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Testbericht

Stefan Grundhoff, 25. November 2020
Nach wie vor ist die E-Klasse von Mercedes in Europa als Dieselversion der große Renner. Im Fahrbericht der bald verfügbare Mercedes E 300d, dem eigentlich nur eines fehlt: zwei Zylinder. Doch die hohen Plug-In-Subventionen dürften ihm das Leben schwer machen.

Wer sich auf der Mercedes-Website seinen neuen Traumwagen aussuchen will, kommt mit ein paar Klicks zur E-Klasse und einem Kauftipp. Ein kleines Sternchen mit dem Zusatz \"meistgekauft\" weist das auf den E 220d hin. Es ist kein Geheimnis, das der vermeintlich kleine Vierzylinder-Diesel in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern der Bestseller im Programm ist. In seiner neuesten Ausbaustufe leistet der zwei Liter große Vierzylinder 143 kW / 194 PS und lockt mit einem überaus sparsamen Verbrauch von 4,7 Litern Diesel auf 100 Kilometer. Doch seien wir ehrlich. Der Basisdiesel ist nichts fürs Herz und wohl nur eine Limousine, die die Taxler erwärmen kann. Wer sich etwas mehr gönnen möchte und neben dem Kopf aus das Herz bedienen will, sollte sich zumindest in den E 300d setzen, der im Dezember auf den Markt kommen soll. Der hat zwar nicht das Image und den Durchzug vom Topmodell E 400d mit ihren prachtvollen Sechszylinder-Triebwerken, aber der 300er vermittelt einem nicht das Gefühl, das Basismodell und somit das notwendige Übel schlucken zu müssen, wenn es schon eine E-Klasse sein soll.

Der Mercedes E 300d ist mit seinem Hightech-Diesel vom Typ OM 654 M das leistungsstärkste, was Daimler aus vier Dieselbrennkammern herausholt. Für die 195 kW / 265 PS hätte er einst zwei Zylinder und einen Liter Brennraum mehr gebraucht. Dabei wird der kraftvolle Selbstzünder von einem 48-Volt-Bordnetz nebst Startergenerator unterstützt, der bei niedrigen Tempi oder starkem Beschleunigen weitere 15 kW / 20 PS / 50 Nm beisteuert. Mit der Überarbeitung gab es nicht nur die elektrischen Dreingaben, sondern Dank neuer Kurbelwelle auch eine winzige Hubraumerweiterung auf 1.995 ccm. Dabei hört man dem Vierzylinder-Diesel nicht nur beim Aufstarten das Zylinderquartett unter der Motorhaube an, doch der Selbstzünder ist alles andere als aufdringlich und bekam Dank des erhöhten Einspritzdrucks von 2.700 statt bisher 2.500 bar nicht nur den Leistungsnachschlag auf 265 PS, sondern auch ein maximales Drehmoment von 550 Nm.

Damit geht die 4,95 Meter lange Oberklasselimousine überaus kraftvoll zur Sache und beschleunigt für einen Vierzylinder im unteren und mittleren Drehzahlbereich überaus imposant. Er hängt prächtig am Gas und allein bei hohen Drehzahlen kann die gut abgestufte Neungangautomatik den überschaubaren Brennraum nicht mehr vollends überspielen. Damit die Abgase am Heck des Fahrzeugs so sauber sind wie die Heckansicht, verfügt der neue Vierzylinderdiesel über zwei SCR-Katalysatoren, einen NOC-Speicher sowie einen Partikelfilter. Die elektrische Unterstützung sorgt nicht nur für eine Reduzierung des realen Verbrauchs, sondern dass sich das Triebwerk nach dem Rollen / Segeln wieder sanft zuschaltet. Ganz auf die Laufruhe der beiden stärkeren Sechszylinder-Diesel schafft es der OM 654 M jedoch weder in Sachen Laufruhe, noch Kraftentfaltung. Hier fährt gerade der E 400d in einer eigenen Liga und verbraucht in der Realität nicht viel mehr.

Die genauen Fahrleistungen des Mercedes E 300d mit dem neuen OM-654-M-Triebwerk stehen noch nicht fest und an eine Auslieferung ist nicht vor dem ersten Quartal 2021 zu rechnen, doch zumindest der Rahmen ist bekannt. Wenig überraschend ist die 1,9 Tonnen schwere Limousine mit Hinterrad- und Allradantrieb zu bekommen und so bis zu 250 km/h schnell. Der Normverbrauch dürfte bei rund fünf Litern auf 100 Kilometern liegen. Trotzdem bleibt das stattliche Gewicht der sanft dieselnden E-Klasse und eine exzellente Fahrwerksabstimmung. Der Reisekomfort, den der Schwabe bietet, steht dem von BMW 5er und Audi A6 in keinster Weise nach - im Gegenteil. Die überarbeitete E-Klasse rollt sanfter als sanft ab und überzeugt auf dem bald aussterbenden Kopfsteinpflaster genauso wie auf frischem Asphalt. Dabei könnte die Lenkung gerne etwas mehr Rückmeldung von der Fahrbahn geben und gerade bei mittleren und höheren Geschwindigkeiten etwas schwergängiger sein.

Mit der Modellpflege gab es für die Volumenlimousine die überfälligen Serienbildschirme hinter dem Steuer und in der Mitte der Armaturentafel. \"Serienmäßig bietet die E-Klasse LED-Scheinwerfer sowie unser Bediensystem MB UX mit zwei Bildschirmen\", so E-Klassen-Entwicklungsleiter Michael Kelz, \"in der Basisversion mit jeweils 10,25 Zoll und optional dann größer. Zudem ein neues Lenkrad mit berührungsempfindlichen Tasten.\" Umso schwerer verständlich, wieso auf der breiten Mittelkonsole noch immer das Touchpad thront, das die Bedienung der einzelnen Funktionen nicht erleichtert und dann noch wertvollen Platz kostet. Das alles geht per Sprache oder Touchdisplay deutlich besser. Etwas gewöhnen muss man sich an das neue Lenkrad, über das sich viele Funktionen ebenfalls bedienen lassen. Doch um den richtigen Menüpunkt zu treffen muss man mitunter vorsichtig scrollen und drücken. Der ein oder andere haptische Taster hätten das Ganze erleichtert. Sitze und Platzangebot? Klasse. Oberklasse.

Nachgelegt wurde für die Modellpflege der E-Klasse und somit auch im neuen Mercedes E 300d auch im Bereich Fahrerassistenz. So arbeitet der Abstandstempomat nicht nur mit Kamera und Radar, sondern auch den Verkehrsinformationen des Navigationsgeräts zusammen. Im Stau ist das Oberklassemodell nahezu ohne Zutun des Fahrers unterwegs sein und sogar automatisch für eine Rettungsgasse zur Seite fahren. Besteht beim Abbiegen über die Fahrbahn entgegenkommender Fahrzeuge Kollisionsgefahr, so kann die E-Klasse bei fürs Abbiegen typischen Geschwindigkeiten abbremsen. Wie bereits bei anderen Marken verfügbar gibt es nun auch in der E-Klasse eine Ausstiegswarnung des Totwinkelassistenten. Lange Zeit die Hände vom Steuer zu nehmen und den E 300d allein seinen Weg auf der Fahrbahn finden lassen, ist jedoch nach wie vor ein Wunschtraum. Nimmt man die Hände etwas länger als 15 Sekunden vom Lederkranz des neuen Lenkrads, gibt es eine Warnmeldung. Pseudo-autonomes Fahren im Jahre 2020.

Der Mercedes E 300d zeigt, dass es nicht immer ein Sechszylinder sein muss und man auch nicht obligatorisch in einen Plug-In-Hybriden steigen muss. Den bietet die Schwaben als dieselnden E 300de auch an und der dürfte dem E 300d richtig weh tun. Dann bekommt der Vierzylinder-Diesel vom Typ OM 654 mit seinen 143 kW / 194 PS durch einen Elektromotor mit einer Zusatzleistung von 90 kW / 122 PS einen imposanten Leistungsnachschlag auf letztlich 225 kW / 306 PS / 700 Nm. Durch die aktuell hohe Bezuschussung von über 5.000 Euro dürften sich viele mit dem Preis von 57.472 Euro arrangieren können. Denn auch der E 300d dürfte bereits in der Basis rund 53.000 Euro kosten.
Technische Daten
Antrieb:Hinterrad
Getriebe:Neungang-Automatik
Motor Bauart:Vierzylinder Commonrail-Diesel
Hubraum:1995
Preis
Neupreis: 53000 € (Stand: 2020-11-25)
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2020-11-25

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