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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 5. August 2014
Mit dem Lancia Rallye 037 holte Walter Röhrl 1983 die Rallye-Vizeweltmeisterschaft in der Gruppe B. Auch 31 Jahre später flößt das 325-PS-Monster dem Fahrer noch jede Menge Respekt ein. Eine Fahrt mit dem Boliden in der klassischen Martini-Lackierung wird zum automobilen Tanz auf der Rasierklinge.

Raphaele Terlinzzi ist ein freundlicher Mann mit lachenden Augen. Doch wenn es um den Lancia Rallye 037 geht, hört bei dem Italiener, der für die Klassiker der Traditionsmarke zuständig ist, der Spaß auf. "Beim Anfahren, die Drehzahlen konstant zwischen 2.500 und 3.000 Umdrehungen halten", erklärt der Experte und fährt fort: "Danach progressiv Gas geben. Nicht zu abrupt. Das Auto hat extrem viel Kraft und katapultiert sich sonst nach vorne.". Kurze Zeit später klicken auch schon die Gurte. Festgezurrt in dem Schalensitz schießen mir Gedanken durch den Kopf: "Drei, halten. Gang mit Schmackes rein und nicht zu brutal auf\\\'s Gas."

Immer und immer wieder schärfe ich mir das Prozedere ein. Schließlich sitze ich einer Bestie von Auto:. Beweise gefällig? Leistung 325 PS bei einem Gewicht von 965 Kilogramm. Das macht die Herausforderung nicht leichter. Ein Exemplar hat unlängst bei eine Auktion 360.000 Euro gebracht. Jetzt geht es los. Der erste Gang sitzt, wie beim Rennsport-Getriebe üblich, unten links. Nach einem kräftigen Zug, rastet der Hebel ein. Schon bei 2.800 Umdrehungen knurrt der Vierzylinder im Heck, wie ein Wolf kurz vor dem Angriff. Kupplung sachte kommen lassen, der Lancia 037 reagiert sofort und springt wie ein Vollblut-Pferd nach vorne.

Der Drehzahlmesser fliegt nur so noch oben. Der Lärm im Cockpit ist infernalisch. Der Zweiliter-Vierzylinder sägt, kreischt und schreit metallisch so laut, dass man schon bei 6.000 Umdrehungen sein eigenes Wort nicht versteht. Jetzt in den zweiten. Die Kupplung will mit Schmackes getreten werden. Die Schaltwege des Fünfgang-Getriebes sind extrem kurz. Wer hier nicht richtig hinlangt, scheitert. Die Gänge müssen hineingeprügelt werden. Die Beschleunigung ist extrem und presst Fahrer und Beifahrer in die Schalensitze. Wie schnell das Geschoss über den Asphalt fliegt, keine Ahnung. Das zentrale Instrument ist der Drehzahlmesser. Der Rest Gefühlssache. Angeblich beträgt die Spitzengeschwindigkeit "nur" 220 km/h. Mit der richtigen Getriebeübersetzung ist sicher einiges mehr drin.

Die Kurven machen Spaß. Schließlich ist der Lancia 037 Rallye Evo 2 für den Tanz um die Ecken ausgelegt. Walter Röhrl bezeichnete den strammen Italiener als eines der besten Rallye-Autos, mit dem er je gefahren sei. So gewann das italienische Team 1983 die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft der Gruppe B und der Deutsche sicherte sich Vizeweltmeisterschaft. Trotz der überlegenen Traktion der Audi-Quattros. Jede Ecke wird zum Vergnügen und zur Herausforderung zugleich. Schließlich handelt es sich beim Lancia 037 Rallye um ein Mittelmotor-Auto. Grandiose Agilität, aber der Grenzbereich tritt dann sehr plötzlich ein. Dann heißt es schnell reagieren und das Heck mit einem schnellen Lenkrad-Gegenschwenk wieder einfangen.

Anbremsen. Zwischengas. Runterschalten. Herzhaft. Klack! Der zweite Gang ist drin. Vorsicht ist beim Fußtanz geboten - die Pedale liegen sehr eng beisammen. Rutscht man ab, geht es geradeaus in die Streckenbegrenzung. Es läuft aber alles glatt. Einlenken. Scheitel treffen. Gefühlvoll rauf auf das Gas und weiter geht der Höllenritt. Mit jedem Meter wächst das Vertrauen in die Fahrmaschine. Beim Rausbeschleunigen krallen sich die 270er Walzen, die auf der Hinterachse montiert sind, in den Asphalt. Ein Sperrdifferential mit einer Sperrwirkung bis zu 50 Prozent hilft bei der Agilität. Schon nach wenigen Ecken bekommen Raphaeles Drehzahl-Maßregeln neues Gewicht. Unterhalb von 2.000 Umdrehungen geht dem Rallye-Boliden die Luft aus. Erst darüber verrichtet der Volumex-Kompressor seinen Dienst effektiv. Dann geht es aber richtig zur Sache und die brachiale Beschleunigung überrascht den Lenker auch nach der vierten Kurve. Hohe Drehzahlen sind Pflicht, da der Drehmomentgipfel von 300 Newtonmetern erst bei 5.000 Umdrehungen erreicht ist.

Dieses brachiale kraftstrotzende Triebwerk ist, wie das ganze Auto, ein Ergebnis der Kooperation zwischen Lancia, Abarth und Pininfarina. In der Straßenversion "Stradale" war das Triebwerk mit 205 PS nicht ganz so potent. Die Basis für den er Fahrgastzelle bildete der Lancia Beta Montecarlo. Diese erzwungene Seriennähe war damals vom Reglement so vorgeschrieben. Von der scharfen Rallye-Version wurden nur rund 260 Stück gebaut. Die Fahrt in dieser Rakete nähert sich langsam dem Ende. Immer mutiger geht es in die Kurven. Wohlwissend, dass man auf einer Bestie reitet, die jederzeit ihre brutale Seite zeigen kann und den Pilot in die Leitplanken wirft.

Die letzte Aufgabe ist das Herausschälen aus dem Rennsitz und dem Fahrgastzellenkäfig. Jetzt schießen wieder Raphaeles freundliche Ratschläge durch den Kopf "Nicht mit dem Körpergewicht auf die Tür lehnen, die ist aus Glasfaserverbundstoff!". Leichtbau für den Speed. Also Schlüssel drehen, mit einem unwilligen Murren quittiert der 2.111-Kubikzentimeter-Kraftprotz den Dienst. Gurt auf und beim Gitterrohrrahmen abstützen. So gelingt auch der Ausstieg aus der engen Höhle samt Lenkrad. Was bleibt, ist ein Dauergrinsen. Das ziert jetzt auch wieder Raphaeles Gesicht, der sein "Baby" wieder unversehrt zurück hat.

Quelle: Autoplenum, 2014-08-05

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