Bei diesem Thema gibt es verschiedene, unterschiedliche Dinge, die an manchen Stellen gemeinsam betrachtet werden müssen, aber niemals vermischt oder durcheinander gebracht werden dürfen.
Ich nutze ein wenig umgangssprachliche Ausdrucksweisen, damit es verständlicher wird. Juristische Fachausdrücke lassen gerne vermuten, dass es hier nur theoretische Verrücktheiten sind, es sind aber "reale" Dinge, die für jeden nachvollziehbar sind und von jedem auch ohne Kenntnisse juristischer Hintergründe selbst immer im täglichen Leben anwendet.
Jeder weiß, dass ein eigenes, falsches Verhalten auch bestehende, "sichere" Ansprüche teilweise bis vollständig erlöschen lässt.
Jetzt verwundert sein, dass dies hier auch so ist, muss man nicht. Dieser "Effekt" besteht überall und überall ist auch dann, wenn das eigene, heilig Blechle verbogen wird.
- "gefährlicher Gegenstand"
Ein "gefährlicher Gegenstand" ist ein Gegenstand, der allein aufgrund seiner Existenz besondere Gefahren für andere beinhaltet.
Das geht vom Zahnstocher bis zum Atomkraftwerk. Dass eine Schusswaffe auch ein gefährlicher Gegenstand ist, weil es eine gefährliche Waffe ist, sollte man nun nicht benutzen, um das alles verdrehen zu müssen und aus einem Zahnstocher eine gefährliche Waffe zu machen.
- "Betriebsgefahr"
ist die Gefahr, die beim der Nutzung eines gefährlichen Gegenstand aus geht UND von einem ANDEREN, der keine unmittelbaren, direkten Vorteile durch diese Benutzung hat, beachtet werden muss.
Als Beispiel:
Müller hat ein Auto, mit dem er bequem jeden morgen zur Arbeit kommt - Müller hat einen Vorteil.
Schmidt will über die Straße gehen und muss auf Müller achten, damit er selbst, Schmidt, nicht von Müller überfahren wird.
Hier hat Müller durch die Benutzung eines Gegenstandes einen persönlichen Vorteil, der wegen dieser Benutzung für Schmidt gefährlich ist.
Der Betrieb eines Gegenstands (die Benutzung eines Autos) ist auch ohne ein falsches Verhalten des Betreibers (Fahrer) gefährlich für andere.
Das ist die sogenannte "Betriebsgefahr".
Ein "muss der Andere halt aufpassen" ist nur dumm.
Ansonsten muss auch jeder andere aufpassen, dass er nicht in Flugbahn der Kugel gerät, wenn ich eine Schusswaffe benutze.
Eine Gefahr verändert sich nicht, ob man etwas benutzen darf oder ob die Benutzung verboten ist. Nur weil ein Polizist im Rahmen eines Schusswechsels die Waffe benutzen darf, wird das abgefeuertes Projektil nicht ungefährlicher.
Ob man etwas erlaubt oder verbotener Weise benutzt, ob ein anderer aufpasst oder nicht, verändert NICHT die Gefahr, die von diesem Gegenstand ausgeht.
Dass unterschiedliche Gegenstände auch eine unterschiedlich hohe Betriebsgefahr haben, sollte auch verständlich sein.
Dass ein Frühstücksmesser in Omas Hand deutlich ungefährlicher für andere ist, als eine Boden-Luft-Rakete in der Hand eines Terroristen, sollte nachvollziehbar sein.
Dass eine Kombination von Messer und Oma aber nicht absolut harmlos für andere ist, allerdings auch.
Dabei geht es nicht um irgendwelchen Vorsatz, wenn Oma schreiend mit dem Messer auf einen zu stürmt, sondern wenn Oma stolpert und auf einen zustürzt.
Mit Messer ist das gefährlicher als ohne Messer, völlig unabhängig ob die Oma nun stolpern durfte oder nicht und Oma nun absichtlich oder versehentlich, ohne jede eigenen Schuld, gestolpert ist.
Entstehen nun Schäden aufgrund der Nutzung eines Gegenstandes, dann muss derjenige Schadensersatz leisten, der diesen Gegenstand benutzt hat.
Wenn Müller einen Gegenstand benutzt, dann haftet Müller für Schäden, die auch ohne ein schuldhaftes Verhalten entstehen.
Das ist die "schuldunabhängige Haftung aus der Betriebsgefahr" eines Gegenstands. Eigentlich relativ einfach und müsste auch verständlich sein.
Wer die Verantwortung für einen Gegenstand hat, der trägt auch die Kosten für irgendwelche Schäden, die aus der Nutzung entstehen.
Verantwortung = Haftung
Diese Haftung (Schadensersatzpflicht) hat man auch dann, wenn man nicht gegen ein Verbot verstoßen hat, und selbst dann, wenn man nicht mal "moralisch" falsch verhalten hat.
Man hat eine Schadensersatzpflicht (anteilig bis vollständig) unter Umständen sogar dann, wenn sich der andere falsch verhalten hat.
Der Unterschied von Schuld und Haftung
Eine "Schuld" besteht immer dann, wenn man ein Verbot (Gesetz, Vorschrift, ...) nicht beachtet hat, zB. die Wartepflicht an einem Stoppschild missachtet.
Eine schuldhaftes Verhalten zieht üblicherweise eine Bestrafung nach sich. Immer!, dabei ist es völlig unabhängig, ob man dieses Verbot fahrlässig ("aus versehen") nicht beachtet hat (Schild übersehen),
oder grob fahrlässig ("war schon eindeutig, man hätte das Schild sehen müssen, eigentlich klar, wenn man nur ein klein wenig darüber nachgedacht hätte),
oder billigend in Kauf genommen hat ("klar habe ich es gesehen, klar kannte ich die besondere Gefahr, wenn ich das missachte - es war mir aber egal")
oder vorsätzlich durchgeführt wurde ("ich habe es mit voller Absicht gemacht und war mir den Folgen zu jeder Zeit absolut bewusst - ich habe es gemacht, WEIL die Folgen eintreten sollten").
Je nach der persönlichen Motivation verändert sich ausschließlich die Strafhöhe, aber nicht die Tatsache, dass es zu einer Strafe kommt.
Schuld = Strafe
Verantwortung = Haftung, Schuld = Strafe ist ein deutlicher Unterschied in den Folgen, wenn etwas passiert.
Eine Schuld, also ein schuldhaftes Verhalten hat auch Einfluss auf die Haftung. Aber "Schuld" ist nicht die einzige, alleinige Komponente, die Zahlungspflichten bei einem Schadensersatz regeln, sondern eben auch die Betriebsgefahr aus dem Gegenstand selbst.
Je nach der individuellen Situation, kommt es zu unterschiedlich hohem Einfluss dieser beiden Komponenten und somit zu unterschiedlich hoher Verteilung bei der Haftung, beim Schadensersatz
Beispiel 1:
Rechts vor Links missachtet, zwei Kraftfahrzeuge stoßen zusammen.
Die beteiligten Gegenstände haben eine identisch hohe Betriebsgefahr, diese Komponente "kürzt sich raus", es bleibt eine Haftungsverteilung ALLEIN nach der "Schuld", dem fehlerhaften Verhalten eines der Beteiligten.
Beispiel 2:
Parkverbot an einer Engstelle missachtet, die Feuerwehr muss da durch und rasiert dabei die Seite des geparkten Fahrzeugs.
Schuld (= Strafe) zu 100% der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs, er ist gegen das geparkte Fahrzeug gefahren und er hat auch unter Einsatzrechten keine Erlaubnis fremde Gegenstände zu beschädigen. Das ist völlig wasserdicht und ohne jeden Zweifel, auch wird der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs bestraft, denn er hat etwas verbotenes gemacht.
Die Haftung (= Schadensersatz) ist hier aber "etwas" anders. Durch das falsche, andere behindernde Parken wurde die Betriebsgefahr des (stehenden, unbesetzten) Fahrzeugs erheblich erhöht.
In Kombination mit den besonderen Rechten in einer Einsatzfahrt kommt es bei der Haftung nicht nur zu einer Umkehrung der Haftungspflichten (man muss den Schaden am eigenen Fahrzeug vollständig selbst tragen), sondern sogar zu einer Haftung der am Feuerwehrfahrzeug entstandenen Schäden.
Grundsätzlich und immer gibt es eine Mithaftung (nicht Mitschuld), wie hoch die dann mit einfließt, das kommt aber immer auf den konkreten Einzelfall an.
Dass eine Haftungsverteilung in der Realität nicht sehr häufig vor kommt, liegt aber nicht daran, dass dies "was nur theoretisch verrücktes" ist, sondern dass die weitaus meisten Unfälle zwischen "gleichrangigen" Verkehrsteilnehmern passieren und sich gleiche Betriebsgefahren gegenseitig aufheben.
Handelt sich jedoch nicht mehr um "gleichrangige" Verkehrsteilnehmer, KFZ vs. Fußgänger oder KFZ vs. Fahrrad oder wird die "natürliche" Betriebsgefahr erhöht, weil man falsch parkt oder irgendwelche bunten Lämpchen nachts als Begrenzungslicht (Standlicht) am Fahrzeug hat, dann bleibt beim "Rauskürzen" ein Rest übrig und dieser Rest kommt dann in einer Haftungsverteilung zur Berücksichtigung.