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Testbericht

Stefan Grundhoff, 9. Januar 2019
Mercedes hat auf der Nutzfahrzeug-IAA in Hannover die Studie eines führerlosen Personentransporters vorgestellt. Wem Hannover zu langweilig ist: wo könnte man den Vision Urbanetic besser testen, als im nächtlichen Las Vegas?

Es ist kühl. Das Thermometer zeigt gerade einmal fünf Grad Celsius und die ersten Tänzer verschwinden bereits aus dem Planet Hollywood Casino. Nachts um kurz vor halb drei ist auf dem legendären Las Vegas Strip noch einiges los - selbst mitten in der Woche ist es von den Reklamewänden taghell und einige Autos stehen im Ampelstau. Gerade fährt ein hell beleuchteter Werbelaster vorbei, der großflächig mit spärlich bekleideten Damen und dem Schriftzug \"your sweetest temptation\" lockt. Der Fahrer glotzt sich nach dem kugelrunden Ei auf der rechten Fahrspur des Las Vegas Strip die Augen aus und verursacht beinahe einen Unfall. In der Spielermetropole ist es umgeben von den größten Hotels der Welt und ihren taghellen Leuchtreklamen an sich nicht einfach aufzufallen. In dieser Nacht sind es keine Filmaufnahmen für den neuesten Ocean\\\'s-Streifen oder Hangover IV, sondern die erste Testfahrt mit dem Mercedes Vision Urbanetic lockt das Partypublikum auf dem Gehsteig an.

Auf der Nutzfahrzeug-IAA im Herbst vergangenen Jahres feierte die Zukunftsstudie aus dem Hause Mercedes ihre Premiere. Ein 5,14 Meter langer und 2,33 Meter hoher People Mover für die Innenstadt, in dem führerlos bis zu zwölf Personen befördert werden. \"Die erste Idee zu dem Fahrzeug hatten wir bereits im Sommer 2017\", erinnert sich Projektleiter Thomas Moser, \"erst die Konzeption und dann hat es noch rund vier Monate gedauert, die Studie selbst zu bauen.\" Gerade hat das silber-schwarze Ei auf Rädern vor dem Planet Hollywood auf Höhe der Hausnummer 3700 Halt gemacht. Gestoppt wird nicht an der Bushaltestelle, die sich rund 50 Meter weiter straßenaufwärts befindet, sondern der Transport-Ufo aus einer anderen Welt verharrt in einer kleinen Parkbucht.

An der Bushaltestelle mit Namen \"Planet Hollywood Hotel and Casino\" befindet sich einer der Fahrkartenautomaten. Das Ticket kostet für zwei Stunden sechs Dollar; für 24 Stunden sind es gerade einmal zwei Dollar mehr. Doch mit dem allseits beliebten RTC Transit Pass lässt sich heute Nacht nichts anfangen, denn der Zukunfts-Mercedes verkehrt kostenlos. Jetzt, wo die gigantische LED-Wand gegenüber den Auftritt eines namenlosen Comedians bewirbt und zwei Streifenwagen aus dem Aria-Einfahrt herüberrollen, funktioniert die Jungfernfahrt ohne Ticketkauf. Anhalten, Tür öffnen, Einsteigen, Tür zu und weiter geht es Richtung Norden. Rund um die illuminierte Dachluke informiert in dem Fahrzeug ein LED-Band über die Sehenswürdigkeiten der direkten Umgebung. Bellagio, Aria, Paris und Treasure Island - wir sind schließlich in Las Vegas unterwegs - und das eben nachts um kurz nach halb drei. Ein Dutzend Personen hätten in dem People Mover an sich Platz - doch jetzt rollt das Ei des mobilen Zukunfts-Columbus mit gerade einmal zwei Personen nahezu lautlos den leerer werdenden Strip hinauf. Man sitzt bequem auf dem roten Pseudo-Sofa und genießt den Ausblick. Langsam setzt sich das Elektrogefährt in Bewegung und überholt lautlos ein Taxi, das hell blinkend die nahe gelegene Avenger Station bewirbt, die im Treaure Island Casino eine der Publikumsattraktionen darstellt.

Doch die eigentlich Schau ist in dieser Nacht der elektrisch surrende Urbanetic, den Mercedes so autonom wie er fährt, nur allzu gerne in Serie bringen würde. Ob und wann - daran wird derzeit gewerkelt. Sein Wechselkonzept mit einer variablen Kabine macht das ganze Projekt teuer. \"Daher ist das aktuell nicht gesetzt\", erläutert Thomas Moser. Mit seiner Konzeptstudie will Mercedes zeigen, wie Waren, Güter und Personen vollautonom und ohne Fahrer in Städten transportiert werden könnten. Technische Basis für die zukünftigen Transporte ist dabei ein überdimensionales Skateboard, das sich durch wenige Handgriffe mit einem Cargo- oder einem Personenmodul bestücken lässt und auf einem Mercedes eVito basiert. Das Skateboard selbst trägt dabei in seinem Flachboden nicht nur das Batteriepaket, sondern auch den Antrieb und die gesamte Technik, die für den sicheren Transport benötigt wird. Gesteuert wird das Modul dabei aus einer Zentrale, während eine Vielzahl von Sensoren und Kameras dafür sorgt, dass der Mercedes Vision Urbanetic im harten Verkehrsalltag nirgendwo aneckt.

\"Beim Vision Urbanetic handelt es sich um ein völlig neues Mobilitätskonzept, das konsequent auf die tatsächlichen Bedarfe sowie auf Effizienz und Nachhaltigkeit ausgelegt ist\", erklärt Gerd Reichenbach, Leitung Strategie bei Mercedes Vans, \"frühmorgens und am späteren Nachmittag im Berufsverkehr kann die Flotte verstärkt mit dem People Mover bestückt werden. In anderen Zeiten könnte das System mit einem Cargomodul für den Warentransport genutzt werden. Aufgrund des nahezu lautlosen Elektroantriebs eröffnet das System zusätzliche Optionen für die Spät- oder Nachtanlieferung.\" Mit dem aerodynamisch geformten Personenmodul wie hier in Las Vegas aufgerüstet, kann der Vision Urbanetic in seiner Kapsel bis zu zwölf Personen, teils sitzend teils stehend, befördern. Denkbar wäre unter anderen ein Einsatz als Ruftaxi, bei Busunternehmen oder Ridesharing-Firmen. Die Personen müssten sich im Citybereich bei Geschwindigkeiten bis 60 km/h noch nicht einmal anschnallen.

Bestellen kann man den vollelektrischen Personentransport ganz einfach per App. Ohne zu Fuß zu einer Haltestelle zu gehen, holt einen der Vision Urbanetic an der eigenen Haustür ab und bringt einen zur S-Bahn-Haltestelle oder gar dem Flughafen - vollautonom und je nach Dienstanbieter wie Uber, Lyft oder Grab allein oder kostengünstig zusammen mit anderen. Der Innenraum ist großzügig - nicht zuletzt weil der Fahrerarbeitsplatz mit Pedalen, Lenkrad und Cockpit komplett wegfällt. Die Möglichkeiten, die ein Konzept der Vision Urbanetic bietet, sind auf einer vergleichsweise kleinen Verkehrsfläche nahezu unbegrenzt. Stehen müsste der Urbanetic dann allein zum Laden seines Akkupaketes. So lange die gesetzlichen Gegebenheiten im öffentlichen Straßenverkehr für autonome Fahrzeuge Stufe fünf nicht geregelt sind, wäre ein Einsatz auf großen Firmengeländen in abgeschlossenen Bereichen immerhin deutlich früher als in den 2030er Jahren möglich. Thomas Moser: \"Dadurch könnten wir wichtige Erfahrungen sammeln.\" Und wo kann das das besser als in Las Vegas?

Quelle: Autoplenum, 2019-01-09

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