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Testbericht

14. Juni 2016
Barcelona (Spanien), 15.Juni 2016

Was das hier ist, stiftet noch immer einiges an Verwirrung. Wenn Sie also auch in ihrer Nähe nervös fuchtelnde Jaguar-Offizielle bemerken, die scheinbar grundlos und leicht angestrengt mit den Buchstabenkombinationen "SVO" und "SVR" um sich werfen, dann zeigen Sie Nachsicht. Alles ist neu, es ist ein bisschen kompliziert, man übt noch. "Special Vehicle Operations" ist Jaguar-Land-Rovers Superhelden-Abteilung. Die Jungs, die das besonders edle, derbe oder schnelle Zeug bauen. In etwa wie AMG, stark vereinfacht ausgedrückt. Das besonders schnelle Zeug kriegt bei SVO den Zusatz "SVR". Nach dem Range Rover Sport SVR ist mit dem F-Type nun der erste Jaguar dran. SVO hat also einen F-Type SVR gebaut. Das Logo im Kühlergrill zeigt irgendwie beides. Also ein "SVO" und ein "SVR". Sollten Sie in diesem Artikel langsam genug haben von Dingen, die mit "SV" anfangen, dann kann ich das verstehen. Deshalb schnell zu den Fakten.

Da geht noch einer
Im Prinzip basiert der neue Jaguar F-Type SVR auf dem seit 2015 erhältlichen F-Type R mit Allradantrieb. Letzterer ist bereits 550 PS stark und nicht gerade für ausgeprägte Ermattung bekannt. Aber wenn uns der Automobilmarkt eines lehrt, dann das: Du hast ein erfolgreiches Modell, dass die eigenen Erwartungen übertroffen hat? Wringe es aus, bis zum letzten Tropfen. Viele Menschen zahlen viel Geld für einen sehr schnellen, sehr lauten, sehr fähigen F-Type (den F-Type R). Viele Menschen werden noch mehr Geld für einen noch schnelleren, noch lauteren, noch fähigeren F-Type bezahlen (den SVR). Vor allem, wenn sie die gefühlt kilometerlange Liste mit den Optimierungen zu Gesicht bekommen.

Bis zu 50 Kilo leichter
Dazu muss gesagt werden: Der SVR ist kein bahnbrechend radikalisiertes Rennstrecken-Monster á la Porsche 911 GT3 RS geworden. Das war auch nie das Ziel. Er ist einfach in so gut wie allen Belangen ein bisschen besser und spezieller als der F-Type R. Neue 20-Zoll-Schmiederäder samt speziell angefertigter und etwas breiterer Pirelli-Pneus sowie eine Auspuffanlage mit exotischem Titan-Inconel-Materialmix reduzieren das Gewicht um gut 25 Kilogramm. Wer sich darüber hinaus für die monumentale Carbon-Keramik-Bremse und das neue Carbon-Dach entscheidet, macht den SVR insgesamt 50 Kilo leichter. Ach ja, wie Sie sehen, hat der SVR auch massiv an Flügel und Kohlefaser zugelegt. Vorne, hinten, unten, oben … eigentlich gibt es nun überall etwas mehr fürs Auge. Abtrieb erzeugt zwar auch der SVR nicht wirklich, die breitere Frontschürze, der neue Diffusor und vor allem der aktive Heckspoiler reduzieren die Auftriebswerte je nach Stellung aber um bis zu 45 Prozent.

Kleine Retuschen
Das Fahrwerk profitiert von einer geänderten Dämpferabstimmung sowie von einem leichteren hinteren Achsschenkel, der die Spur- und Sturzkonstanz um bahnbrechende 37 und 41 Prozent erhöht (Engländer lieben es, jede noch so marginale Optimierung in spektakulär hohen Prozentzahlen wiederzugeben). Nun ist der Allradantrieb des F-Type nicht gerade als frontlastige Spaßbremse bekannt, ein kleinerer Stabilisator vorne sowie ein verdicktes Pendant hinten sollen das Heck aber noch ein wenig mehr in Wallung bringen und auch den letzten Untersteuertendenzen den Garaus machen. Und die bei Top-Modellen so traditionelle Verspitzung von Lenkung, ESP-Abstimmung, Torque-Vectoring-System und allem, was man sonst noch elektronisch schneller, bissiger oder amüsanter machen kann, darf natürlich auch hier nicht fehlen.

Ein wenig schneller
Bleibt noch der Antrieb. Wie im leicht hanebüchenen und streng limitierten F-Type Project 7 (ebenfalls ein SVO-Werk) leistet der naturgewaltige 5,0-Liter-Kompressor-V8 dank etwas mehr Ladedruck nun 575 PS und 700 Newtonmeter (25 PS und 20 Newtonmeter mehr). Zudem hat man der wunderbaren ZF-Achtgang-Automatik noch mehr Rasanz ins schlaue Hirn programmiert. 0-100 km/h gehen jetzt in 3,7 Sekunden und damit vier Zehntel schneller als beim R. Wer lange genug auf dem Pinsel bleibt und über genug Furchtlosigkeit verfügt, endet irgendwann bei 322 km/h Höchstgeschwindigkeit. Das sind reichlich beeindruckende Zahlen. Wer keinen Vorwärtsdrang-Quantensprung im Vergleich zum F-Type R spürt, muss sein Popometer aber nicht gleich in die Werkstatt schicken. Die Unterschiede sind wirklich marginal. Und das ist überhaupt nicht schlimm, denn Jaguars zwangsbeatmeter Achtzylinder ist unabhängig von der Konfiguration ein verflucht charismatisches Urviech. Der Druck ist jederzeit überwältigend, wenn auch noch immer ein ganzes Eck entfernt von der gesichtsdeformierenden Expressbeförderung eines Porsche 911 Turbo S. Allerdings wirkt die Gasannahme spontaner und auch ganz rechts im Drehzahlmesser ist noch schön viel Alarm.

Klanglich schwer zu schlagen
Obendrein zieht der F-Type SVR einen Trumpf, den der 911 Turbo wohl nie besitzen wird: Er wirft mit Geräuschen um sich, bei denen man augenblicklich auf die Knie fallen möchte, um dem achtzylindrigen Gott der Lasterhaftigkeit zu huldigen. Welchen Anteil der neue Titan-Auspuff hat? Keine Ahnung, schließlich ist auch der F-Type R der reinste akustische Sündenpfuhl. Aber ist die Auspuffklappe einmal auf, sägt, ploppt, schreit und pengt es so martialisch und laut, als befände man sich auf einem Iron-Maiden-Konzert. Gefangen in einem der Lautsprecher.
 
Playboy statt Spitzensportler
Was SVO selbst seiner Variante des F-Type nicht so recht austreiben konnte, sind die leicht flatterhaften Wesenszüge. Auch der SVR ist mehr Playboy als ausgemergelt-sehniger Hochleistungssportler. Über Bodenwellen und schlechtere Straßenabschnitte bewegt er sich gerne auch mal etwas mehr, als man das wirklich möchte. Die Lenkung ist superschnell, superdirekt (ja, irgendwie ist sie wirklich noch flinker geworden), hat von der Asphalt-Front aber nur mittelmäßig viel zu melden. Die Präzision und die Bodenhaftung eines Porsche 911 scheinen in diesen Momenten ganz weit weg.

Tamtam statt Präzision
Zum Glück schickte Jaguar den Test-Tross aber im Laufe des Tages noch auf die Rennstrecke (das fantastische Motorland Aragon nahe Barcelona) sowie ein enges, baskisches Bergstraßen-Paradies, das mit atemberaubend nur unzureichend beschrieben ist. Hier und unter Zug taute der F-Type SVR richtig auf und zeigte all seine Talente. Es sind sehr viele. Kleiner Tipp am Rande: Wenn Sie skalpelllöse Präzision suchen und immer der Allerschnellste sein wollen, dann ist das hier vermutlich nicht ihr Auto. Wenn Sie einfach nur richtig viel Spaß, Action und Tamtam wollen, dann wahrscheinlich schon. Das Einlenkverhalten des F-Type SVR ist irre lebendig, Untersteuern exisitiert im Prinzip nicht. Ich würde einen Hecktriebler einem Allradler in der Regel vorziehen, aber dem ungezügelten F-Type tun vier angetriebene Räder richtig gut. Die Auslegung bleibt hecklastig und sehr amüsant, nur kommt man mit dem SVR auch mal aus der Kurve, ohne sie mit horrenden Mengen an Gummi und Rauch zugekleistert zu haben. Er hat wirklich viel Traktion und man spürt richtig, wie das Torque-Vectoring-System die Linie schärft und den Hintern herumzieht.

Viel Bewegung
Das Schöne am F-Type SVR ist: Trotz der Performance-Modifikationen bleibt er geschmeidig. Dieses Auto bewegt sich, teilt sich mit, überall passiert irgendetwas Reizvolles. Werfen Sie ihn volle Lotte in eine Kurve und spüren Sie, wie er leicht über alle Viere rutscht. Etwas schneller und sie kriegen einen herrlichen Allrad-Drift. Sehr vorhersehbar, ohne Angstschweiß. Es ist ein großer, schneller (und sehr lauter) Fluss und ein über die Maßen befriedigendes Fahrerlebnis. Ein 911 Turbo S wird noch immer Kreise um den SVR fahren, aber der Jag macht sicher mehr Laune.
 
Vertane Chance?
Ob es all das wirklich gebraucht hat, ist eine ganz andere Frage. Bei aller Güte und Lust, die dieses Auto verbreitet, die fahrerischen Unterschiede zu einem F-Type R AWD sind eher homöopathisch. Aus dynamischer Sicht kann man es vielleicht als vertane Chance betrachten, dass Jaguar mit der Spezialversion seiner Spezialabteilung kein kompromissloseres Rennstrecken-Spielzeug gelungen ist. Aber die Briten kennen ihre Kundschaft. Und Menschen, die knapp 120.000 Euro für den bisherigen Spitzen-F-Type ausgeben, werden wohl auch die 138.400 Euro stemmen können, die der SVR kostet (das Cabrio liegt bei 145.400 Euro). Jaguar hofft zumindest, dass der noch flamboyantere Auftritt, die ganze Armada an Kohlefaser sowie der bemerkenswert schöne Innenraum mit viel Carbon, mehr Leder und Alcantara sowie formidabel und kontrastreich abgesteppten Leder-Schalensitzen die Kundschaft zur neuen Top-Version treibt. Wer viel Theater und den großen Auftritt liebt, wird nicht lange überlegen müssen. Marktstart ist im Juli 2016.
Technische Daten
Antrieb:Allradantrieb
Anzahl Gänge:8
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:V-Motor, Kompressor
Hubraum:5.000
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:8
Leistung:423 kW (575 PS) bei UPM
Drehmoment:700 Nm bei 3.500 UPM
Fazit
Mit dem SVR hat Jaguars Special Vehicle Operations den F-Type nicht wirklich neu erfunden. Er macht in etwa das, was der F-Type R auch macht. Womöglich in allen Belangen etwas besser und spektakulärer. Aber ihn umweht der Hauch des Speziellen, des Besonderen. Zusammen mit dem nach wie vor sehr hemdsärmligen Fahr-Charme ist das eine überaus reizvolle Kombination. Ziemlich genau das dürfte Jaguar auch im Sinn gehabt haben. + charismatischer V8; überwältigender Sound; sehr unterhaltsame Chassis-Balance; hochwertige Qualität und Verarbeitung - Fahrwerk manchmal etwas zu "laissez-faire"; keine überdeutliche Abgrenzung zum F-Type R
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: auto-news, 2016-06-14

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