien inzwischen uneingeschränkt für alle Autos. Kunden zahlen für einen abgeforderten Report umgerechnet etwa zehn Euro. Auch das kleine Slowenien hat grünes Licht für die Datensammelpraxis gegeben. In Deutschland leisten die Schmitz und Brüggikk derzeit noch Aufklärungsarbeit. Wenn schon in einem bevölkerungsarmen Land wie Schweden so viele Fahrzeuge zweifelhafter Herkunft unterwegs sind, lassen sich die Größenordnungen erahnen, in denen bedenkliche automobile Ware in große Märkte wie Deutschland und Frankreich geschleust wird, geben die Geschäftsmänner zu bedenken, wenn sie mit ihrem Konzept hausieren gehen. Bedenken von Verbraucherschutzorganisationen habe man jedoch schon weitgehend aus dem Weg räumen können, sagt Schmitz. „Denn unsere Datenbank enthält ja überhaupt keinen personenbezogenen Informationen. Alle Daten lassen sich ausschließlich der Fahrzeugnummer zuordnen.“

Jetzt gilt es allerdings, auch auf der politischen Bühne Befürworter zu finden, damit der rechtliche Rahmen für eine Fahrzeughistorien- Datenbank geschaffen werden kann. Bei Andreas Scheuer, dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, sind die Carfaxer offenbar schon auf offene Ohren gestoßen. „ Ergänzend zu staatlichen Maßnahmen trägt so eine private Initiative wesentlich zu einer Steigerung von Verkehrssicherheit und Verbraucherschutz in Europa bei“, meint Scheuer. Gleichzeitig bedeute diese Transparenz auch eine Chance für die Gebrauchtwagenhändler. Sie könnten die Fahrzeughistorien im Sinne eines Qualitätssiegels nutzen.

Quelle: Autoplenum, 2010-03-03

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