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Testbericht

Stefan Grundhoff, 2. Mai 2019
Brasilien gilt trotz wirtschaftlicher Probleme als stille Großmacht der weltweiten Autoindustrie. Neben aller Massenproduktionen ist das Geschäft mit gepanzerten Fahrzeugens nirgends heißer als rund um den Zuckerhut.

Wer auf den Straßen der brasilianischen Metropolen Sao Paulo, Brasilia oder Rio de Janeiro unterwegs ist, der kann sich der Übermacht kleiner Pseudo-Crossover kaum entziehen. Egal ob Fiat, Renault, Volkswagen oder Ford - gerade die neueren Fahrzeuge sind trotz ihrer überschaubaren Abmessungen überaus selbstbewusst und nicht immer filigran mit rustikal anmutenden Planken verziert. Hier ein aufgesetztes Ersatzrad, dort ein grauer Unterfahrschutz und dann noch grobe Schweller und ein paar Zentimeter mehr Bodenfreiheit nebst Geländereifen. Der Brasilianer will gerne zeigen, dass er auf SUV steht, auch wenn er sich einen echten Geländewagen meist kaum leisten kann. Wenn schon ein Crossover zu sehen ist, dann ist es ein Duster, der hier unter dem Renault-Signet läuft oder der kompakte Ford Ecosport, der aus Südamerika heraus längst den Sprung nach Europa geschafft hat. Zwischendrin immer wieder betagte Klapperkisten vom alten VW Bus über den Käfer bis hin zu den heimischen Strandexoten von Gurgel.

Überaus selten geht es Lokalitäten wie der Avenida Vieira Souto von Ipanema oder auf der Bundesstraße 150 von Sao Paulo nach Cubatao exklusiver zu. Und wenn dann einmal ein Audi A4, ein BMW 5er oder ein Toyota 4Runner das Straßenbild auflockert, dann sind die Fahrzeuge zumeist gepanzert. Auch wenn die dunklen Scheiben einen dazu zwingen, ganz genau hinzuschauen: Fahrzeuge der Mittelklasse oder noch teurer sind nur selten ohne Panzerung unterwegs. Auch wenn sich die Situation in den letzten Jahren etwas gebessert hat, gehören Überfälle im brasilianischen Straßenverkehr heute noch immer zur Tagesordnung. Daher schützen sich Privatleute oder Hotels bei ihren Touren mit gepanzerten Fahrzeugen. Fällt ein gepanzerter BMW X3 oder ein Audi Q5 im Straßenverkehr ggf. noch auf, sieht das bei einem dunklen Allerweltsmodell wie dem Toyota Corolla oder einem Mitsubishi Pajero TR4 ganz anders aus. Dabei sind die Autos zumeist nicht vom Werk aus gepanzert, sondern wurden bei einer der zahllosen Nachrüstfirmen einer massiven Sicherheitskur unterzogen.

Gepanzerte Scheiben und Kevlar- sowie Aramidplatten sorgen dafür, dass die Insassen in einem entsprechend gesicherten Fahrzeug beim Beschuss mit Pistolen und leichten Gewehren nicht um ihr Leben fürchten müssen. Die meisten Modelle halten immerhin der Munition vom Typ Kaliber 38 oder gar einer 44er Stand; das reicht für den gefährlichen Alltag an der Ampelkreuzung oder der Tiefgarage allemal. Hersteller wie Shell Armoured Vehicles, DuPont oder TAG haben alle Hände voll zu tun und man kommt mit den Aufträgen kaum nach. Doch nicht nur Privat- und Geschäftsleute, Politiker und die Polizei sind in den brasilianischen Großstädten zunehmend in gepanzerten Automobilen unterwegs. Hotels der höheren Preisregionen transportieren ihre Gäste vom Flughafen bis zum Meeting oder dem eigenen Haupteingang ebenso in einem gesicherten Fahrzeug wie größere Firmen, die ihre Mitarbeiter ungeschützt kaum mehr auf die Straße lassen.

Das Geschäft mit gepanzerten Fahrzeugen ist in Brasilien dabei größer als irgend anders auf der Welt. Pro Jahr drehen sich so rund 250 Millionen US Dollar. Die Autohersteller profitieren von dem Trend kaum, denn nur wenige Menschen können sich in dem 210-Millionen-Einwohnerstaat ein Premiummodell leisten. Nur jene gibt es zumeist mit einer Werkspanzerung, die hinauf bis zur Beschussklasse VR-10 hinaufgeht, womit hochrangige Politiker und Richter in Luxuslimousinen und schweren Geländewagen geschützt werden. Audi ist einer der wenigen Autohersteller, der seinen Mittelklasse-SUV Q5 für die Märkte in Süd- und Mittelamerika auch als Sonderschutzausführung anbietet. Mit seiner Panzerung erfüllt er die Anforderungen der Beschussklasse VR4, wobei der Crossover zusätzlich nach der in Südamerika verbreiteten Klasse NiJ III-A zertifiziert wurde. Wer mehr will, muss zum Luxusmodell A8 als Schwerpanzer greifen, der mit Modellen wie der Mercedes S-Klasse konkurriert.

Das Gros des Mittelstandes fährt dagegen Modelle wie Toyota Corolla, Ford Mondeo, Kia Soul oder einen Hyundai Azera. Und immer mehr Leute lassen das normale Serienmodell bei einer der unzähligen Firmen nachpanzern. \"Das kostet bei uns zwischen 50.000 und 75.000 Real\", erzählt der Geschäftsführer eines der großen Panzerunternehmen, die die Fahrzeuge zumeist ohne große Werbung in Außenbezirken von Metropolen wie Sao Paulo oder Rio de Janeiro umbauen. Die ganze Arbeit kostet ein bis zwei Wochen - je nach Auftragslage. Mehr als zwei Drittel aller Fahrzeuge wird im Großraum Sao Paulo umgerüstet; nicht immer fachmännisch. Vielen Kunden ist die eigene Sicherheit die umgerechnet 11.000 bis 17.000 Euro für eine Umrüstung allemal wert. Beliebter denn je sind dabei Fahrzeuge, die im Straßenverkehr nicht auffallen. Kein Wunder, dass der Toyota Corolla im Laufe der letzten Jahre zum meistgepanzerten Auto Südamerikas geworden ist. Die Sicherung an Scheiben, Türen und Wänden drückt den 1.400 kg schweren Japaner knapp an die 1,6-Tonnen-Marke. \"Während die Fahrwerksabstimmung von uns angepasst wird, können die Regelsysteme und die Bremsen das Mehrgewicht problemlos vertragen\", erläutert einer der Techniker in der großen Halle. Ähnlich groß ist die Nachfrage nach gepanzerten Autos weltweit nur noch in Mexiko, wo in den großen Metropolen ebenfalls zahllose Panzerfahrzeuge die Straßen bevölkern.

Jahrelang ging es mit dem Automobilmarkt in Brasilien bergab. Doch die Talsohle der Rezession scheint 2016 erreicht und seither geht es auch für die Panzerfirmen wieder bergauf. \"Als der Markt so schlecht war, ist die Nachfrage nach gepanzerten Fahrzeugen auf dem Gebrauchtwagenmarkt stark angestiegen\", erklärt der Geschäftsführer des Panzerunternehmens in der Millionenagglomeration von Sao Paulo, \"hier kamen wir gar nicht hinterher. Viele ließen auch gebrauchte Modelle nachpanzern.\" Etwas anders sieht die Sache bei großen Hotels und exklusiven Mietwagenfirmen aus, die ihren Fahrdienst immer öfter in gesicherten Fahrzeugen anbieten. Während die Hotels darüber zumeist den Mantel des Schweigens hüllen und ihren Gästen noch nicht einmal sagen, dass sie gepanzert chauffiert werden, gehen die Autovermieter in Offensive, denn die Nachfrage von ausländischen Besuchern, in einem gepanzerten Auto gefahren zu werden, ist größer denn je.

Quelle: Autoplenum, 2019-05-02

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