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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 22. April 2015
Die ganz fetten Zeiten der zweistelligen Zuwachsraten sind in China erst einmal vorbei. Obwohl noch immer mächtig Geld verdient wird, müssen sich die Autobauer neue Strategien im Kampf um Marktanteile einfallen lassen.

Jedem war klar, dass der chinesische Automarkt an Fahrt verlieren wird. Das sind die Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft. Nur wusste keiner genau, wann. Jetzt scheint es so weit zu sein. Vorhersagen zufolge wird der chinesische Automarkt in diesem Jahr nur noch um sieben Prozent wachsen. Doch für Wehklagen besteht in den Konzernzentralen in München, Stuttgart und Wolfsburg kein Grund. Immerhin würden sich 25 Millionen Chinesen ein neues Auto leisten. Damit ist das Reich der Mitte nach wie vor der größte Automarkt der Welt. Die tatsächlichen Zahlen sind etwas ernüchternder: In den ersten drei Monaten legten die Verkäufe lediglich um 3,9 Prozent zu. Im vergangenen Jahr waren im gleichen Zeitraum noch 9,2 Prozent. Das abflachende Wachstum hinterlässt bereits erste Spuren bei den Autobauern. BMW hat die Produktion in China schon gedrosselt und der Elektroauto-Pionier Tesla plant laut chinesischen Medien rund ein Drittel seiner chinesischen Belegschaft - also rund 200 Jobs - zu entlassen. Auch wenn die Verkäufe demnächst wieder anziehen werden und die Prognosen eintreffen, wird diese Volatilität wird bleiben.

Auch wenn die Wachstumsdelle nicht unerwartet gekommen ist, stellt sie doch für die Planer der Automobil-Industrie ein Problem dar. Stichwort: Überkapazität. Laut der "Chinese Association of Automobile Manufacturers" (CAAM) haben die Autobauer die Kapazitäten, um rund 40 Millionen Fahrzeuge im Jahr zu produzieren. Trotzdem kommen BMW die zurückgehenden Verkaufszahlen nicht ungelegen. "Wir sind darauf vorbereitet. Wenn das zweistellige Wachstum weitergegangen wäre, wäre unser Händler-Netzwerk an die Grenze seiner Kapazitäten gekommen", erklärt BMW-China-Chef Karsten Engel.

Das Verlangen nach individueller Mobilität ist nach wie vor sehr hoch. Nur 75 von tausend Chinesen fahren ein Auto. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 600 und in den USA sogar 800 Menschen. Nach Schätzungen der chinesischen Regierung werden bis 2030 rund 300 Millionen Menschen aus ländlichen Regionen in die Stadt ziehen - das entspricht der Bevölkerung der USA. Nicht alle dieser Kunden werden sich ein neues Auto leisten können. Das bedeutet, dass auch der Gebrauchtwagenkauf und die finanziellen Dienstleistungen rund um die Mobilität immer wichtiger werden. Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach ist zuversichtlich, dass diese Strategie aufgeht: "Wenn die Mittelschicht an Geld kommt, braucht es auch entsprechende Fahrzeuge, die sich das Klientel leisten kann. Auch Derivatisierungstrends werden auf China überschwappen."

Die Krux an dieser Sache ist jedoch, dass die meisten Chinesen nur wenig erfahrene Autofahrer und -Käufer sind. Nur jeder zehnte besitzt seinen Führerschein seit mehr als einem Jahr. Gleichzeitig verändert sich die Struktur des chinesischen Marktes: "Der chinesische Kunde ist noch nicht sehr markentreu. Unsere Aufgabe ist es diese Loyalität zu generieren", sagt Stephan Breschan vom BMW Brand-Experience Center in Shanghai. In diesem Marken-Schaufenster, das sich unweit des China-Pavillon auf dem Expo-Gelände befindet, werden keine Verträge geschlossen, sondern die potentiellen Kunden bestenfalls von BMW überzeugt. Die Autokäufer aus dem Reich der Mitte zeichnet eine hohe Technikaffinität aus. Neben der Konnektivität im Auto, zelebrieren die Chinesen geradezu den Online-Einkauf. Dazu kommt die Ungeduld. "Sobald sich ein Kunde für ein Auto interessiert, kommen wir mit dem Fahrzeug zu ihm und ermöglichen ihm eine Probefahrt", so Breschan.

Natürlich wollen alle Hersteller ein möglichst großes Stück vom asiatischen Kuchen abhaben. Da vor allem der Premiummarkt in China weiter wachsen wird, will Fords Premiummarke Lincoln will auch in Asien ein Comeback hinlegen. "Der chinesische Markt ist entscheidend für unseren weltweiten Erfolg", stellt Lincoln-Chef Kumar Galhotra klar. Deswegen bringen die Amerikaner bis zum Jahr 2016 fünf Modelle nach China: darunter auch den Lincoln Continental und mit dem MKX sowie dem Lincoln Navigator zwei SUVs. "Wir gehen davon aus, dass der Premiummarkt in China in den nächsten fünf Jahren um 65 Prozent wachsen wird", erklärt Lincoln-China-Chef Robert Parker. Ohne China wird bei Lincoln nicht viel gehen. Bereits drei der Top-Zehn-Händler befinden sich in dem kommunistisch regierten Land. Bis zum Ende des nächsten Jahres wollen die Amerikaner 50 bis 60 Verkaufsstellen in China haben.

Die Konkurrenz schläft nicht. Audi wird bald den neuen Q7 und dann 2017 den nächsten A8 nach China bringen. Auf der Shanghai Auto Show zeigen die Ingolstädter mit dem Q7 e-tron eine speziell für die asiatischen Märkte konzipierte Version des SUVs, die in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres auf den Markt rollen soll - bis zu 53 Kilometer rein elektrisch. Auch BMW wird seine Produktpalette erweitern, um mehr Kunden zu ködern. Neben der Lang-Version des X1 und dem Gran Tourer wird ein weiteres kleines Fahrzeug in China angeboten werden. Zudem gibt es den hybriden 5er. Die Marketing-Strategen der Luxus-Marken prognostizieren einen Wandel im Verhalten der chinesischen Oberschicht. Das protzige Bling-Bling ist nicht mehr gefragt, vielmehr orientieren sich die Premiumkunden immer mehr an dem zurückhaltenden Luxus, wie er in Europa gefragt ist. Lincoln nennt das "stillen Luxus" und zeigt im Lincoln Continental Concept, dass der Innenraum opulent ausstaffiert, die äußere Formensprache eher zurückhaltend ist. Ein ähnliches Konzept verfolgt BMW mit dem neuen 7er, der noch dieses Jahr den Abstand zur S-Klasse reduzieren soll.

Davon unberührt ist die Lust auf SUVs ist in China; der SUV-Markt ist im letzten Jahr um 36 Prozent gewachsen. Deswegen haben die Münchener am Vorabend der Shanghai Auto Show mit viel Tamtam den BMW X5M und den BMW X6M eingeführt. Während bei den Bayern weißgewandete Tänzer in bester Waldorfschulen-Manier mit einer Choreographie das X darstellten, lieferte VW auf dem Konzernabend eine blasse Veranstaltung ab, auf der echte Überraschungen und Neuheiten ausblieben. Konzernchef Martin Winterkorn war aufgrund einer angeblichen Erkältung erst gar nicht nach Shanghai gereist.

Die Expansionsgelüste des Wolfsburger Autobauers im Reich der Mitte bleiben davon unberührt. VW will bis zum Jahr 2019 fünf Millionen Autos pro Jahr in China verkaufen und investiert dafür 22 Milliarden Euro. Stefan Bratzel warnt: "Das Problem ist jedoch nicht "weniger Wachstum", da man damit rechnen muss. Das Risiko für Hersteller wie Volkswagen besteht jedoch eher in einem plötzlichen starken Einbruch des Marktes, zum .Beispiel aufgrund des Platzens einer Immobilienblase. Auf diese Szenarien muss man sich vorbereiten." Das gilt auch für GM. Der große VW-Gegenspieler im Kampf um den Titel des größten Autobauers der Welt, plant die Fünf-Millionen-Marke schon ein Jahr früher zu knacken.

Quelle: Autoplenum, 2015-04-22

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