Porsche Panamera Turbo - Ungemein flotter Vierer
Testbericht
Der Porsche Panamera Turbo kombiniert die Leistungen eines
Supersportlers mit den Annehmlichkeiten einer Luxuslimousine. Doch
müssen es in dieser Klasse wirklich 500 Turbo-PS sein, um Kunden zu
begeistern?
Die Idee eines viertürigen Sportwagens war im Hause Porsche nicht neu.
Bereits bei den Modellen 911, 944 und 928 hatten die Zuffenhausener
Bolidenbauer bereits an viertürigen Visionen herumgesponnen. Gerade für
den US-Markt sollte es ein Viersitzer mit vier Türen sein, der das güldene
Wappen auf der Haube trug. Aus Plattform-, Kapazitäts- und
Kostengründen wurden die Ideen immer wieder verworfen. Doch der
Erfolg des Luxus-SUV Cayenne machte die Porsche-Verantwortlichen
mutiger. Schließlich hatte der alles andere als filigran gezeichnete Ableger
des Triumvirats aus Q7, Touareg und Cayenne die Produktionszahlen von
Porsche nahezu verdoppelt.
Zudem kommt der Panamera zur rechten Zeit. Viertürige Limousinen
liegen aktuell stark im Trend. Eine sportive Luxusströmung von Mercedes
CLS und Maserati Quattroporte ebnete den Trend letztlich auch für das
umsatzstarke Premiumsegment. Hier haben die Schwaben Wort gehalten.
Der Panamera ist ein echter Porsche mit exzellenten Fahrleistungen,
überzeugendem Platzangebot und variablen Einsatzmöglichkeiten. Dabei
sind die Rollen der einzelnen Panamera-Versionen klar verteilt. Das 300
PS starke Basismodell soll in erster Linie Auf- und Umsteiger anderer
Marken abgreifen. Vielleicht auch den ein oder anderen Piloten, der bisher
einen BMW 7er Diesel oder einen mittelprächtig motorisierten Audi A8
bewegte. Gerade in den USA soll ein bald nachfolgender Panamera Hybrid
die finanzstarke Öko-Kundschaft locken, während der 400 PS starke
Achtzylinder gerade als Allradversion der Liebling der sportlichen
Limousinenmassen werden soll.
Von allem ein gutes Stück mehr bietet der Panamera Turbo. 368 KW /
500 PS stark und obligatorisch mit einem fahrdynamisch ausgelegten
Allradantrieb für alle Eventualitäten auf der Straße gerüstet, kommt ihm
eine ähnliche Rolle wie dem 911 Turbo unter den hauseigenen
Sportwagen zu. Ein viertüriger Supersportwagen für alle Tage, bei dem
lässiges Cruisen genauso an der Tagesordnung ist, wie kompromissloses
donnern. Von den Fahrleistungen gibt es keinen Grund, den Turbo als
seinen Liebling zu erwählen, denn bereits der Panamera 4S beeindruckt
selbst engagierte Piloten mit exzellentem Tatendrang. Doch der
Unterschied zur aufgeladenen Version ist ungewöhnlich mächtig. Dazu
bedarf es keinesfalls eines Einstiegs in die Sphären der
Höchstgeschwindigkeit. Auch hier düpiert der Panamera seine
Konkurrenz.
Die erfahrenen Sportstrategen der M GmbH, von AMG oder dem Hause
Quattro GmbH bremsen ihre Modelle trotz stärkster Triebwerke zwischen
250 und 280 ein – ohne jeden Grund. Wer es in dieser Liga fliegen lassen
will und dafür mehr als 130.000 Euro ausgibt, dem muss auch nicht
vorgeschrieben werden, wie schnell er das tun darf. Selbst das
Klassensprecher Maserati Quattroporte muss bei gut 280 km/h passen. So
hat der Panamera Turbo zumindest in dieser Disziplin nur einen echten
Konkurrenten – den Aston Martin Rapide, der mit knapp über 300 km/h
Spitzen ähnlich engagiert wie der Panamera Turbo die Streckenabschnitte
verschlingt.
Erst einmal auf die Autobahn aufgefahren, verschwendet man nie wieder
einen Gedanken, ob es nicht auch ein Panamera 4S oder gar ein müder
Sechszylinder getan hätte. Aus dem Autobahnkleeblatt heraus geht es auf
die Beschleunigungsspur – kein Auto weit und breit - einfach nur
Dauerfeuer. Von knapp 80 km/h beschleunigt der Panamera Turbo wie
aus einem Atemzug bis weit hinter die 230er-Marke. Kein Wunder: bei
knapp über 2.000 Touren liegen 700 Nm maximales Drehmoment an – 0
auf Tempo 100 in 4,2 Sekunden. Dabei merkt der Fahrer von der
Leistungsentfaltung des 4,8 Liter großen V8-Motors kaum mehr als sanfte
Gangwechsel und die sich geradezu überschlagende Tachonadel nebst
imposant hüpfender Digitalanzeige. Kaum zu glauben, dass zu so einem
Zwischenspurt eine Limousine im Stande sein kann. Zudem ein Viertürer,
der seine größten Stärken im Alltagsverkehr hat. Denn 220, 250 oder
sogar 300 km/h sind die eine selten betrachtete Seite der Medaille.
Die Paradedisziplin ist trotz aller Sportwagenambitionen die Leichtigkeit
des alltäglichen Seins. Wenn man sich einmal an die gewaltige
Mittelkonsole mit ihrer kurzzeitig beängstigenden Schalterbatterie
gewöhnt hat, ist das Einsteigen in den Panamera wie die alltägliche
Rückkehr nach Hause. Gut zu wissen, dass man trotz alles
Nehmerqualitäten für alles gerüstet ist. In jeder flotteren Kurve begeistert
die grandiose Straßenlage, die – je nach Fahrprogramm nicht zur hart und
nicht zu weich – einem phantastische Kurvengeschwindigkeit ohne
spürbare Wankbewegungen ermöglicht, um ein paar hundert Meter weiter
lässig über Fahrbahnunebenheiten hinüberzugleiten. Allein im Sport-Plus-
Modus dürfte die Lenkung ruhig noch mehr Rückmeldung von der
Fahrbahnoberfläche geben.
Die fünf Runduhren im Armaturenbrett informieren über alles
Sinnvolle. Die Schalter in der Mitte sind vielleicht nicht schön, aber
nach kürzester Zeit rein intuitiv zu bedienen. Die Sitzfächen anwärmen
oder kühlen, kurz das Sportprogramm einstellen oder einfach nur
komfortabel rollen und dann das prächtig zu bedienende
Multimediasystem mit Radio, Luxussound und TV-Empfang. Ebenso
einleuchtend wie glänzend gemacht, dass sich in die rechte größere
Runduhr alternierend alle gewünschten Informationen projizieren
lassen: Navigationspfeil oder Mini-Karte, Bordcomputer oder
Radiosender. Klasse gemacht und einfach zudem – durchzuschalten an
einem Drehrädchen am wenig sehenswerten Lenkrad. Das Lenkrad mit
jeder menge Plastikcharme ist neben einer wenig überzeugenden Start-
Stopp-Automatik eine der wenigen Schwächen des Panamera Turbo.
Die vebrauchssenkende Start-Stopp-Automatik macht mit dem
ansonsten vorbildlich arbeiten Doppelkupplungsgetriebe mit seinen
sieben Schaltstufen einen verbesserungswürdigen Eindruck. Problemlos
und seidenweich geht der Achtzylinder beim Ampelstopp aus. Doch wer
nach dem Loslassen des Bremspedals gleich Gas gibt, bringt den 1,9
Tonnen schweren Stuttgarter zum Ruckeln und Springen. Das nervt –
insbesondere weil die Limousine in der Luxusliga fährt, weit über
100.000 Euro kostet und kein Dieseltriebwerk hat, was das Ganze noch
schwerer machen würde. Auch beim Verbrauch macht sich die Start-
Stopp-Automatik kaum bemerkbar. Im Praxistest verbrannte der
aktuell stärkste Panamera durchschnittlich 14,4 Liter SuperPlus auf
100 Kilometern. Für diese PS-Leistung an der obersten Grenze und
deutlich mehr als von Porsche mit einem Normverbrauch von 12,2
Litern in Aussicht gestellt.
Die vier Einzelsitze des 4,97 Meter langen Stuttgarters passen sich gut
den Insassen an. Vorne könnten die Sitze die Seitenwangenverstellung
des 911ers gebrauchen. Zudem sind die Verstellmöglichkeiten im Fond so
gering, dass jeder Gedanke, den Panamera als Chauffeurslimousine
bewegen zu wollen, nach wenigen Metern ad absurdum geführt werden.
Fest steht: hier sitzt der Chef ausschließlich selbst am Steuer. Hinten ist
das Platzangebot sehr ordentlich, doch nur allzu selten dürfte im
belederten Fond jemand sitzen. Der Kofferraum fasst mit 445 bis 1.200
Litern genügend große Gegenstände. Allerdings gibt es für die hohe und
schmale Ladeluke mit elektrischer Betätigung keinen Familienpokal. Das
dürfte gerade auch angesichts des Einstiegspreises von 135.154 Euro
kaum einen Kunden interessieren. Schließlich ist der Porsche Panamera
Turbo trotz vier Sitzen und vier Einstiegen kein Lastesel und in der Familie
dürften in den meisten Fällen noch ein paar weitere Fahrzeuge für den
harten Alltagsbetrieb stehen. Doch selten war es begeisternder und
lässiger, in einem Sportwagen für vier zu fahren.