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Testbericht

Patrick Broich/SP-X, 28. Mai 2020
SP-X/Köln. Bevor jetzt ein Aufschrei der Morris- und generell der automobilen Veteranen-Freunde durch das Land hallt: Ja, unser Morris-Fotofahrzeug besitzt nicht mehr die Werkskarosserie. Während viele Vorkriegsfahrzeuge als Fahrgestelle geliefert wurden und man sich vom Karosserieschneider seiner Wahl den Aufbau gestalten ließ, wurde der Morris Cowley vorwiegend als Tourenwagen oder Limousine geliefert – ab Werk. Doch wer heute einen der begehrten sportlichen Vorkriegs-Roadster fahren möchte, muss tief in die Tasche greifen – renommierte Athleten aus dem Hause Alfa Romeo, Bentley, Mercedes oder gar Bugatti liegen preislich auf dem Level repräsentativer Immobilien. Dabei sieht der hier besprochene, lange nach dessen Erstzulassung zum Roadster entwickelte Morris ebenfalls schick und begehrenswert aus, fängt die Blicke der Passanten mit seiner sportiven Aluminium-Karosserie im Renntrimm der Dreißigerjahre. Innen fällt das Armaturenbrett aus sorgfältig gebürstetem Metall ins Auge, wo einst Holz prangte. Und wo heute der Musiktitel des aktuell gestreamten Songs erscheint, lassen sich hier Dinge wie Geschwindigkeit, Öldruck und Tankfüllstand ablesen. Ein bisschen zu bedienen gibt es natürlich auch: Der stylische schwarze Kippschalter aktiviert die durch Winker ersetzten Blinker.Genug Infos, um Appetit auf eine Ausfahrt zu bekommen. Und bevor der geneigte Enthusiast zur Probefahrt schreitet, sollte er berücksichtigen, dass die beiden kleinen Windschutzscheibchen jedenfalls vor Wind kaum schützen. Die Hartgesottenen müssen also die Augen zukneifen, ansonsten ist eine Fliegerbrille ratsam. Kurze Einweisung für Anfänger – eigentlich sitzt das Gaspedal des Morris Cowley in der Mitte und die Bremse rechts. Wurde bei unserem Fotoexemplar aber aus Gründender Fahrbarkeit getauscht, so dass das Schema dem heute üblichen entspricht. Fast etwas schade, schließlich gehört ein bisschen Extra-Herausforderung beim Fahren eines Vorkriegsvehikels ja irgendwie dazu. Doch keine Sorge, eine gute Portion Aufmerksamkeit verlangt der Cowley Six noch immer.Einfach intuitiv die Pedale finden – funktioniert nicht, zu weit abgelegen sitzen Kupplung und Bremse, so dass der Fahrer seine Füße bei jeder Betätigung konzentriert und bewusst koordinieren muss. Beim Getriebe gibt es Entwarnung, denn der für seine Zeit überaus fortschrittliche Morris rollte als Erstauslieferung bereits mit einem (bis auf den ersten Gang) synchronisierten Vierganggetriebe und hydraulischen Bremsen zum Kunden. Zum Zeitpunkt unserer Probefahrt war allerdings nicht die zeitgenössische Motor- und Getriebeeinheit montiert. Statt des seitengesteuerten Reihensechszylinders treibt ein 1,8 Liter großer Vierzylinder aus dem MG B die Sportkarosse voran, ein Zustand, der sich aber bald wieder ändern wird – die originale Maschine samt Viergang-Box liegt schon zum Einbau bereit.Den Fahrspaß trübt der Vierzylinder allerdings nicht, denn mit seinen 95 PS reißt das schnaubende MG-Triebwerk die beinahe ein ganzes Jahrhundert alte Karosse recht dynamisch voran. Und der Besitzer versichert, dass das Schalten mit dem originalen Getriebe weder leichter noch schwieriger vonstattengeht. Also, Konzentration und den Schalthebel mit ein bisschen Gefühl einlegen. Alleine der vierte Gang birgt die Gefahr, dass man aus Versehen den ersten trifft, wenn man den etwas störrischen Hebel geradewegs nach oben führt, und dann kracht es natürlich. Also schön weit nach rechts herüber, dann rasten die auch die längste Übersetzung einfach.Längsdynamisch macht der betagte Morris richtig Laune, verstärkt wird das Gefühl natürlich durch die Lautstärke und den Wind, der die beiden Insassen ins Gesicht weht. Wer genau das mag, wird aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommen. Frappierend aber auch, wie gut der mit Starrachse und Blattfedern ausgerüstete Brite in der Spur zu halten ist. Bei manch anderem Fahrzeug aus dieser Zeit fällt es schon schwer, mit 60 km/h geradeauszufahren, doch ehe man sich versieht, zeigt der Morris-Tacho 110 km/h während der Überlandfahrt und macht keinerlei Anstalten, von der Fahrbahn abzudriften. Wer bisher keine Erfahrung mit einem solchen Roadster hatte, muss sich natürlich daran gewöhnen, dass er selbst recht luftig in der Karosse weilt. Gurte sind hier ebenso wenig zur Stelle wie Türen. Man schwingt sich einfach – eine kleine Trittstufe unterstützt dabei – über den Seitenrahmen auf dieherrlich patinierten Ledersitze – fertig. Der Blick Richtung Vorderwagen offenbart die schmalen, zeitgenössisch aussehenden Reifen mit der charakteristischen Speichenfelge, heute verbucht unter Narrow-Format. Beim Rangieren ist das praktisch, schließlich sieht man gleich, wohin man lenkt. Ein bisschen Bizeps schadet aber nicht, denn im Stand oder auch bei langsamer Fahrt muss man ganz schön an dem dünnen Lenkrad zerren. Mehr Grip bieten eindeutig Handschuhe, was obendrein auch noch stilecht aussieht.Bleibt die Frage, wie viel so ein Spaß kostet. Gar nicht leicht zu beantworten, schließlich kommt es darauf an, ob man eine günstigere Basis für wenige 10.000 Euro kauft und dann selbst Hand anlegt respektive anlegen lässt und gleich einen Roadster kauft, den die Vorbesitzer „kreiert“ haben. Dann kann der Kurs im hohen fünfstelligen Bereich rangieren. Ein Geheimtipp sind auch die preislich attraktiven, allerdings deutlich schwächeren Austin Seven, wenn man ein britisches Produkt möchte. Der hier behandelte Morris Cowley Six hat jedenfalls Coolness-Faktor, überhaupt keine Frage. Wiedersehen macht Freude, aber beim nächsten Mal definitiv mit Reihensechszylinder. Schließlich sagt das ja schon sein Name.Morris Cowley Six - technische Daten:Zum Roadster umgebauter Tourenwagen der höheren Leistungsklasse, Bauzeit 1933 bis 19341,9-l-Reihensechszylinder-Otto, teilsynchronisiertes Viergang-Schaltgetriebe, Vmax >120 km/hWer denkt, Vorkriegsfahrzeuge seien langweilige Oldtimer für freudlose Gelegenheitstouren, liegt falsch. Wir haben einen Morris Cowley Six aus dem Jahr 1934 ausgeführt und mächtig Spaß dabei empfunden. Ein bisschen körperlicher Einsatz gehört allerdings auch dazu.
Fazit
Wer denkt, Vorkriegsfahrzeuge seien langweilige Oldtimer für freudlose Gelegenheitstouren, liegt falsch. Wir haben einen Morris Cowley Six aus dem Jahr 1934 ausgeführt und mächtig Spaß dabei empfunden. Ein bisschen körperlicher Einsatz gehört allerdings auch dazu.

Quelle: Autoplenum, 2020-05-28

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