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Testbericht

Jürgen Wolff, 15. November 2011
Eigentlich gehört er auf die Rote Liste aussterbender Arten - der Land Rover Defender. Doch bevor ihm in Europa Abgas- und Sicherheitsnormen den Garaus machen, gibt es noch einen neuen Motor.

Zum Land Rover Defender gibt es nur zwei Gemütszustände: Man liebt ihn oder man hasst ihn. Manchmal auch beides. Dann zum Beispiel, wenn man durchgeschüttelt und zusammengestaucht, eingedreckt und mit - vom ungünstig montierten Handbremshebel - blauen Flecken an den Knien abends in der Namib unterm Sternenzelt am Lagerfeuer sitzt und sich mit einem gut gekühlten Bier aus der Thermobox im Laderaum den Staub die Kehle runter spült. Ohne den Landy säße man jetzt kaum hier - das versöhnt mit der rabaukigen Federung und macht ihn zum echten Kumpel. Ein Leben mit ihm? Anstrengend. Ein Leben ohne ihn? Nicht vorstellbar.

Rund 8.300 Kilometer Luftlinie weiter im Norden müssen sich seine Fans an genau diesen Gedanken langsam gewöhnen - zumindest, was den Nachschub an fabrikneuen Exemplaren angeht. Spätestens 2015 schafft der Defender nicht mehr die gesetzlichen Vorgaben der durchzivilisierten westlichen Welt: Fußgängersicherheit, Abgasnormen & Co. machen ihm den Garaus.

Seit er 1948 auf den Markt kam hat sich der Defender seinen Ruf als robuster, unkaputtbarer und vielseitiger Geländewagen erschuftet. Behörden und Militärs, Umweltschützer und Hilfsorganisationen, Privatleute und Unternehmen in mehr als 100 Ländern setzen ihn ein. Und natürlich die Queen beim Jagdausflug in die schottischen Highlands. Fast zwei Millionen Exemplare des rauen Briten wurden in über 60 Jahren gebaut, zuletzt waren es rund 25.000 Stück im Jahr. Zwei Drittel aller jemals montierten Defender, so verlautet Land Rover stolz, sind immer noch auf den Straßen und Pisten der Welt unterwegs.

So zäh der Defender sich im Gelände durchwühlt, so zäh verteidigt er auch seine Restlaufzeit von rund vier Jahren. Ein neuer Diesel-Motor und ein Rußpartikelfilter machen ihn im Modelljahr 2012 Euro-5-fit. Dazu kommen ein paar kleinere Modifikationen an Karosserie und Fahrwerk. An den Ärgerlichkeiten des Klassikers hat sich dagegen kaum etwas geändert. Vorne geht es eng zu. Wer mehr als 1,75 Meter Körpergröße mitbringt, der findet nur ziemlich eingequetscht und verquer auf den immerhin mittlerweile deutlich bequemeren Sitzen Platz. Das Lenkrad ist dann zu nah, die Pedalerie nur mit unbequem angezogenen Beinen zu bedienen. Der tief liegende Hebel der Handbremse drückt gegen Knie oder Unterschenkel. Die Knöpfe und Instrumente haben zwar an Übersichtlichkeit gewonnen - eine ergonomische Logik ist aber immer noch nicht durchgehend erkennbar. Verkleidet ist der Dachhimmel, das Armaturenbrett und ein Teil der Türen - ansonsten viel lackiertes Alublech und die ein oder andere verschraubte Strebe.

Vor allem neu ist der Motor. Das 4-Zylinder-Aggregat wird wie gehabt von Ford geliefert - sein Hubraum hat aber 2,2 statt 2,4 Liter, er bekam eine neu programmierte Motorsteuerung und einen speziell auch für den ruppigen Geländeeinsatz konstruierten Rußpartikelfilter. Die Leistungswerte sind ebenso wie der Verbrauch gleich geblieben: Er schafft 90 kW/122 PS bei 3500 U/min und ein maximales Drehmoment von 360 Nm ab 2000 U/min. Nichts geändert hat sich auch an der Beschleunigung von 0 auf 100 km/h, die je nach Karosserievariante zwischen 10,0 und 11,1 Sekunden liegt. Immerhin gestiegen ist die Höchstgeschwindigkeit: von 132 auf 145 km/h. Selbst schuld, wer es ausprobiert.

Der CO2-Ausstoß ist beim kürzeren Defender 90 mit 266 g/km ebenso gleich geblieben wie bei den längeren Karosserievarianten 110 und 130 mit 295 g/km. Als Durchschnittsverbrauch gibt Land Rover nach wie vor 10 Liter auf 100 Kilometer an. Nicht genug für einen Umweltpreis, aber für Euro-5. Der neue Motor und zusätzliche Dämmungen haben auch noch einmal den Geräuschpegel innen leicht gesenkt - eine ordentliche Dröhnung gibt es aber nach wie vor. Besonders wenn man im Gelände unterwegs ist. Es ist eh egal - irgendwas klappert, rasselt oder pfeift sowieso immer. Und wenn es die Fensterscheiben beim elektrischen hoch und runter Fahren sind. An der Karosserie wurde zumindest optisch kaum etwas geändert - der Aufbau aus hochfestem Aluminium sitzt auf einer weiterentwickelten Version des Leiterrahmenchassis, das aus bis zu drei Millimeter dickem hochfestem Stahl gefertigt wird. Das Fahrverhalten zeigt sich in der neuen Version dank neuer Federn, modifizierter Dämpfer und einer geänderten Nachlaufgeometrie zwar leicht verbessert - aber der Defender ist nun mal ein Geländegänger. Auf asphaltierter Straße ist sein Fahrwerk mit den Starrachsen immer noch störrisch, seine Federung rumpelig und bockig und der Wendekreis riesig. Aber wer vorausschauend unterwegs ist und die 145 km/h Höchstgeschwindigkeit eher als theoretischen Wert ansieht, der kommt schon klar damit.

Im Gelände dagegen ist der Defender nahezu unschlagbar. Solange zumindest ein Reifen noch ein wenig Boden spürt und der Fahrer halbwegs sensibel mit Gas-, Kupplungs- und Bremspedal umgeht, arbeitet sich der Defender voran. Steile, matschige Hügel rollt er in stoischer Ruhe ohne Downhill-Elektronik hinunter, ohne dass man mehr tun muss als gefühlvoll lenken. Dank des hohen vergitterten Lufteinlasses im rechten Kotflügel schafft er problemlos Wasserdurchfahren bis zu einer Tiefe von einem halben Meter - man darf nur die Bugwelle nicht zu hoch schwappen lassen. Über schlammige Wiesen, steinige Bachläufe hoch oder entlang steil aufragender Felsen - mit seinem permanenten Allradantrieb samt Geländereduktion kommt der Defender durch. Die Mindestbodenfreiheit beträgt 314 mm, die Böschungswinkel beim 90er vorne 49° und hinten 47°, der Rampenwinkel liegt bei 32°. Das schafft sonst kein Serienallradler.

Als Land Rover noch zu Ford gehörte, setzten die Amis mehr auf Lifestyle-Offroader, die Weiterentwicklung des Defender wurde eher vernachlässigt. Jetzt gehört Landrover zum indischen Tata-Konzern. Und für Land Rover ist der Defender wieder mehr als nur eine Modellreihe von vieren. Ohne ihn gäbe es Land Rover wahrscheinlich nicht. Und vor allem hätte die Marke ohne ihn wohl kaum ihr unverwüstliches \"Wir-kommen-überall-durch\"-Image. Ganz davon abgesehen bringt die Ikone gutes Geld ein: Längst sind die Produktionswerkzeuge abgeschrieben, von jedem verkauften Exemplar bleibt ein erkleckliches Sümmchen bei den Briten hängen. Die neuen Preise beginnen bei 26.690 Euro für den Defender 90 mit Soft Top, die Hard Top-Version gibt es ab 27.290 Euro. Entsprechend wird es für ihn auch ein komplett neu entwickeltes Nachfolgemodell geben, das 2016 auf den Markt kommen soll. Eine erste Studie namens DC 100 war auf der IAA schon mal zu bewundern - und löste zwiespältige Gefühle aus. Laut Land Rover ist die Studie ganz gut angekommen - außer bei den Defender-Besitzern selbst. Da sei sie glatt durchgefallen. Aber zumindest die nächsten paar Jahre kann man sich noch mit einem originalen Modell eindecken - für die Ewigkeit.

Quelle: Autoplenum, 2011-11-15

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