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Testbericht

Stefan Grundhoff, 19. März 2009
Bei der eigenen Automarke sind viele eigen. Gerade Sportwagenfahrer wechseln nur ungern den Hersteller. Und für echte USA-Fans gibt es seit knapp 50 Jahren nur eine echte Sportskanone – die Corvette.

Klar ist die neue Corvette die beste aller Zeiten. Das war schließlich jede neue Corvette. Doch diesmal ist der Abstand zum auch schon höchst beeindruckenden Vorgänger wirklich deutlich. Optik, Fahrwerk, Antrieb und dieser grandiose (Schnäppchen-)Preis – manchmal ist Geiz wirklich geil. So viel Power und so viel Sportlichkeit sind sonst für so wenig Geld (vergleichsweise, versteht sich) nicht zu bekommen. Okay - die Vette ist in Deutschland fast doppelt so teuer wie in ihrem Heimatland. Dort kann man sie als Angebot schon mal für umgerechnet 30.000 bis 35.000 Euro erstehen. Doch auch etwas mehr als 60.000 Euro sind für einen alltagstauglichen Vollblutsportler mit sechs Litern Hubraum und über 400 PS allemal noch ein Schnäppchen. Da sind wir im alten Europa doch ganz andere Preise gewohnt.

Chevrolet, das war mal. Den Namenszug musste der Ami-Zweisitzer an die Billigmarke Daewoo abtreten. So heißt die Corvette nun eben so, wie sie ist: Corvette. Das rassige Coupé ist stets ein Hingucker - hat aber gerade im Heimatland von Porsche mehr als anderswo mit Imageproblemen zu kämpfen.

Nach wie vor ist der bullige Amerikaner für viele allenfalls eine Prolo-Schleuder. Doch wer so drauf ist, der sollte sich einfach mal für eine halbe Stunde hinter das Lenkrad setzen. Klar - gerade die Innenraumgestaltung ist wie gehabt alles andere als hochwertig. Der Abstand zu Klassenkameraden wie Porsche, Maserati oder Lamborghini ist gewaltig. Die Sitze sind allenfalls Mittelmaß, die Bedienung kaum besser und der Fahrer braucht einige Zeit, um sich hinter dem viel zu großen Lenker zurecht zu finden. Auf den zweiten Blick aber hat die Corvette dann doch die ein oder andere nette Überraschung parat. Da ist das variabel justierbare Headup-Display. Oder der Oben-Ohne-Genuss: Das Mittelteil des Coupédachs lässt sich entfernen. Das ist zwar beim Erstkontrakt etwas kniffelig - aber ein echtes Targadach bietet schließlich nicht jeder. Während andere Fahrzeuge mit Hightech-Kombinationen glänzen, um die Mütze zu versenken, setzt der Ami auf solide Handarbeit.

Er ist eben ein ehrlicher Bursche, der zeigt, was er hat. Daher gewöhnt man sich schnell daran, das nicht einmal zehn Kilo leichte Kunststoffdach in den mächtigen Kofferraum zu wuchten. Dieser Kofferraum fasst – ohne Targadach – satte 634 Liter Stauraum. Richtig. Das bietet nicht einmal ein Opel Zafira. Zu allem Überfluss ist das große Gepäckfach durch die kuppelartige Heckscheibe auch noch ungewöhnlich leicht zu beladen. Familienväter dürften sich allein von der hohen Ladekante gestört fühlen. So schön ein Targa ist - der Stabilität der Karosserie würde ein festes Dach gut tun. Auf welliger Piste knarrt und knatscht es gerne einmal. Der Leichtbau beschränkt sich - typisch für die Corvette - nicht nur auf das Dachkonzept. Die Kunststoffkarosse sorgt mit dafür, dass sich der 406 PS starke Hecktriebler selbst gegen deutlich stärkere Boliden nicht verstecken muss. Über 540 Nm Maximaldrehmoment sind nun einmal ein Wort.

Auch das Fahrwerk muss sich gegen die etablierte Konkurrenz in keinem Fall verstecken. Überraschenderweise macht die Corvette im normalen Fahrbetrieb auf lässigen Cruiser, dämpft und federt alle Unebenheiten locker ab. Man mag kaum glauben, dass man in einem Rennwagen sitzt. Denn 300 Sachen sind allemal drin. Und bis Tempo 100 vergehen keine fünf Sekunden. Da haben viele längst schlapp gemacht - notfalls elektronisch abgewürgt. Solcherart Selbstbeschränkung kennt die Vette nicht - so sehr man sie von der Leine lässt: Sie kann jederzeit zusetzen. Der Sechsliter-V8 klingt immer bullig und nie angestrengt. Die Karosserie ist selbst im Grenzbereich nicht ins Wanken zu bringen. Wird es eng, greift das serienmäßige ESP angenehm spät ein. So hat der Pilot alle Möglichkeiten, sein Fahrkönnen wirklich auszutesten.

Im Vergleich zum Vorgänger ist die aktuelle Corvette rund 13 Zentimeter kürzer, hat aber einen leicht verlängerten Radstand. Das tut ihr gut. Wer will, kann für 2.250 Euro Aufpreis elektronisch einstellbare Dämpfer ordern. Echte Sportwagenfans sollten da nicht lange überlegen. Nicht ganz überzeugen kann dagegen die Lenkung. Sie ist für einen Sportwagen dieser Kategorie einfach zu schwammig.

Doch das Klassetriebwerk lässt den ein oder anderen Makel schnell vergessen. Denn außer bei dem gewaltigen Gepäckabteil kann die Corvette auf einem weiteren Gebiet punkten, das nicht gerade zu den Königsdisziplinen von Sportwagen gehört: An der Tankstelle zeigt sich der mächtige V8 trotz seiner grandiosen Fahrleistungen fast schon als Spardose. Ohne Probleme kommt er im Alltagsbetrieb mit elf Litern Super auf 100 Kilometern aus. Wer es drauf anlegt, kratzt auch von oben an der Zehn-Liter-Maske - auch, wenn das deutlich weniger Spaß bringt. Erst ab Tempo 200 wird der Ami durstig, aber auch da nie zum Säufer. Ein Grund dafür ist die lange Übersetzung gerade in den hohen Gängen. Die Automatik könnte für Kurvenhatz und Rennstrecke zwar etwas bissiger sein - im Alltagsbetrieb kann sie aber vollauf überzeugen.

Alles in allem gibt es keinen Grund, die Corvette und ihre Fans länger mit Hohn und Spott zu überschütten. Gerade für deutsche und italienische Sportwagenfans wird es wehtun: Aber die Corvette ist einer der besten Sportwagen seiner Zeit – und dabei günstiger als alle anderen. Der Unterschied zur dynamischen Premiumkonkurrenz liegt zwischen 40.000 und 80.000 Euro – da kann man auch mit dem größeren Wertverlust und den abwertenden Blicken hier und da locker leben. Versprochen.

Quelle: Autoplenum, 2009-03-19

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