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Autoplenum, 2010-07-11

Mercedes SLS E-Cell - Audi e-tron - Duell im Montafon

Testbericht

Stefan Grundhoff

An sich dürften die beiden Kontrahenten erst in knapp vier Jahren die
Klingen kreuzen. Doch bei der Oldtimer-Rallye Silvretta Classic kam es
früher als erwartet zum erste Showdown. Mercedes SLS E-Cell und Audi e-
tron traten im glühend heißen Montafon gegeneinander an.

Neongelb gegen dunkelgrau, Stuttgart gegen Ingolstadt, Power gegen
Power, Weber gegen Dick – an sich nichts ungewöhnliches, würden die
beiden Boliden Mercedes SLS und Audi R8 nicht ausschließlich von einem
Elektromotor angetrieben. Keine Rennstrecke oder Autobahn in
Deutschland oder den USA sollte zeigen, wer der bessere ist. Es ging ins
österreichische Montafon zu einem ersten Vergleich der beiden
elektrobetriebenen Supersportler.

Der Elektroantrieb ist längst in aller Munde und auch wenn in den
nächsten zehn Jahren nur Bruchteile der weltweiten Neufahrzeuge ein
reines Elektroherz bekommen sollten, so geht es bei den großen
Herstellern derzeit besonders heiß her. Die Entwicklungsabteilungen
schieben Extraschichten und auch das Marketing kommt kaum zur Ruhe,
um die neue Elektroidee in die Hirne der potentiellen Kunden zu brennen.
Da kommt ein Großevent wie die traditionsreiche Oldtimer-Rallye Silvretta
Classic gerade Recht. Nachdem Audi einen roten e-tron Ende 2009 zu
einem kurzen Prototypen-Ausflug auf dem Pacific Coast Highway in
Kalifornien bereits von der Leine ließ, zog Mercedes in diesem Sommer mit
einem Abstecher nach Norwegen nach.

Jetzt kam es im beschaulich-sommerlichen Montafon zu einem ersten
echten Duell zwischen E-Cell und e-tron. Die 13. Silvretta Classic wurde
zu einer Hitzeschlacht für die rund 200 Oldtimer. Die Elektrofahrzeuge
taten sich auf der 162 Kilometer langen Nebenroute trotz 35 Grad im
Schatten und Anstiegen bis auf über 2.000 Meter leicht. Erstmals in
ihrer Geschichte veranstaltete die Silvretta Classic eine eigene
Elektrowertung. Neben den rund 200 Oldtimern aus den Jahren 1923
bis 1984 gingen 24 Elektrorenner an den Start. Auf der verkürzten
Bergstrecke des strahlend heißen Montafons sollten sie zeigen, dass es
auch in den Bergen ohne Verbrenner geht. Unangefochtene Stars im
Feld der graue Audi e-tron und der grellgelbe Mercedes SLS E-Cell, die
die Elektrokonkurrenz mit Smart Fortwo, VW Golf Elektro, Tesla
Roadster, Mitsubishi i-MIEV, Mercedes B-Klasse F-Cell oder Mini E
überstrahlten. „Wir brauchen in Größe und Palette kaufbare Produkte.
Die Vergangenheit hat aber auch gezeigt, dass nur wenn die
Infrastruktur steht, sich auch der Kundenerfolg einstellt. Und da müssen
wir aufs Tempo drücken“, so Andreas Scheuer (CSU), Staatssekretär im
Bundesverkehrsministerium bei dem Event. Doch aufs Tempo drückten
erst einmal die Elektrorenner.

Der eine ist gelb, schnell und gefährlich. Der Mercedes SLS E-Cell
unterscheidet sich optisch kaum von seinem benzinbetriebenen
Schwestermodell. Statt 571 PS gibt es 533 PS, 250 km/h Spitze und eine
versprochene Reichweite von mindestens 200 Kilometern. Der Anzug am
Berg gigantisch. Da sieht selbst ein Lamborghini Gallardo schlecht aus, der
gerade die Bielerhöhe erklimmt und gnadenlos überholt wird. „Mit der
Teilnahme an der Silvretta E-Auto beweisen wir, wie alltagstauglich unsere
emissionsfreien Elektrofahrzeuge sind“, so Daimler-Entwicklungs-Chef Dr.
Thomas Weber, „wir haben das Entwicklungsstadium längst verlassen und
arbeiten weiter. Der SLS E-Cell ist der wahre Supersportler unter den
Elektrofahrzeugen. 533 PS und 880 Nm Drehmoment zeigen, wie absolut
faszinierend Elektromobilität sein kann.“

Technologisch fährt der dunkelgraue Audi e-tron auf Augenhöhe. Doch
muss er im aktuellen Entwicklungsstand mit 313 PS und einer
Höchstgeschwindigkeit von rund 200 km/h auskommen. Der Benziner hat
ein V10-Triebwerk und 525 PS. Doch der Anzug auf den Straßen Richtung
Bartholomäberg ist ebenfalls enorm. Michael Dick, Entwicklungschef bei
Audi: „Für uns ist das eine ideale Hitzerprobung. Ende des Jahres starten
wir eine kleine Pilotserie des e-tron. 2012 folgt dann eine Kleinserie des
rein elektrisch angetriebenen Sportwagens. Wir hatten hier keinerlei
Probleme. Dort, wo es der Kunde nicht sieht, zum Beispiel bei den
Akkuzellen, müssen mehrere Hersteller zusammenarbeiten. Das spart
Entwicklungskosten und ermöglicht Einsparungen über größere
Stückzahlen.“

Beide Sportwagen aus deutschen Landen haben Allradantrieb und ein
gewaltiges Suchtpotenzial, denn nicht nur beim Spurt 0 auf 100 km/h
stehen die meisten anderen Autos hinten an. Beide Konkurrenten schaffen
den Spurt in weniger als fünf Sekunden. Doch eine Schauveranstaltung
wie die Elektro-Silvretta sorgt in Vorstandsetagen,
Entwicklungsabteilungen oder bei den Technikern zumindest vorab für
nasse Hände. Doch der bergige Kurs und Temperaturen von durchweg über
30 Grad im Schatten machten den Entwicklungsträgern letztlich keinerlei
Probleme. Während Mercedes SLS oder Audi e-tron mit Leistung satt
Strecken wie die Silvretta-Hochalpenstraße empor flitzten, taten sich VW
Golf Elektro, Smart Electric Drive oder die bunten Think-Modelle bergan
deutlich schwerer. Bleibt nur zu hoffen, dass die Elektro-Rallye im Rahmen
der Silvretta Classic im kommenden Jahr etwas mehr Wettkampfcharakter
und Streckenlänge bekommt. Denn pro Tag können Strecken bis 60
Kilometer, 35 Grad im Schatten und steile Anstiege die Elektrofahrzeuge
nicht ernsthaft testen.

Der sonnenreiche Montafon im Bundesland Vorarlberg war in diesem Jahr
zum 13. Mal Veranstaltungsort für die renommierte Alpen-Rallye Silvretta
Classic. Vorarlberg ist mit 750 Ladestationen und 75 Fahrzeugen
Modellregion für Elektromobilität. „Die letzten drei Tage haben gezeigt, dass
E-Autos schon sehr leistungsfähig sind. Jedoch müssen in den nächsten
zwei Jahren die Batteriekosten noch mal drastisch sinken. Derzeit sind wir
je nach Anbieter bei 600 Euro pro Kilowattstunde und damit bei
Gesamtkosten von über 10.000 Euro für einen Akku. Wir müssen aber auf
200 Euro und weniger pro Kilowattstunde für wirklich autotaugliche Akkus
kommen“, erläutert Ulrich Hackenberg, Entwicklungschef bei Volkswagen,
deren Golf Elektro mit der dreitätigen Hitzetour ebenfalls keinerlei Probleme
hatte. Er soll 2013 in Serie kommen.

Die grandiosen Fahrleistungen konnten SLS und e-tron nicht ausfahren,
aber allemal die Werbetrommel rühren. Supersportwagen und
Elektroantriebe schließen sich nicht aus. Doch nicht bei den meisten
Autofans auf der Silvretta Classic sprang der Funke über. Kein Wunder –
die meisten wollten brüllende Porsche 911, hüstelnde Ford Taunus,
grollende Jaguar oder blubbernde Käfer aus der guten alten Zeit sehen. Das
wird sich auf absehbare Zeit wohl kaum ändern.

Quelle: Autoplenum, 2010-07-11