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Testbericht

Wolfgang Gomoll, 12. März 2020
Mit dem Auto von Mumbai nach Delhi - das sind 2.041 Kilometer Abenteuer durch ein Land voller Gegensätze und Geheimnisse.

Die Route durch Indien sieht schon auf dem Plan vielversprechend und abwechslungsreich aus: von Mumbai, über Surat, Ahmedabad, Udaipur, Jaipur, Agra bis nach Delhi. Vorbei an Sandstränden und durch Wälder am Mount Abu mit Affen, die das Autodach entern sollten. Auf dem Weg liegen natürlich auch weltberühmte Bauwerke und Gegenden, wie der Pichhola-See mit den Maharana Palästen, der schon die Kulisse für James Bond Film \"Octopussy\" bildete, der Palast der Winde, das Rote Fort und das Taj Mahal. Jenes Mausoleum, das die Staatskasse leerte und dem Erbauer Hausarrest einbrachte. Doch die Gegensätze im Land der Maharadschas sind groß und weit vielfältiger als die pittoreske Postkarten-Idylle es suggeriert.

Den ersten Kulturschock gibt es schon in Mumbai. Der Verkehr in der indischen Millionenmetropole ähnelt einem wahnwitzigen Chaos, bei dem es nur einem Wunder gleichkommt, dass es nicht jede Sekunde kracht. Dass es durchaus zu Feindkontakt kommt, zeigen die Kampfspuren an den anderen Autos. Wir sind mit unserem Skoda Kodiaq mittendrin im Getümmel. Wer hier mit der teutonischen Rechthaberei-Attitüde unterwegs ist, wird gnadenlos scheitern. Hier herrscht blanke Verkehrsanarchie, denn der Rad-an-Rad-Kampf potenziert sich in den Innenstädten. Hier haben die Tuk Tuks, die mit sieben Menschen vollgepackt sind, und die Motorroller das Sagen, die sich wie ein gelbgrüner Hummelschwarm hupend durch den wuselnden Verkehr und Passanten fräsen. In Deutschland würde die Volksseele kochen, hier regt sich keiner auf.

Ohne Hupe geht gar nichts. Deswegen wird sie bei den Autos auch deutlich standfester ausgelegt als etwa in Europa. Das immertönende Signalhorn ist hier Kommunikationsmittel und ersetzt den Blinker: Statt Platz da, jetzt komme ich, bedeutet das Horn: Vorsicht, ich nähere mich von rechts oder links. Vor engen Kurven auf schmalen Landstraßen wird per Schild sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, einen akustischen Warnhinweis an den Gegenverkehr auszusprechen. Bei einer Lücke in der unendlich lang erscheinenden Kolonne der rollenden Vehikel heißt es, einfach draufhalten. Egal, wie teuer der fahrende Untersatz auch ist. Wer bremst, verliert und wartet ewig. Trotzdem: Im Chaos herrscht eine besondere Form der Ordnung, jeder denkt für den anderen mit und rote Ampeln sowie Richtungsfahrbahnen werden lediglich als Angebot verstanden.

Die Multi-Millionen-Metropole am arabischen Meer ist der älteste Hafen Indiens. Hier treffen die sozialen Gegensätze in einem 21 Millionen Menschen Mikrokosmos zusammen: Unermesslicher Prunk, wie im Taj Mahal Palace, der Nummer eins unter den der Luxus-Hotels Indiens, nur wenige Fußschritte vom Gateway of India entfernt. Jenem weltberühmten Monument, das den Seefahrern die Ankunft auf dem Subkontinent signalisierte. Eine Bootsfahrt-Stunde vom Hafen entfernt liegen die Elephanta Höhlen. UNESCO Weltkulturerbe aufgrund der in Stein gehauenen Shiva Statuen. Zurück in der Riesen-Siedlung verändert sich das Bild mit jedem Kilometer, den man sich vom Stadtkern entfernt. Aus Häusern werden Hütten und aus Hütten einfache Verschläge, die sich wie eine Ansammlung wahllos hingeworfener Legosteine über riesige Flächen erstrecken. Auf den Märkten gibt es eine Sektion für Früchte und eine für Tiere. Dort ist der Geruch sehr intensiv, oder anders gesagt, es herrscht ein bestialischer Gestank und der Boden ist die pure Erde mit Pfützen, die aus einer undefinierbaren Flüssigkeit bestehen und durch die man, wie bei einem mittelalterlichen Eiertanz hindurchlaviert.

Weiter geht es auf dem National Highway 4 in Richtung Norden nach Palghar und, wo Ende Januar mit dem Vasant Pancham-Fest, mit dem die Hindus die Ankunft des Frühlings mit Blumengebinden feiern. Die Menschen lachen mit der strahlenden Sonne um die Wette und sind glücklich. Die Frauen tragen das traditionelle farbenfrohe Sari-Gewand und verteilen frisches Obst an die Kinder. Das Meer ist nur ein paar Schritte entfernt, doch von weißem Traumstrand ist nicht viel zu sehen, eher von kaputten Schuhen und anderen Müll. Dazwischen sitzen Menschen auf Plastikstühlen und genießen die Sonne. So einfach mal Strecke machen, ist in Indien nicht. Auf den Autobahnen geht es nur selten schneller als 100 km/h pro Stunde voran. Bei den Vehikeln, die sich auf den Straßen tummeln, ist das auch gut so. Zudem kommen einem hier gerne mal Fußgänger, Autos, Fahrradfahrer oder Tiere entgegen. Mopeds tuckern dahin - auch auf den linken, hier rechten Spur. Dann sind da noch die Kühe, die sind hier heilig und das scheinen die Wiederkäuer auch zu wissen. Kein Rufen und keine Hupensalve bringt sie aus der Ruhe. Und wenn man sie zu sehr nervt, verrichten sie auch einfach die Notdurft direkt vom Auto. Auch in der Dunkelheit trotten sie gemütlich in Gruppen, entgegensetzt zur Fahrtrichtung. Wer hier nicht höllisch aufpasst, hat ruckzuck mehrere hundert Kilogramm extra Gewicht auf der Motorhaube. Auf den vielen Tankstellen und Rastplätzen gibt immer wieder einen Farbtupfer zu sehen, weil die Lkw-Fahrer ihre Fahrzeuge bunt schmücken und bepinseln.

Außerhalb der großen Städte und abseits der Hauptverkehrsadern ändert sich das Bild schlagartig. Manche Orte bestehen im Grunde nur aus einer Hauptstraße, an der sich nach vorne offene Verschläge aneinanderreihen, in denen sich das Geschäftsleben abspielt. Hier kann man sich auf Stühlen, die offenbar noch die Kolonialzeit erlebt haben, rasieren lassen. Preis: 50 Rupien (rund 64 Cent), genauso viel, wie zwei Bananen und zwei Mandarinen. Gleich nebenan gibt es Wasser, Brot, Coca Cola und sonstigen Bedarf des täglichen Lebens. Allgegenwärtig sind übrigens die Kartoffelchips, in allen Varianten. Die essen die Inder gerne und deswegen sind manche auch durchaus etwas fester gebaut. Wir schlängeln uns durch die Menschen, Mopeds und Fahrräder, die die Straße in Beschlag nehmen und bei den Stopps auf dem Land wird unser SUV mit großen Augen bewundert. Benzin nachzufüllen ist übrigens nicht immer ganz einfach: Nicht alle Tankstellen akzeptieren ausländische Kreditkarten, also ist es ratsam immer Bargeld dabei zu haben.

In einer verwinkelten Straße klettern wir den \"Mount Abu\" im Bundesstaat Rajasthan hoch. Auf dem 1.722 Meter hohen Gipfel spiegelt sich die Sonne in einem kleinen See. Viele Menschen tragen weiße Kleidung, vermutlich aufgrund der Hindu-Tempel. Bei der Fahrt nach unten begrüßen uns die kleinen Affen, indem sie auf das Auto klettern und sich über ein Stück Brot freuen. Wir halten uns weiter abseits der großen Straßen und rollen durch kleine Siedlungen und größere Städte. Entlang der \"Hauptstraße\" reihen sich die üblichen kleinen Gebäude ohne Front: Hier werden die Geschäfte abgewickelt. Gekocht wird überall. Ob es ultrasüße Teigtaschen mit einer flüssigen Zuckerglasur sind oder der ebenfalls süße Masala Chai Tee. Wenn man dieses Getränk einmal am Rand der Straße konsumiert hat, rührt man die dünne Flüssigkeit, die einem hierzulande angedreht wird, nicht mehr an. Allerdings sind die Kochstellen sicher keine aseptischen Operationssäle. \"Meidet die Straßenküchen\", lautet der Rat. Wir haben uns dennoch getraut und sind von der indischen Version von Montezumas Rache verschont geblieben - dank vorbeugender Medikamente.

Elektromobile? Fehlanzeige. Viele Haushalte auf dem Land haben weder Strom noch fließend Wasser und kochen mit einem Lagerfeuer vor der Tür. Müll liegt hier überall, viel zu viel, auch am Strand. Manche Stadtviertel ertrinken förmlich im Unrat. Menschen trinken aus Plastikflaschen und schmeißen diese einfach zu Boden. Gretaisten würden in Ohnmacht fallen. Rajasthan heißt übersetzt \"Land der Könige\" -und das zurecht. Der riesige Bundesstaat bietet eine Fülle an Palästen und Bauwerken, fast scheint es so, als wenn jede Stadt seine eigene Attraktion hat. In Udaipur spiegelt sich die Morgensonne rot im Pichhola-See. Wir frühstücken mit Blick auf den weltbekannten City Palace. In Jaipur bewundern wir den Palast der Winde und das Albert Hall Museum, das in der Dunkelheit mit ständig wechselnden Farben angeleuchtet wird. Auf dem großen Markt werden die Gewürze in Säcken oder Körben präsentiert, dementsprechend ist unser Geruchssinn unter Dauerbeschuss: Würzig, süßlich, scharf - alles vorhanden. Beim Kauf wird natürlich gehandelt. Wenn man ein Geschäft abschließt, geschieht das \"with a smile\". Mit einem Lächeln, so will es der Brauch. Natürlich machen wir auch in Agra beim weltberühmten Taj Mahal und dem unweit entfernten Roten Fort halt. Dort wurde der König Shah Jahan, der den weißen Prachtbau zu Ehren seiner großen große Liebe Mumtaz Mahal erbaut und sein Reich dadurch beinahe in den Ruin getrieben hat, von seinem Sohn unter Hausarrest gestellt. Seine Gemächer erlaubten ihm aber einen Blick auf das Grabmal. In Delhi hat uns das Verkehrs-Chaos mit seiner Hup-Geräuschkulisse wieder und wir wünschen uns den Mount Abu mit seinen autokletternden Affen zurück.

Quelle: Autoplenum, 2020-03-12

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