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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 22. Juli 2014
Der Hyundai HB 20 entwickelt sich in Brasilien für den koreanischen Autobauer zunehmend zur Geldkuh: Jährlich entscheiden sich 165.000 Einheimische für das Automobil. Tendenz steigend. Die Nachfrage nach dem HB 20 ist so groß, dass der Autokauf zu einer Lotterie wird - im wahrsten Sinne des Wortes.

Wer einen Hyundai HB 20 zu besonders günstigen Konditionen haben will, braucht Glück. Normalerweise ist ein HB (Hyundai Brasilien) 20 nicht unter 34.995 Real (etwa 11.500 Euro) haben. Mit Extras sind es dann gerne mal 40.000 Real (13.200 Euro). Bestellt ein Hyundai-Händler auf einen Schlag 30 Autos mit identischen Ausstattungspaketen, bekommt er einen Mengenrabatt und kann diesen an die Kunden weitergeben. Aufgrund dieses Sondernachlasses kann er das Auto dann für 30.000 Real anbieten, also knapp 3.300 Euro billiger als der normale Preis.

Der Run auf diese Sondermodelle ist groß. Also schreibt der Händler eine Tombola aus: 30 Käufer bekommen je ein Los. Die monatliche Rate beträgt 1.000 Real. Also läuft die Auto-Lotterie genau 30 Monate. Jeden Monat wird ein Los gezogen und ein Teilnehmer erhält seinen Hyundai HB 20, muss aber natürlich weiterzahlen. Der erste Gewinner bekommt sein neues Auto bereits nach einem Monat, der Letzte nach 30 Monaten. Der Glückspilz hat womöglich schon ein eigenes Auto, kann das veräußern oder den HB 20 für 35.000 Real anbieten. Ein guter Gewinn, angesichts eines durchschnittlichen Jahreseinkommens von rund 25.000 Real. Sorgen um einen Verkauf muss sich keiner machen. Das Verlangen nach individueller Mobilität ist in Brasilien riesengroß. Denn alle zwei Jahre legen sich die Brasilianer ein neues Auto zu. Rund 165.000 entscheiden sich pro Jahr für den Hyundai. Tendenz steigend. Geht das so weiter, stößt das Werk in Piracicaba, in dem der HB 20 gebaut wird, bald an seine Kapazitätsgrenze. Die liegt bei rund 180.000 Einheiten pro Jahr.

Doch was ist dran an dem koreanischen Vehikel, das immerhin zwei Drittel des Umsatzes des koreanischen Autobauers in dem fußballverrückten Land ausmacht. Das Design ist typisch Hyundai. Mit den schmalen Scheinwerfern und dem lachenden Mund ist der HB 20 seinem europäischen Bruder i20 wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Brasilianer mögen die sportliche Linienführung. Der HB 20 wird in drei Karosserieformen angeboten: Das Steilheck ist das Einsteiger-Modell, etwas angesehener ist schon die Stufenheck-Limousine und wer sich in der Cross-Variante hinter das Lenkrad schwingt, "hat es geschafft".

Das Cockpit unterscheidet sich vom europäischen Hyundai i20. Sehr viel spartanischer. Dunkles Hartplastik und viel weniger Knöpfe. Die Segel-Ohren-Luftauslässe an der Mittelkonsole erinnern mehr an einen Ford, als an einen Hyundai. Die Sitzposition ist hoch, aber für großgewachsene Personen nicht störend, da noch genug Kopffreiheit vorhanden ist. Auch in der zweiten Reihe ist viel Platz. Selbst Zwei-Meter-Riesen können es sich im Fond vernünftig bequem machen. Die Länge von 3,90 Metern und der Radstand von 2,50 Metern lassen schon Geräumigkeit vermuten. Allerdings ist die Ladekante bei allen drei Karosserievarianten zu hoch.

Wie in Brasilien üblich ist der HB 20 ein Flex-Fuel-Vehikel und kann mit herkömmlichen Benzin genauso betrieben werden, wie mit Bio-Ethanol und ebenso allen möglichen Mischungsverhältnissen fahren. Zur Auswahl stehen zwei Motoren: der 1,0-Liter-Motor mit 80 PS und das 1,6-Liter-Aggregat mit 122 PS. Diese beiden Triebwerke können mit einer Fünfgang-Handschaltung und einer Viergang-Automatik kombiniert werden. Letztere erfreut sich in Brasilien immer größerer Beliebtheit. Etwa 30 Prozent aller HB-20-Käufer wollen nicht mehr selbst schalten. Warum erschließt sich auch nicht nach der Testfahrt mit der stärkeren Version des Hyundai HB 20. Die Beschleunigung des rund 1,1-Tonnen schweren Fahrzeugs ähnelt einem Kaugummi, den ein jugendlicher Wetten-Dass-Kandidat auf maximale Länge dehnen will.

Untermalt wird der zähe Antritt von einem Motor, dem man die Anstrengung deutlich anhört. Immerhin ist nach elf Sekunden die 100-km/h-Marke erreicht. Erst bei 174 km/h hört der Vortrieb auf. Wenn es von 100 km/h auf null geht, steht der HB 20 nach 42,2 Metern. Der relativ lange Weg liegt an der Bremsanlage mit Scheiben vorne und Trommeln hinten. Da ESP nicht einmal optional vorhanden ist, muss man sich bei schnellen Kurvenfahrten auf diese Bremsen und sein Reaktionsvermögen verlassen. Der HB 20 verhält sich Frontriebler typisch gutmütig und kündigt den Grenzbereich mit einer Untersteuerneigung an. Dass die Lenkung leichtgängig und indirekt ist, hilft nicht beim Radius-Tanz. Ebenso wenig die komfortable Abstimmung, die bei den schlechten brasilianischen Straßen hilfreich sind, aber bei Kurven in einer deutlich spürbaren Wankneigung resultieren. Doch das dürfte einen südamerikanischen Auto-Lotto-Gewinner nicht stören.

Quelle: Autoplenum, 2014-07-22

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