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Autoplenum, 2010-02-28

Ford Falcon - Zwischen Melbourne und Buenos Aires

Testbericht

Stefan Grundhoff

Beim Namen Ford Falcon kommt eingefleischten Filmfans der Kultstreifen
Mad Max mit Mel Gibson in den Sinn. Der Falcon ist in Ländern wie
Australien oder Argentinien noch heute eine fahrende Legende.

Auf den Straßen von argentinischen Großstädten wie Buenos Aires oder
Cordoba sieht man nur wenige große Autos. Kleinwagen vom Typ eines
VW Gol oder eines Chevrolet Corsa geben spätestens seit den frühen
90ern den Ton an. Wenn schon ein großes Auto, dann hat es zumeist
schon etliche Jahre auf dem Buckel. Auf den Straßen Argentiniens ist der
Ford Falcon kaum wegzudenken. Ihnen eilt seit den 70ern ein Ruf wie
Donnerhall voraus. Zu Zeiten des Militärregimes waren viele der
Todesschwadronen mit Angst einflößenden Falcons unterwegs, um das
Volk in Schach zu halten.

In Australien ist das Image der automobilen Falken deutlich positiver. Was
dem Amerikaner sein Mustang oder Camaro war, ist dem Aussie seit je
her sein Falcon. In den 60er und 70er Jahre bekriegten sich in den USA
die „Big Three“ Chrysler, General Motors und Ford mit schwerem Waffen.
Im „Horsepower War“ ließen sie eine hochgezüchtete PS-Schleuder nach
der anderen vom Band rollen. Damit nicht genug – in Australien lieferten
sich die Big Three mit ihren australischen Schwestermarken eine Art
Stellvertreterkrieg. Neben Ford warfen auch Holden (General Motors) und
Chrysler ihre hubraumstarken Waffen in die Schlacht. Die heißesten
Duelle auf den staubigen Highways Australiens lieferten sich die beiden
Giganten Holden und Ford. Bei Ford Australien hatte der
Mittelklassewagen Falcon zunächst noch eine enge Verwandtschaft mit
dem gleichnamigen amerikanischen Modell.

Das in den USA als Kompaktwagen verkaufte Fahrzeug war ein Brot-und-
Butter-Auto und meistens mit einfachen Sechszylinder-Motoren
ausgerüstet. Die Produktion des Wagens sollte Anfang der 70er Jahre
auslaufen, doch die Australier wollten den Namen Falcon nicht sterben
lassen. Die erste eigene Konstruktion war der Falcon XA im Jahr 1972.
Natürlich steckte Ford-Technik unter dem Blechkleid, doch optisch war
den Australiern ein eigenständiges und imposantes Auto gelungen. Als
Antrieb dienten Sechszylinder und V8-Motoren aus dem Ford-Regal.

Bereits seit Anfang der 60er Jahre wurde der Ford Falcon in Argentinien
produziert; später auch in Mexiko. In drei Jahrzehnten Produktionszeit
lief der üppig dimensionierte Falcon abgesehen von leichten
Modifikationen nahezu unverändert vom Band. Hier ein neuer
Kühlergrill - da ein paar neue Leuchten; vielmehr machte Ford nicht,
um die Kunden in Süd- und Mittelamerika bei Laune zu halten. Auch
bei den Motorisierungen war das Modell bei der Produktionseinstellung
Anfang der 90er Jahre kaum anders als das Ursprungsmodell. Für
standesgemäßen Vortrieb sorgten unkaputtbare Sechszylinder mit 3,0
und 3,6 Litern Hubraum. Mittlerweile sind die meisten Falcons auf den
Straßen der argentinischen Hauptstadt nicht viel mehr als zerrupfte
Rostbeulen. In Mexiko sieht es kaum anders aus. Ersatzteile sind in
Südamerika kaum zu bekommen und wenn dann sowieso zu teuer.
Schließlich erfreute sich der Falcon in den letzten fünf Jahrzehnten
auch deshalb einer großen Beliebtheit weil an dem Fahrzeug nahezu
alles selbst zu reparieren war. Motoren, Fahrwerke und
Karosseriekomponenten – es gibt kaum eine Hinterhof-Werkstatt, die
den Falken für kleine Pesos wieder auf die Straßen bringen konnte.

Viele der mittlerweile betagten Falcon-Modelle sind in den letzten Jahren
auf argentinischen und mexikanischen Schrottplätzen gelandet. Doch
besonders in einer Metropole wie Buenos Aires vergehen kaum ein paar
Minuten, in denen nicht ein verrosteter Falcon als Limousine oder Kombi
vorbeirattert. In Australien ist die Falcon-Szene deutlich moderner. In den
letzten Jahren explodierten geradezu die Preise der australischen
Dinosaurier. „Besonders die Coupés sind extrem rar und teuer geworden“,
weiß Grant Hodgson. Der Experte für australische Muscle Cars restauriert
die Fahrzeuge nicht nur, sondern baut sie auf Wunsch auch zu Repliken
der berühmten „Mad Max“-Filmautos um. „Eine restaurierte Ford Falcon
XB Limousine ist ungefähr 60.000 Dollar wert, die Coupés sind noch
teurer“, sagt Hodgson. Er hat bislang neun Repliken des schwarzen Mad
Max-Interceptors angefertigt und in die ganze Welt verschickt. Eine davon
steht in einem Museum in der Nähe von Tokio. In Argentinien will davon
keiner etwas wissen. Für die stolzen Gauchos ist der Falcon nur eines: ein
echter Argentinier.

Quelle: Autoplenum, 2010-02-28