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Testbericht

Max Friedhoff/SP-X, 9. November 2017

Irgendwie war das mit den Autos früher schon anders: Wenn ein Escort RS Cosworth Mitte der Neunziger vorfuhr, drehten Passanten nicht nur ihre Köpfe, sondern blieben häufig auch bewundernd stehen und gönnten sich einen Blick in den Innenraum. Beim aktuellen Focus RS passiert letzteres doch deutlich seltener. Wie von einem anderen Planeten muss der liebevoll auch „Cossi“ genannte Extrem-Ford damals gewirkt haben, während der nur geringfügig schlichter „beflügelte“, neuzeitliche RS quasi zum Straßenbild einer jeden Großstadt gehört. Schließlich waren binnen einer Laufzeit von rund vier Jahren lediglich gut 7.000 Exemplare des auf dem Sierra basierenden 220-PS-Kompakten entstanden, der als Rallye-Homologationsmodell ursprünglich mit einer Auflage von 2.500 Stück eingeplant war.
 
Dagegen sind vom profaner wirkenden Focus RS einige zehntausend Exemplare auf der Welt unterwegs. Dabei ist der aktuelle RS mit seinen 40.675 Euro Einstandspreis eigentlich kaum erschwinglicher als der Cosworth damals, für den man rund 60.000 Mark hinblättern musste. Heute wie auch früher hätte es für die jeweiligen Kurse eine feine, wenngleich deutlich schwächer motorisierte Businessklasse gegeben. Was haben die beiden Hot-Hatches sonst noch gemeinsam?
 
Für Hans Günter Uhrig aus dem Pfälzerwald war der exotische Cosworth nie ein wirklich ausgefallenes Fahrzeug. Er fuhr ihn schon als Neufahrzeug, aber lässt es heute ruhiger mit ihm angehen. Was nicht bedeutet, dass er bei warmgefahrenen Motor behutsam mit dem rechten Pedal umgeht, nein, der Escort mit dem auffälligen Heckflügel bekommt die Sporen. Nur eben nicht mehr im Alltag – da muss sein neuer RS herhalten.
 
Wir konnten der Versuchung nicht widerstehen, uns auch einmal hinter das Steuer des schwarzen Ungeheuers zu klemmen. Über 247.000 Kilometer zeigt die bereits zum zweiten Mal rundgelaufene Uhr – eingebettet in die sportiv aussehenden weißen Ziffernblätter der ansonsten unspektakulär gehaltenen Skalen. Oben auf der Mittelkonsole thront (wie beim aktuellen RS) der Ladedruck-Messer, jenes Instrument, das optisch noch einmal zusätzlich klarmacht, wann die Kuh fliegt. Im Gegensatz zu den Focus RS-Modellen der letzten Jahre verfügt der heiße Escort der Neunziger über Allradantrieb mit Viscosperre – damals sensationell. Die Kraftverteilung ist hecklastig (fast 70 Prozent) abgestimmt, damit das Lenkrad schön frei bleibt von Antriebseinflüssen und in der Kehre ja genügend Spaß aufkommt. Behutsam rollt der Escort los, nur nicht zu viel Gas – denn: ESP als Rettungsanker war vor fünfundzwanzig Jahren noch nicht gängig, schon gar nicht in der Kompaktklasse.
 
Hans Günter Uhrig ist als Beifahrer ein cooler Typ, nicht nur hat er keine Angst, sondern ermuntert uns geradezu, den mit Garret-Turbo bestückten Zweiliter inklusive Ladeluftkühlung ein bisschen jubeln zu lassen. Einverstanden, lassen wir die 220 Pferchen galoppieren. Sie haben leichtes Spiel mit den 1,3-Tonner, drücken das rare Gefährt brachial nach vorne. Und weil der Escort jetzt auch kein Meister der Geräuschdämmung ist, kommt richtig Freude auf. Nicht, dass sein Vierzylinder irgendwie spektakulär röhren oder trompeten würde, nein, er äußert sich sogar eher unauffällig. Doch der Gesamt-Lärmpegel steigt mit jedem km/h mehr an, außerdem vermittelt die stramme Servolenkung nicht nur viel Fahrbahnkontakt, sondern lässt den einen oder anderen Stoß durch, wenn die Bahn nicht topfeben ist – das Fahren fühlt sich roh und ungefiltert an.
 
Derweil schiebt der Vierventiler. Und schiebt. Und schiebt. Fast wirken die angegebenen 6,1 Sekunden bis 100 km/h ein wenig tiefgestapelt, der Escort zeigt auch vielen neuzeitlichen Autos die Rücklichter, das ist klar. Dass der Cossi schon so viel runter hat, merkt man ihm so gar nicht an. Sitze wie Zangen halten die menschliche Fracht bei forcierter Kurvenfahrt in der Mittelbahn, dieser Escort ist ein Laune-Auto, wie es im Buche steht. Aber keine Sorge, das ist der wohlfeil eingepreiste Focus RS anno 2017 ebenso. Herr Uhrig nickt zustimmend, denn es ist ja sein neues Alltagsauto. Wir sind bereits umgestiegen, genießen die noch mächtigeren Sessel, die nicht nur einen Tick mehr Seitenhalt, sondern darüber hinaus sogar properen Komfort bieten.
 
Überhaupt, der Focus ist schwerer und ausladender als sein Vorvorvorvorgänger – aber genauso alltagstauglich und kinderleicht zu fahren. Da war und ist Ford ziemlich bodenständig, leistet sich auch bei seinen Performance-Krachern keine Allüren. Beide Autos sind keine Diven. Wie geschmeidig und präzise der Schalthebel der Sechsgang-Box beim Focus einrastet. Gut, da kann der Escort mit seinen 247.000 Kilometern auf dem Zähler natürlich nicht mehr mithalten. Hier trauen wir uns auf Anhieb, ein bisschen wilder zu beschleunigen. Schließlich hält uns die Elektronik im Zaum.
 
Mit 350 PS fährt es sich natürlich deutlich brachialer, aber man fühlt sich im direkten Vergleich wirkungsvoller abgeschottet: Die Maschine-Mensch-Verbindung ist eher mittelbar, was die moderne Kompaktklasse aller Sportlichkeit zum Trotz komfortabler macht. Nicht dass jetzt ein falscher Eindruck entsteht: Der RS ist ein Fahrer-Auto, vielleicht eines der letzten wilden Exemplare, die sich vom weichgespülten Assistenten-Automatik-Konnektivitäts-Syntheticsound-Mainstream absetzen. Der bespoilerte Krawall-4x4 schreit, trompetet, dröhnt organisch – und je mehr Drehzahl der aus dem Mustang entliehene 2,3-Liter-Vierzylinder bekommt, desto lauter und attraktiver klingt er. Automatikgetriebe? Nicht mit dem Focus. Das manuelle Schalten gehört hier zur DNA. Keep it simple, verzichte auf unnötige Spielereien. Na ja, aber so ganz stimmt das nicht. Es gibt mehrere Fahrmodi, darunter auch einen Driftmode, und wenn der eingeschaltet ist, wird der Allrad-Triebstrang hecklastiger. Das Ganze wird per zweifach ausgeführter Lamellenkupplung an der Hinterachse fein dosiert – natürlich unter Elektronik-Ägide. Aber bitte nur auf dem Kurs ausprobieren, der Focus kommt nämlich gerne auch mal quer.
 
Das Ford-Team verzichtete freilich nicht auf die heute üblichen Assistenz- und Infotainment-Zugaben – zumindest lässt sich der Focus auf Wunsch entsprechend aufrüsten, er soll ja ein Alltagsgefährt sein. Das umfangreiche Bildschirm-Navi muss mit 665 Euro extra bezahlt werden muss. Zusätzliches Geld (540 Euro) kostet auch das Paket mit Autonombremsung und Parkpiepsern. Darauf dürfte so mancher Kunde gerne verzichten wollen. Viel interessanter: Vorne kommen potente 350 Millimeter-Scheiben zum Einsatz, die man auf dem Kurs in die Zange nehmen kann. Immerhin sind ebenfalls unter Spielerei laufende Dinge wie Launch-Control und elektronische Dämpfer ebenso serienmäßig wie maximal 266 km/h Auslauf. Ach ja, Auto fahren hat früher viel Spaß gemacht – und macht es manchmal auch noch heute.

Ford Escort RS Cosworth – Technische Daten:

Viertürige Kompaktklasse, Länge: 4,21 Meter, Breite: 1,73 Meter, Höhe: 1,43 Meter, Radstand: 2,55 Meter

2,0-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner mit Ladeluftkühlung, 162 kW/220 PS, Fünfgang-Schaltgetriebe, maximales Drehmoment: 290 Nm bei 3.500 U/min,0-100 km/h: 6,1 s, Vmax: 225 km/h

Ehemaliger Neupreis (1993):  ab 61.360 Mark
Heutiger Marktpreis nach Classic Data:
Note 2:  21.500 Euro
Note 3:  15.800 Euro
Note 4: 8.300 Euro
 
Ford Focus RS – technische Daten:

Fünftürige Kompaktklasse, Länge: 4,36 Meter, Breite: 1,82 Meter, Höhe: 1,48 Meter, Radstand: 2,65 Meter

2,3-l-Vierzylinder-Turbobenziner mit Ladeluftkühlung, 257 kW/350 PS, maximales Drehmoment: 440 Nm bei 2.000 - 4.500 U/min,0-100 km/h: 4,7 s, Vmax: 266 km/h, Sechsgang-Schaltgetriebe, Durchschnittsverbrauch: 7,7 l/100 km, CO2-Ausstoß: 177 g/km, Schadstoffklasse: E, Grundpreis: 40.675 Euro

Der Auto-Klassiker Ford Escort RS Cosworth ist einfach nur extrem, der aktuelle Focus RS ist einfach nur ein Biest. Ein Zusammentreffen nach einem Vierteljahrhundert.

Fazit
Der Auto-Klassiker Ford Escort RS Cosworth ist einfach nur extrem, der aktuelle Focus RS ist einfach nur ein Biest. Ein Zusammentreffen nach einem Vierteljahrhundert.
Testwertung
3.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2017-11-09

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