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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 27. Februar 2019

McLaren stiehlt dem 720S das Dach und schafft damit einen extrem leichten Roadster, der dem Coupé kaum in etwas nachsteht. Ein Grund ist das extrem verwindungssteife Monocoque garniert mit einem berechenbaren Fahrverhalten.

Helm ab, zum Gebet! Innerhalb von nur elf Sekunden verschwindet das Karbondach des McLaren 720S Spider und lässt den Natur-Föhn ungehindert auf das Haupthaar, soweit vorhanden, blasen. Bis 50 km/h klappt diese Verwandlung vom Coupé zum Über-Roadster. Auf den Mechanismus sind sie in Woking so stolz, dass McLaren zwei Patente angemeldet hat. Auch wenn dieser Transformers Verwandlungs-Stunt das Herz eines jeden Ingenieurs höherschlagen lässt, bei einem Supersportwagen, der mit 530 kW / 720 PS auf die Menschheit losgelassen wird, geht es um andere Sachen: nämlich um Fahrspaß und Agilität.

Der McLaren 720S Spider löst den scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Sportlichkeit und Alltagstauglichkeit fast perfekt auf. Ein Blick auf das Datenblatt zeigt, warum dieser schwierige Kunstgriff gelingt. Die Leichtigkeit des Seins scheint die neue Doktrin bei McLaren zu lauten. In einem solchen Maße hat sich der britische Sportwagenbauer Gewichtsreduzierung auf die Fahnen geschrieben. Wie das aussieht zeigt der 720S Spider: Der Roadster wiegt 1.332 Kilogramm, ist damit nur 49 Kilogramm schwerer als das Coupé und unterbietet in dieser Kategorie solche Konkurrenten, wie den Ferrari 488 Pista Spider oder den Lamborghini Huracan Perfomante Spider - beides alles andere als schwerfällige Vehikel.

Der zusätzliche Ballast kommt hauptsächlich durch den Verdeckmechanismus zustande, der die Gewichtsbilanz mit gut 20 Kilogramm belastet. Aufgrund des extrem verwindungssteifen Carbon Monocoques benötigt das Cabrio keine zusätzlichen Verstrebungen. So konnten die Fahrdynamiker bei der Abstimmung vom Coupé profitieren. Schließlich wurden beide Varianten die ersten zwei Jahre ab parallel entwickelt, ehe man sich zunächst auf das Coupé konzentrierte. Die offene Version unterscheidet sich vor allem im Heckbereich, zum Beispiel durch die beiden Hutzen hinter den Sitzen, und die Überschlagbügel aus Karbon, vom Bruder mit festsitzendem Dach.

Auf der Straße sind die Unterschiede dagegen marginal und lassen sich nur bei hohen Geschwindigkeiten feststellen. Nach nur 2,9 Sekunden erreicht der Roadster Landstraßentempo und ist offen bis zu 321 km/h schnell, geschlossen sind es sogar 344 km/h. Doch die echte Freude kommt auf, wenn man sich auf Kurven stürzt. Per Drehschalter stellt man den 720S nach Gusto scharf, da man die Dämpfer und den Rest getrennt voneinander justieren kann. Die Fahrmodi \"Comfort\", \"Sport\" und \"Track\" (Rennstrecke) unterscheiden sich merklich. Fahrwerk auf Komfort (die Straßen sind nicht die besten) und Lenkung, Schaltung sowie die Gaspedalkennlinie auf \"Sport\" oder \"Track\". Mit dieser Konfiguration ist man schon sehr flott und gleichzeitig kommod unterwegs. Auch Rüttelpisten in amerikanischen Kleinstädten verlieren dann ihren Schrecken.

Dach runter, den Sitz mit einer ziemlich fummeligen Verstellung einstellen und Feuer frei. Aufgrund der doppelten Aufladung hängt der Vierliter-V8 deutlich gieriger am Gas als das verwandte Triebwerk beim 600 LT Spider, das nur mit einer Turbine bestückt ist. Jetzt alles auf \"Track\". Das virtuelle Cockpit klappt weg und ein schmaler Schlitz mit Drehzahl und Geschwindigkeit erscheint. Konzentration auf das Wesentliche. Der 720S Spider spannt die Muskeln an. Jetzt bricht auch akustisch das Inferno los. Die acht Töpfe schlürfen, saugen kreischen untermalt vom vernehmbaren Zischen der Wastegateventile des Turboladers, garniert mit bellenden Zwischengasstößen.

Die Briten-Flunder ist jetzt ein kompromissloser Athlet und umschmiegt den Fahrer nach wie vor wie ein perfekt passender Handschuh. Wie bei den anderen Fahrprogrammen auch, bleibt alles intuitiv und harmonisch. Selbst das Fahrwerk ist zwar sportlich straff aber nicht bandscheibenvernichtend. Auf der Bremse spielt der britische Sportwagenbauer nicht erst seit dem Verzögerungsmonster Senna in der ersten Liga mit. Auch die Bremse des 720S Spider, die technisch mit der des Senna verwandt ist, lässt sich feinfühlig dosieren und greift analog zum ausgeübten Druck zu. Das gleich gilt für die Lenkung, die eindeutig mitteilt, wie es um die Traktion, das Verhalten des Vorderwagens und den Untergrund bestellt ist. Interessanterweise setzen die Briten nach wie vor auf eine elektrohydraulische Lenkung. \"Wir sind der Meinung, dass damit das beste Fahrgefühl erreicht wird\", sagt Entwicklungschef Jürgen Gagstatter.

Ziel erreicht. Der McLaren lässt sich fast mühelos durch jedes Kurvengeschlängel zirkeln. Das Fahren ist kein Kampf mit dem Messer zwischen den Zähnen, sondern ein reines Vergnügen. Mit jedem Meter wächst das Vertrauen in den Mittelheckmotor-Sportler, der auch bei knallharten Manövern stoisch ruhig und beherrschbar bleibt. Im Falle des Falles greifen die Assistenzsysteme unmerklich ein und halten das 280.000 Euro teure Goldstück zuverlässig auf der Bahn. \"Eine stabile Hinterachse ist essentiell\", gewährt Jürgen Gagstatter Einblick in das Einmaleins der Abstimmungsarbeit. In der Tat muss man fast schon in der Kurve gewaltsam geradeausfahren, um den 720S Spider aus der Ruhe zu bringen. Nur bei einer Sache nutzen auch alle technischen Helfer nichts: Der McLaren 20S Spider ist mit eingeklappten Spiegeln über zwei Meter breit. Somit wird jede Autobahnbaustelle zur Herausforderung.

Technische Daten
Antrieb:Heckantrieb
Getriebe:Siebengang DKG
Motor Bauart:V8-Biturbo
Hubraum:3.994
Drehmoment:770 Nm bei 5.500 bis 6.500 UPM
Preis
Neupreis: 280.000 € (Stand: 2019-02-27)
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2019-02-27

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