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Testbericht

Sebastian Viehmann, 27. Dezember 2010
Dass VW in Fernost so gut dasteht, verdanken die Wolfsburger dem Wegbereiter Santana. In Deutschland wollte die spröde Limousine keiner haben. In China bleibt sie mit ein bisschen Lifting bis heute allgegenwärtig.

Volkswagen und die Oberklasse - das ist im Gegensatz zu Golf, Polo oder Passat keine Erfolgsgeschichte. Der Phaeton mag noch so viel Luxus für sein Geld bieten, beim Image und bei den Verkaufszahlen kann er Audi, BMW oder Mercedes nicht das Wasser reichen. Schon Anfang der 80er Jahre versuchte VW mit der Limousine Santana, sich vielleicht nicht in der Oberklasse, aber doch zumindest ein paar Stufen über der Brot-und-Butter-Kutsche Passat zu positionieren.

Abgesehen vom Stufenheck hob sich der Santana durch einen eigenen Grill mit großen Rechteckscheinwerfern, weiße Blinkergläser, ein bisschen Chromschmuck und ein hübscheres Interieur vom Passat ab. Trotzdem blieb die Wolfsburger Kante so aufregend wie ein Spiele-Abend im Altersheim. Die Verkaufszahlen waren mau, auch weil es für VW-Kunden mit Aufsteiger-Ambitionen ja schon die Marke Audi gab. 1985 machte man aus dem Santana einfach die Stufenheckversion des Passat, mit der eigenständigen Frontgestaltung war es vorbei.

In Deutschland war der Santana damit unter der Kategorie „Kauft keiner“ abgeordnet, doch in anderen Ecken der Welt feierte die Limousine einen Siegeszug. In Brasilien zum Beispiel lief der Santana von 1984 bis 2006 vom Band und etablierte sich als erfolgreichstes Auto der gehobenen Mittelklasse. Auch in den USA, in Afrika und Asien wurde der Santana in verschiedenen Versionen angeboten und entwickelte sich für VW zu einem echten Weltauto.

Seinen größten Erfolg, und aus heutiger Sicht auch den wichtigsten, feierte der Santana in China. Seit den 80er Jahren rollt die Limousine ohne Unterbrechung vom Band. Erst 1995 gab es ein neu entwickeltes Modell unter dem Namen Santana 2000, neun Jahre später folgte die optisch kaum geänderte Version 3000.

Wer in Shanghai oder Peking in ein Taxi steigt, findet sich fast immer im Fond eines Santana wieder. Und da kann man es sich durchaus behaglich machen: Die Beinfreiheit ist üppig, die Rückbank wird komplett von einem weißen Überzug bedeckt. Dass dabei der Sicherheitsgurt hinter die Lehne geklemmt wird und man sich nicht anschnallen kann, scheint niemanden zu stören. Der Fahrersitz ist durch eine große Kunststoffhaube vom Passagierabteil abgetrennt. Während das Taxi über Shanghais Straßen rumpelt, wird man daran erinnert, dass die Fortschritte in der Fahrwerkstechnologie am Santana offenbar im Eilzugtempo vorbeigerauscht sind – da haben auch Facelifts nichts genützt.

Dass der Santana überhaupt in China vom Band laufen konnte, verdankt Volkswagen der zaghaften politischen Öffnung des kommunistischen Landes im Jahr 1978. Man wollte bis zum Jahr 2000 ein moderner Industriestaat werden. Die chinesische Führung schätzte damals den einheimischen Fahrzeugbedarf auf 30.000 Autos jährlich, und die sollten ausschließlich Funktionären und Regierungsstellen zur Verfügung stehen – der Verkauf an Privatleute stand zunächst nicht auf dem Plan. China träumte von der staatskommunistischen Industrialisierung mit der Schlüsselbranche Automobil, VW wollte die Produktion langfristig als Sprungbrett nach Asien nutzen. Das Ziel war eine strategische Gegenposition zur Dominanz der Japaner.

Nach einer mühsam ausgehandelten Probemontage lief 1983 der erste Santana in China vom Band. Zwei Jahre später wurde das erste Joint-Venture gegründet, die Shanghai-Volkswagen Automotive Company. Damit etablierte sich VW als erster ausländischer Autobauer auf dem chinesischen Markt. Dem Santana 2000 und 3000 folgten neben Modellen wie Passat, Polo oder Jetta der Passat Lingyu und 2008 die Stufenhecklimousine Lavida. Sie wurde komplett in China entwickelt. Die Modelle Lavida, Jetta und Bora sind Stammgäste in den Top Ten der meistverkauften Autos in China. Auch wenn es mittlerweile zahlreiche Joint-Ventures chinesischer Hersteller mit Firmen wie Citroën oder General Motors gibt und sich Chinas Autolandschaft bunter denn je präsentiert, ist VW mit knapp 12 Prozent Marktanteil immer noch der populärste Hersteller.

Wegen seiner Beliebtheit als Taxi läuft auch der Santana immer noch vom Band. Das Magazin China Car Times nannte den Wagen einmal wenig schmeichelhaft das „Ancient German Motoring Madness“, übersetzt etwa „den steinalten deutschen Auto-Wahnsinn“. Die Chinesen mussten aber gleich im nächsten Satz anerkennen, dass das Auto eben bewährt und immer noch begehrt sei. Manche machen aus der drögen Limousine sogar ein Gefährt für heiße Sommernächte: Es wurden auf chinesischen Straßen schon selbst gebastelte Santana-Cabrios gesichtet.

Quelle: Autoplenum, 2010-12-27

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