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Testbericht

Jürgen Wolff, 23. April 2015
Es muss nicht immer gleich ein Wohnmobil sein - ein gut ausgebauter Camper wie der edel ausgestattete Marco Polo von Mercedes reicht für die kleine Touren ins Abenteuer genau so gut.

Aus den Lautsprechern klingt Xavier Rudds "Follow the sun", der Himmel ist von makellosem Blau, das Außenthermometer zeigt 25 Grad und die Straße voraus ist frei bis zum Horizont. Das Navi zeigt an, dass gleich die Abzweigung zum Strand kommt - es riecht bereits nach Meer. So soll es sein. Im Marco Polo ist schon der Weg das Ziel. Wer mit Camper oder Wohnmobil unterwegs ist, der reist - und kommt nicht nur einfach an: My Car? Is my castle.

Der 5,14 Meter lange und 1,93 Meter breite Luxus-Camper von Mercedes ist kein Wohnmobil - Dusche, Mikrowelle oder Geschirrspüler sucht man ebenso vergebens wie den Außenanschluss fürs Kabelfernsehen. Der Marco Polo hat das Prinzip des Campers veredelt, an dessen Anfang in den 1950er und 60er Jahren der gebrauchte, selbst ausgebaute Hippie-Bulli stand oder der schon professionell geschreinerte Samba-Bus von Westfalia. Hochdach, Gaskocher, elektrische Wasserversorgung, Kühlschrank mit Gas-, Batterie- und 220-Volt-Anschluss - schon damals war eigentlich alles drin, was auch den neuen Marco Polo zum rollenden Wochenendhaus macht.

Nur, dass die Schwaben ihre V-Klasse heute deutlich luxuriöser in den Urlaub schicken, als bei Campern bisher üblich. Das Cockpit wirkt mit seinem Leder und dem Wurzelholz, den edlen Instrumenten wie in einer Limousine. Command-System, großer Bildschirm - Mercedesfahrer finden sich auf Anhieb zurecht. Die Vordersitze lassen sich mit ein wenig Kraftaufwand nach hinten drehen, so dass dort vier Leute bequem Platz zum Plausch haben. Der Marco Polo fährt sich wie ein großer Pkw: souverän, komfortabel, flott. Der serienmäßige Seitenwind-Assistent sorgt auch auf Brücken für sturen Geradeauslauf. An Assistenzsystemen gibt es die gleiche Auswahl wie bei der normalen V-Klasse - von der Rückfahrkamera über den Tempomaten bis zur 360-Grad-Kamera, die den Marco Polo aus der Vogelperspektive in seinem Umfeld zeigt.

Die fünf angebotenen Dieselmotoren zwischen 88 und 190 PS (beim gefahrenen 250 BlueTec) reichen allemal aus - schließlich will der Marco Polo ganz entspannt die schönen Plätze dieser Welt abklappern. Und im Alltag punkten - denn er funktioniert auch als Erstfahrzeug. Mit 1,98 Metern Höhe hat er kein Problem, in Parkplätze hinein zu kommen, die selbst kleinen Wohnmobilen verwehrt sind. Auch der Verbrauch ist alltagstauglich: Der Marco Polo verbraucht mit seinen 190 PS offiziell 6,2 Liter Diesel.

Die Küche ist gegenüber der Schiebetür links zur Fahrtrichtung eingebaut. Ein edeles Teil. Die Schubladen, in denen sich Geschirr und Besteck bruchsicher verstauen lassen, sind wie in guten Küchen zuhause selbst einziehend. Der Kühlschrank fasst 40 Liter und lässt sich von oben befüllen. Der Vorteil: Es geht viel rein, weil weniger Stapelraum verschwendet wird. Der Nachteil: Es kann schon eine elende Fummelei sein, die Tube Senf von ganz unten hervor zu fischen. Der Frischwassertank fasst 38 Liter - das sollte reichen ohne Nasszelle. 40 Liter passen in den Abwassertank. Die Oberfläche des Küche besteht aus dunklem Rauchgas, das leicht sauber zu halten ist. Die Edelstahlspüle ist bündig darin eingelassen, auf zwei Gasflammen lassen sich zumindest Kaffee kochen und Dosen erwärmen. Die meisten Camper werden ohnehin auf dem Grill und draußen kochen. Gegen Aufpreis spendet eine abnehmbare Marquise Schatten. Darunter lässt es sich wunderbar auf den Campingstühlen sitzen und den Sonnenuntergang genießen, auf dem Tisch Salat, Brot und Rotwein. Und kein Fernseher weit und breit.

Stauraum bietet der Marco Polo nicht wirklich viel. Zusammengefaltete Hemden, T-Shits oder Jeans passen in ein Klappfach im Dach des Hecks. Der Kleiderschrank in der Verlängerung der Küchenzeile bietet nun auch nicht gerade üppigen Platz, um dicke Jacken aufzuhängen. Und wer die Heckklappe öffnet, um im traditionellen Kofferraum ein, zwei Bordkoffer mit Klamotten unterzubringen, der hat Pech gehabt: Dort nimmt schon eine große Plastiktasche mit dem Campingtisch und den dazugehörigen beiden Stühlen fast allen Platz wer. Wenn wir schon dabei sind: Das Cockpit ist so edel, dass des fahrenden Campers wichtigstes Utensil fehlt: ein leicht erreichbarer Halter für Getränkedosen. Den gibt es nur tief im Fußraum in die Türverkleidung integriert. Praktisch dagegen: Das Heckfenster lässt sich optional auch alleine öffnen, so sind zum Beispiel Badesachen schnell und unkompliziert zu verstauen.

Wer mit dem Marco Polo unterwegs ist, der hat nicht nur Küche, Esszimmer und Terrasse immer dabei, sondern auch sein Schlafzimmer. Richtig kuschelig ist es in dem breiten Bett gleich unter dem (gegen Aufpreis auch elektrisch aufstellbaren) Hubdach. Auf die Liegefläche von 2,05 mal 1,13 Meter passen auch größere Zeitgenossen. Wer sich - mit zugegeben ein wenig Kletterei über Sitzflächen und Schränke - im Obergeschoss zur Ruhe begibt, der liegt auf einer Kaltschaum-Matratze und einem Punkt-Lattenrost. Die Plane ringsum besteht aus mehreren Schichten und ist ähnlich atmungsaktiv wie Goretex-Kleidung.

Ein weiteres Bett lässt sich einen Stock tiefer aus der Zweier-Sitzbank bauen. Wegen der Ausformungen von Seitenwangen und Sitzflächen liegt sich darauf allerdings nicht ganz so bequem wie unter dem Dach. Und der Bettenbau ist mit einiger Fummelei verbunden. Erst muss die Sitzbank nach vorne geschoben werden, nachdem man von Hand die schützenden Gummilippen aus den Führungsschienen im Boden gepult hat. Als nächstes entfernt man die Kopfstützen - und dann erst können die Sitzlehnen (elektrisch) umgeklappt und die Luft aus den Sitzflanken gelassen werden, damit eine halbwegs ebene Liegefläche entsteht. Wer entweder alleine unterwegs ist oder kein Problem mit kuscheliger Zweisamkeit hat, der kommt am besten mit dem Hochbett aus und lässt unten die Sitze Sitze sein. Zur Verdunkelung und zum Sichtschutz dienen ringsum integrierte Rollos. Nur die Fenster des Führerhauses muss man umständlich mit einer Folie verhängen, die mit Saugnäpfen an den Fensterscheiben befestigt wird. Billig ist das Abenteuerreisen unter dem guten Stern aus Schwaben nicht gerade - zu viel Luxus, zu viel Premium. Der Marco Polo startet mit einem Basispreis von 54.835 Euro. Aber 60.000 bis 80.000 Euro sind je nach Ausstattung schnell zusammen für das kleine Eigenheim. Allerdings wird man auch für einen deutlich bescheideneren VW California mindestens 39.000 Euro los - und auch bei den Wolfsburgern ist die 70.000-Euro-Marke schnell gerissen.

Quelle: Autoplenum, 2015-04-23

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