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Testbericht

Jürgen Wolff, 16. Januar 2010
Früher war alles einfach: Ein Dreh am Schalter, Strom floss und zwei Scheinwerfer erhellten mehr oder weniger funzelig die Nacht. Heute macht der Dreh erst mal eines: Er ruft komplexe Software auf.

Die Statistiker haben nachgezählt: Obwohl nachts das Verkehrsaufkommen um rund ein Drittel geringer ist als tagsüber, ist das Risiko, während der Dämmerung oder in der Dunkelheit tödlich zu verunglücken, doppelt so hoch. Entsprechend groß ist der Aufwand, mit dem Zulieferer und Autohersteller die modernen Lichtwerfer seit ein paar Jahren optimieren. Mit den putzigen kleinen Glühbirnchen, die einst in rostgefährdeten Reflektoren gegen die Dunkelheit anglimmten, haben moderne Scheinwerfer nicht mehr viel zu tun. Umso mehr mit einem Schreibtisch-PC.

Beispiel Opel Insignia. Wer kräftig in die Zubehörliste investiert, bekommt so ziemlich alles, was in der Mittelklasse gerade Stand der Beleuchtungstechnik ist: dynamisches Kurvenlicht und statisches Abbiegelicht, Fernlicht-Automatik, LED-Tagfahrleuchten und spezielle Funkionen für Stadt-, Spiel- oder Landstraßen, für Regen, Schneefall oder Autobahnen - für jedes Problem die passende Beleuchtung. Dafür haben sich die Ingenieure bei Opel und seinem Zulieferer Hella einiges einfallen lassen. Bei normalen Bi-Xenon-Scheinwerfern regelt eine Strahlenblende die Hell-Dunkel-Grenze des Abblendlichts. Bei den Insignia-Leuchten sind es Walzen. Auf deren Mantelfläche sind eine Reihe von exakt berechneten Konturen für die diversen Lichtverteilungen aufgebracht. Eine Vielzahl von Fahrzeugsensoren - darunter Lenkwinkel-, Gierraten-, Tempo oder Regensensoren oder die Kamera des Fernlicht-Assistenten - liefert permanent Informationen. Eine spezielle Software errechnet daraus, welche Lichtfunktion gerade passt. Ein entsprechender Befehl geht an einen Stellmotor, der dann in Sekundenschnelle die gewünschte Kontur auf der Walze in den Strahlengang dreht. Das verändert dann die Verteilung des Lichts. Bei Geschwindigkeiten unterhalb von 50 km/h sorgt Stadtlicht für eine breitere Lichtverteilung, die Fußgänger am Straßenrand besser erkennbar macht. Das Spielstraßenlicht wird zwischen 5 und 30 km/h aktiviert - der Lichtkegel beider Scheinwerfer wird dann noch einmal um acht Grad zum jeweiligen Straßenrand geschwenkt. Auf der Landstraße werden zwischen 50 und 100 km/h die Fahrbahnränder weiträumiger ausgeleuchtet als bei herkömmlichem Abblendlicht.

Noch stärker ist die Bündelung des Lichtkegels auf der Autobahn bei Geschwindigkeiten über 100 km/h. Dazu wird der Scheinwerfer auch mit 38 statt 35 Watt gefüttert, das Licht reicht weiter und betont auch stärker den linken Fahrbahnrand. Werden die Kurvenradien enger, schließt die Software daraus, dass man doch nicht auf einer Autobahn unterwegs sein kann und schaltet auf Landstraße. Das Schlechtwetterlicht aktiviert sich, wenn der Regensensor Niederschlag registriert oder der Scheibenwischer angestellt wird. Bei der Lichtverteilung werden die Straßenränder stärker angestrahlt, um die Leitplanken und -pfähle besser sehen zu können. Weil der linke Scheinwerfer nur noch 32 Watt abbekommt, wird der Gegenverkehr weniger geblendet. Rechts versorgen 38 Watt den Scheinwerfer. Klingt gut? Klappt gut. Meistens. Denn zumindest in einigen Fällen kommt die Leucht-Software (noch) nicht an die menschliche Entscheidungsfähigkeit heran. Jedenfalls, solange man einen halbwegs konzentrierten Fahrer hinter dem Lenkrad hat.

Beispiel Fernlicht-Assistent. Das gibt's als Option auch in der Mittelklasse und nicht nur bei Opel. Auch zum Beispiel BMW baut ihn auf Wunsch im 3er ein. Das Versprechen klingt praktisch: Kein An- und Abschalten des Fernlichtes mehr - das macht die Automatik. Sobald Gegenverkehr kommt oder man auf ein vorausfahrendes Fahrzeug aufschließt, erkennt das die eingebaute Kamera und dimmt den grellen Schein auf Abblendlicht herunter. Soweit zur Theorie.

In der Praxis funktioniert das meist - aber nicht immer. Hell reflektierende Straßenschilder am Straßenrand etwa irritieren immer wieder die Kamera und gaukeln Gegenverkehr vor. Die Folge: Unerwartet schaltet das Fernlicht aus. Andersherum ebenso: Immer wieder erkennen die Sensoren auf langen Geraden oder in kurvigem Gelände Entgegenkommende reichlich spät und sorgt so für Blendung. Auf Dauer nervt die Unbeständigkeit und man schaltet die Automatik ab. Es wird noch ein, zwei Updates für Hard- und Software brauchen, bis das wirklich zuverlässig klappt.

Was dieses Licht 3.0 dann sonst noch alles draufhat, kann man demnächst schon mal im neuen Audi A8 erleben. Während sich der Insignia noch auf die Messwerte seiner Sensoren verlässt, gehen die Ingolstädter einen Schritt weiter und lassen ihr System vorausschauen. Die Scheinwerfer werden nicht nur über einen aktuellen Messwertmix gesteuert, sondern auch per Navigationssystem und Google-Maps.

Der A8 weiß per GPS und Navi-Software nicht nur permanent, wo er gerade lang fährt - er weiß auch, was als nächstes kommt. Gleich eine Kreuzung - rechtzeitig wird das Kreuzungslicht aktiviert, das den Lichtteppich nach rechts erweitert. Eine Kurve voraus? Aus den Navigationsdaten kennt der A8 den Kurvenradius und stellt entsprechend das Kurvenlicht ein. Eine Bergkuppe? Der Lichtstrahl wird nach unten geschwenkt.

Wie zuverlässig das funktionier, muss sich zeigen. Eines aber ist jetzt schon klar: Bei der Aktualisierung der Navi-Karten kann man dann nicht mehr schlampen - sonst leuchtet man in Straßenecken, die es gar nicht mehr gibt.

Quelle: Autoplenum, 2010-01-16

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