Hatte jüngst das zweifelhafte Vergnügen, mal für fünf Stunden und 225 Kilometer Volkswagens neueste Gelddruckmaschine zu testen.
Das Fahrzeug: ein brandneuer schwarzer Golf VII 1,4 TSI Highline DSG ACT - im Klartext ein Auto mit allen Schikanen:
- der neu entwickelte 1,4 TSI-Motor mit 140 PS
- Zylinderabschaltung bei Teillast
- 7-Gang-DSG-Automatik
- Touchscreen-Monitor
- elektrische Sitze, Panoramadach, Tempomat, Müdigkeitswarner, Parkassistent, Spurhalteassistent, adaptives Fahrwerk, Multifunktionslenkrad usw. usf.
Kosten soll der Spaß dann auch stolze 35.400 Euro - trotz der umfangreichen Ausstattung ist das für mich kein Golf-Preis.
Positiv behalte ich zurück:
1. die blitzsaubere Verarbeitung. Gerade in den Vorgängermodellen 5 und 6 war ich über die triste, harte Grauplastiklandschaft bitter enttäuscht gewesen, zumal VW sich die Atomwinterlandschaft stolz finanzieren ließ. Der neue Golf hingegen wartet mit hochwertigem, freundlichem Ambiente auf, die dezenten Chrom-Applikationen sitzen am richtigen Platz, der Klavierlack wirkt schick
2. die Sitze sind toll. Sehr bequem, straff genug um wach und aufrecht zu sitzen, weich genug, dass auch nach fünf Stunden der Ar*** nicht wehtut. Spitze!
3. gebe ich Pluspunkte für den Fahrkomfort. Das Multifunktionslederlenkrad liegt gut in der Hand, die Lenkung ist einfach klasse. Sehr leichtgängig, und für Servolenkungen ungewohnt direkt.
4. die Bedienung des Touchscreen, speziell die Navigationseingabe ist sehr gut gelungen, auch die Tastflächen auf dem Touchscreen selbst sind angenehm groß
Jetzt kommen wir zur langen Liste der Minuspunkte, weswegen mich der Golf dann doch überwiegend enttäuscht hat.
1. der Klavierlack spiegelt. Mag eine Kleinigkeit sein, aber gerade die Blenden um das Kombiinstrument haben mich bei Sonneneinfall extrem geblendet. Man sollte meinen, dass VW genügend Teststunden absolviert, um das zu eliminieren, zumal es kein Einzelfall war und mir vom Verkaufsberater bestätigt wurde
2. der Kofferraum ist ein Witz. Gefühlt die Hälfte der Werksangabe geht für die leere Reserveradmulde drauf. Der eigentlich Kofferraum liegt viel zu hoch und ist nur geringfügig größer als bei meinem 2008er Seat Ibiza - sehr, sehr enttäuschend
3. das Lenkrad ist mit Tasten überfrachtet. Mein Ibiza hat selbst ein Multifunktionslenkrad, überdies halte ich mich über die aktuellen Entwicklungen automobiler Weise auf dem Laufenden, aber ich fand mich auch nach drei Stunden im Tastenwirrwarr noch nicht zu recht und nutzte deshalb nur die nötigsten Funktionen.
4. Start-Stopp - das System nervte einfach nur. Kaum brachte ich den Golf zum Stehen, ging der Motor aus. Dämlicherweise musste ich oft kaum zwei, drei Sekunden danach wieder anfahren, was zwar recht zügig klappte, aber das ständige An-aus-an-aus empfand ich als extrem nervig. Zum Glück kann man den elektronischen Helfer abschalten - an den Stellen, wo es was bringt (z.B. an Bahnübergängen) schalte ich den Motor eh' selbst ab.
5. die miserable Abstimmung zwischen dem DSG und dem TSI-Motor. An und für sich wechselt das DSG wirklich beeindruckend schnell und ruckfrei die Gänge - aber nur unter Last.
Versuchte ich, den Golf mit Teillast zu bewegen war ich schockiert über die träge Gasannahme bei verhaltenem Gasfuß. Mein 86 PS schwacher Ibiza ist bei Teillast wesentlich spritziger. Bei dem Golf gab es nur Rollenlassen oder Vollgas - das führte einerseits dazu, dass es schwer war, eine ruckfreie Fahrweise zu finden und andererseits zu Punkt . . .
. . . 6. dem abgehoben hohen Verbrauch. Probefahrt hin oder her, ich hatte das Auto fünf Stunden lang und trotz einer kurzen, flott gefahrenen Autobahnetappe belief sich der größte Teil auf Überlandfahrten im höchsten Gang. Gemessen daran und an dem immensen Arsenal angeblich verbrauchssenkender Spielereien sind die 7,5 Liter Schnitt laut Bordcomputer abnorm hoch.
Verantwortlich dafür mache ich einerseits die erwähnte schlechte Balance zwischen Teillast und Volllast - ich musste den Druckpunkt des Turbos erspüren, damit sich der Golf spürbar bewegte - und andererseits das unnötig hohe Gewicht. Gefühlt hätte man sich die Hälfte der Elektronikspielereien (z.B. die Zylinderabschaltung und StartStopp und so einigen Multimediakram) sparen können, mit weniger Gewicht wäre der Verbrauch wohl wenigstens etwas geringer ausgefallen.
Selbst mein Verkaufsberater stimmte mir in dem Punkt zu und merkte an, seinen GTI Performance regelmäßig sparsamer zu bewegen als den 1,4er-Vorführwagen.
Über die Preise will ich gar nichts sagen, ich bin seit Langem dafür bekannt, VW deshalb zu verteufeln. Eigentlich wollte ich mit der Probefahrt meine Vorurteile beseitigen, aber ich behalte als Fazit nur zurück:
Es bleibt dabei, dass ein VW und erst Recht ein Golf mir nicht ins Haus kommt!
Abgesehen davon, dass ich mir sowieso ein Auto wünsche, dass einige Blicke auf sich zieht, habe ich das Vertrauen in VW's Langzeitqualität sowieso verloren. Es wird interessant zu beobachten, wie sich der neue Golf langfristig als Kilometerfresser bewährt.
Und, wie angesprochen, die Preise. Allein deshalb würde ich Seat oder notfalls noch Skoda vorziehen, diese Diskussion ist aber geschmacksbedingt und gehört wirklich nicht hierher.
Ach ja, letzter (Minus-)Punkt: der Sound! - Lausig! - Entweder hört man den Motor nicht oder er winselt schrill um Gnade. Das verleidet jedes Überholmanöver und jede Vollgasfahrt (wenn's mal auch den Verbrauch drücken würde, aber weit gefehlt) - grässlich!