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Autoplenum, 2010-04-01

Mercedes und Renault - Frühstück in Paris

Testbericht

Stefan Grundhoff

Was hat Mercedes mit Kooperationen zuletzt nicht für Bauchlandungen
erlebt? Die glitzernde Welt AG floppte und auch der weit reichende
Einstieg bei Mitsubishi ging in die Brüche. Jetzt gehen Daimler und
Renault miteinander ins Bett.

Es ist lange kein Geheimnis mehr, dass sich Mercedes einen neuen Smart
nur mit Hilfe eines Kooperationspartners leisten kann. Die ersten beiden
Smart-Generationen rissen gewaltige Löcher in die gut gefüllten
Kriegskassen. Doch der Erfolg des kleinen Mercedes-Ablegers Smart blieb
bis dato aus. Forfour, Coupé und Roadster wurden längst eingestellt; der
geplante SUV schaffte es überhaupt nicht in die smarten Verkaufsräume.
So wurde der Fortwo zum Einzelkämpfer. Bei Smart Nummer drei soll
alles anders werden.

Auch wenn die Dementis aus Stuttgart nicht leiser werden, ist es kein
Geheimnis mehr, dass Mercedes und Renault in Sachen Kleinstwagen
zukünftig gemeinsam an einem Strang ziehen wollen. Die Verkündigung
der Partnerschaft dürfte bereits Mitte April erfolgen. Beide Seiten arbeiten
gerade an den letzten Details des deutsch-französischen
Freundschaftsvertrages. Dann fehlt nur noch die Unterschrift der
Hauptakteure Dieter Zetsche und Carlos Ghosn. Bereits jetzt ist
durchgesickert, dass es neben Planungen für eine neue
Kleinwagenplattform auch um Triebwerke, leichte Nutzfahrzeuge und eine
Finanzbeteiligung gehen soll. Die Daimler AG wird demnach mit einem
Gesamtanteil von deutlich unter fünf Prozent am Renault-Nissan-Konzern
beteiligt. Im gleichen Zug steigen die Franko-Asiaten mit dem gleichen
Prozentsatz bei dem Stuttgarter Autobauer sein.

Wer glaubt, dass es direkt nach der Unterschrift unter den smarten
Kontrakt mit den konkreten Planungen für eine neue
Kleinwagenplattform losgehen kann, irrt. Denn bereits seit rund einem
Jahr beschnuppern sich die Partner auf beiden Seiten intensiv.
Abgesandte von Mercedes machten sich mehrfach auf nach Paris und die
Franzosen von Renault-Nissan kamen immer wieder gerne nach
Untertürkheim und Sindelfingen, um die geplante Zusammenarbeit auch
technisch auf die Rampe zu schieben.

Nachdem die größten Probleme nunmehr ausgeräumt sind, können die
konkreten Arbeiten für die neue Smart-Generation des Jahres 2013 /
2014 nach erfolgreicher Unterschrift unter den Kontrakt losgehen. Im
Schwabenland liegen bereits die ersten Designskizzen für den neuen
Fortwo in der Schublade. „Fest steht, dass der Smart zukünftig nur als
Familie existieren kann“, unterstreicht Dr. Joachim Schmidt, bei
Mercedes verantwortlich für Vertrieb und Marketing. So ist die
Konzeption einer viertürigen Version die logische Folge. Die soll anders
als der erste Smart Forfour, den Mitsubishi entwickelte, jedoch mehr
sein als ein langweiliger Kleinwagen von der Stange, sondern ein echter
Smart. Tridion-Sicherheitszelle und Heckmotor sind für die neuen
Versionen von Fortwo und Forfour gesetzt. Und auch die seinerzeit
gestrichenen Pläne für einen Smart-SUV kommen wie auf den
Schreibtisch. „Wie ein möglicher Kooperationspartner auch heißen mag:
Wir werden dafür Sorge tragen, dass der Smart immer ein echter
Smart bleibt“, gibt sich der Mercedes-Vertriebsvorstand Joachim
Schmidt betont zurückhaltend, „doch einen Smart alleine zu machen,
ist wirtschaftlich nicht möglich.“

Der Smart Fortwo III dürfte gewohnt kurz bleiben. Daher bleibt es auch
beim Heckmotor. „Anders kann man ein 2,70 Meter-Auto gar nicht
hinbekommen“, erklärt Schmidt. Damit der kleinste Mercedes nicht in die
Gefahr kommt, als Renault mit einem aufgesetzten Stern
wahrgenommen zu werden, werden sich die neuen Smart-Generationen
deutlich von den vergleichbaren Renault- und Nissanmodellen
unterscheiden. Doch Grundkonstrukt und Heckmotor sind auch bei den
Franzosen gesetzt. So kommt Mercedes aus der ebenso kostenintensiven
wie misslichen Lage, alle wichtigen Komponenten speziell nur für den
Smart entwickeln zu müssen. Denn der aktuelle Smart Fortwo hat mit
den volumenstarken Mercedes-Modellen so viele Teile gemeinsam wie ein
Großbagger mit einem U-Boot.

Wenn Daimler und Renault-Nissan in drei bis vier Jahren gemeinsame
Kleinwagenprojekte auf den Markt bringen, lassen sich endlich auch die
Stückzahlen rechnen. Im Gespräch sind mittelfristig 300.000 bis
400.000 Kleinstfahrzeuge pro Jahr. Bisher dümpelte man bei Smart mit
maximal 100.000 Fahrzeugen herum, für die das neue Invest nicht
lohnen würde. Bei der Produktion der Fahrzeuge selbst werden
Mercedes und Renault jedoch getrennte Wege gehen. Die neuen
Modelle Smart Fortwo und Forfour kommen aus dem bekannten Werk
in Hambach. Bei Renault-Nissan sollen eigene Werke für die Cityflitzer
genutzt werden.

Anders sieht das bei den Triebwerken aus. Hier scheint bereits
festzustehen, dass die Motoren ausschließlich bei Renault vom Band
laufen. „Bestandteil einer Kooperation wären natürlich auch die
Motoren“, sagt Dr. Joachim Schmidt. Bis zuletzt hatte BMW kräftig um
Mercedes-Benz geworben. Doch die ingenieursgetriebenen Bayern
patzten in ihrer Lieblingsdisziplin – dem Motorenbau. Anders als bei der
Motorenkooperation mit PSA (Peugeot / Citroen), die mittlerweile
ebenfalls die kleinen Vierzylinder-Benziner der Münchner verbauen,
konnte man die Schwaben mit neuen, kleinen Triebwerken nicht
gewinnen. Mercedes waren die präsentierten Dreizylinder mit
Turboaufladung, variabler Ventilsteuerung und insbesondere wegen des
Hubraums von knapp 1,5 Litern zu groß. Bei Smart ist man kleiner
unterwegs. Knapp 1,0 bis 1,2 Liter sind das Maß der zukünftigen Dinge.
Die Entwicklung eines Dreizylinders allein erschien den Mercedes-
Verantwortlichen unter technischer Leitung von Entwicklungs-Chef Dr.
Thomas Weber zu aufwendig. Wenn schon neue Motoren, dann soll das
Grundkonstrukt sowohl mit drei als auch mit vier Brennkammern
möglich sein.

„Solche Motoren könnten dann auch in die nächste Generation A- und B-
Klasse Einzug halten“, erklärt Dr. Joachim Schmidt. Die Nachfolger von A-
und B-Klasse werden im kommenden Jahr vorgestellt. Sie stehen auf der
neuen MFA-Plattform und bekommen zum Start neue Mercedes-
Triebwerke. Doch eine Auffrischung der Palette mit kleinen, aufgeladenen
Triebwerken aus der Mercedes-Renault-Kooperation scheint im Laufe des
Modellzyklus wahrscheinlich. Damit will man die Vorteile nutzen, die
gerade Hersteller wie VW / Audi oder Fiat aktuell mit ihren zukünftigen
Triebwerksgenerationen vorleben. Groß ist die Angst, dass der
Kleinwagenzug an Daimler vorbeifährt, während Konzerne wie
Volkswagen, Fiat oder Toyota in die Vollen gehen. Netter Nebeneffekt: der
kleine Dreizylinder, der zusammen mit Renault-Nissan entwickelt wird,
könnte zudem als Range-Extender in verschiedenen Mercedes-Modellen
eingesetzt werden.

Bei den Triebwerken selbst soll sich der Premiumhersteller Mercedes
klar von dem Volumenproduzenten Renault abheben. Die neuen Drei-
und Vierzylinder bekommen die gleiche technische Basis. Entwickelt
werden sie mit Direkteinspritzung, variabler Ventilsteuerung und
Turboaufladung. Doch je nach Fahrzeugklasse und Hersteller wird
speziell entschieden, mit was die verbauten Motoren ausgestattet
werden. Ähnlich läuft es derzeit auch bei BMW / PSA. Nicht ganz
unwichtig war bei Mercedes bei der Auswahl des zukünftigen Partners,
dass die neuen Modelle auch elektrifiziert werden. Renault setzt seit
rund einem Jahr voll auf das Thema Elektroantrieb. Zwar wird darüber
nicht nur in der Mercedes-Konzernzentrale auch die Stirn gerunzelt;
doch fest steht, dass die neuen Smart-Modelle dem Vorbild des Smart
Fortwo ev folgend sämtlich auch eine Elektroversion bekommen wollen.

Neben den neuen Smart-Generationen wollen Zetsche und Ghosn auch
bei leichten Nutzfahrzeugen miteinander kooperieren. Im Gespräch ist
ein leichter Lieferwagen, für die neue Kangoo-Generation die
gemeinsame Basis sein könnte. Zwar ist man in Stuttgart von dem
individuellen Design des französischen Grundmodells wenig angetan,
doch das Mercedes-Designcenter hat mit der Neuauflage der R-Klasse
erst gezeigt, was aus mäßigen Vorgaben noch zu machen ist.

Quelle: Autoplenum, 2010-04-01
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